Aus dem Verkehrsrechtsblog des Kollegen Gratz habe ich mir – mit dessen Genehmigung – den AG Neunkirchen, Beschl. v. 24.03.2016 – 19 OWi 523/15 – „geklaut“. Er behandelt noch einmal die Problematik der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren, und zwar in die sog. Rohmessdaten. An der Stelle gibt es in der Rechtsprechung ja immer wieder Probleme, vor allem nachdem die OLG mit der Herausgabe(verpflichtung) doch teilweise recht zögerlich sind. Das führt dann zu der Problematik des „Teufelskreises“, den das AG allerdings durchbricht, und zwar mit einer sehr schönen Agrumentation:
„Beim tatgegenständlich verwendeten Messverfahren mit dem Gerät ESO 3.0 handelt es sich unbestrittener Maßen um ein sog. standardisiertes Messverfahren (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.10.2012. Az.: 1 Ss Bs 12/12). Dies hat zur Folge, dass es dem Betroffenen obliegt, substantiiert vorzutragen aus welchen Gründen die durchgeführte Messung fehlerhaft ist, so dass der Betroffene konkrete und einer Beweiserhebung zugängliche Umstände vortragen muss, um eine Messung in Zweifel zu ziehen (vgl. AG Weißenfels, Beschluss v. 3.9. 2015 – 10 AR 1/15). Neben des Rechts auf Einsicht in das Messprotokoll und die Eichbescheinigung folgt aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens aufgrund der durch das standardisierte Messverfahren vorliegenden Beweislastumkehr, dass dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden muss, die Messung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen auf mögliche Messfehler zu untersuchen (vgl. AG Weißenfels, Beschluss v. 3. 9. 2015 – 10 AR 1/15). Dies aber ist nur dann möglich, wenn dem Betroffenen die Messdateien in unverschlüsselter Form übergeben werden.
Wird dem Betroffenen aber die Herausgabe der Rohmessdaten in unverschlüsselter Form versagt, wird ihm die Möglichkeit verwehrt, aktiv die Daten auf Fehler untersuchen zu lassen, die der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit zugrunde liegen. Dann aber ist dem Betroffenen verwehrt, aktiv am Gang und Ergebnis des Verfahrens mitzuwirken. Dies aber stellt ein ureigenes Recht eines Betroffenen der (vgl. BVerfGE 46, 202). Aus Art. 6 EMRK folgt zudem das Gebot der sog. Waffengleichheit. Dies bedeutet, dem Betroffenen müssen die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung gestellt sich gegen einen Vorwurf zu verteidigen, wie dem Ankläger Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, den Tatvorwurf nachzuweisen.
Da es dem Betroffenen aufgrund des standardisierten Messverfahrens aber obliegt, konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vorzutragen, damit überhaupt eine Beweiserhebung über die Korrektheit der Messung durch das Gericht in Betracht kommt, sind dem Betroffenen die Rohmessdaten in unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen, damit der Betroffene etwaige Messfehler konkretisieren kann. Ohne eine Konkretisierung könnte ein Gericht aber einen Beweisantrag des Betroffenen auf Überprüfung der Messung als Ausforschungsbeweis betrachten (vgl. AG Weißenfels, Beschluss v. 3. 9. 2015 – 10 AR 1/15).
Daher sind dem Betroffenen im vorliegenden Fall die Rohmessdaten durch die Verwaltungsbehörde in unverschlüsselter Form zu übergeben.“
Na bitte, geht doch 🙂 .