Im Kessel Buntes dann heute zwei Entscheidungen des KG aus dem verkehrszivilrechtlichen Bereich. Zunächst bringe ich das KG, Urt. v. 16.04.2018 – 22 U 168/16. Es behandelt eine zivilprozessrechtliche Problematik – an sich ein Buch mit sieben Siegeln für mich, aber bei der behandelten Problematik geht es noch 🙂 .
Geklagt wird vom Kläger nach einem Verkehrsunfall. Es wird noch um weiteres Schmerzensgeld für den Kläger, der bei dem Verkehrunfall verletzt worden ist. Vom LG ist die auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von mindestens 7.000 EUR und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen und der weiter gestellte Feststellungsantrag wegen Fehlens des notwendigen Feststellungsinteresses als unzulässig angesehen worden. Begründung: Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Beklagte zu 2) als die Haftpflichtversicherung des von dem Beklagten zu 1) geführten KfZ für den Unfall alleine einzustehen habe. Dann aber sei für die begehrte Feststellung kein Raum. Die Beklagte zu 2) habe auch – was unstreitig sei– vorgerichtlich bereits 8.000 EUR als Schmerzensgeld, 500 EUR wegen der Beschädigung von Kleidung und 880,72 EUR an vorgerichtlichen Anwaltskosten gezahlt und damit umfassend und abschließend entschädigt.
Das KG sieht das anders: Es sieht die auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage als zulässig an:
„Wie das Landgericht zu Recht annimmt, besteht zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Denn hierzu reicht ein Schuldverhältnis aus, nach dem die eine Partei der anderen zum Schadensersatz verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 245/90 –, juris Rdn. 8). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, weil der Beklagte zu 1) nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVG und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG für den Schaden einzustehen haben, der dem Kläger wegen des Unfalls vom 10. Juli 2014 entstanden ist. Aufgrund der Schilderungen der Parteien ist dabei auch davon auszugehen, dass selbst unter Berücksichtigung einer Betriebsgefahr des von dem Kläger geführten Mopeds nach den §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG eine Alleinhaftung der Beklagten gegeben ist.
Es ist aber auch von einem ausreichenden Feststellungsinteresse auszugehen. Das Feststellungsinteresse besteht, wenn dem subjektiven Recht des Klägers – hier dem Anspruch auf Schadensersatz – eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte es ernstlich bestreitet und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, dieser Gefahr zu begegnen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 1977 – VIII ZR 5/76 –, BGHZ 69, 144-153 Rdn. 11; Urteil vom 13. Januar 2010 – VIII ZR 351/08 –, juris Rdn. 12; BGH, Versäumnisurteil vom 16. September 2008 – VI ZR 244/07 –, juris Rdn. 19). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagten bestreiten zwar nicht ihre Verpflichtung, für den entstandenen Schaden einzustehen. Nach ihrer Auffassung sind sie aber, wie sich etwa aus der Klageerwiderungsschrift vom 19. Oktober 2015 ergibt, nicht zur Leistung weiteren Schadensersatzes verpflichtet, der über die bereits von der Beklagten zu 2) erbrachten Leistungen hinausgeht. Insoweit wird sowohl das Entstehen weiteren Schadens bestritten als auch die Möglichkeit, dass sich aus der Verletzung des Klägers weitere nachteilige Folgen ergeben, die den Schadensersatzanspruch wieder aufleben lassen könnten. Dann aber ist ein entsprechendes Feststellungsurteil geeignet nicht nur die Verpflichtung zur Leistung des Schadensersatzes festzulegen, sondern auch, eine zu erwartende Einrede der Verjährung zu verhindern, die ohne entsprechendes Urteil durchgreifen würde.
Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht zur Erhebung einer Leistungsklage verpflichtet, soweit er jetzt schon weiteren Schadensersatz begründen könnte. Denn der Kläger ist bei einer nicht abgeschlossenen Schadensersatzentwicklung nicht verpflichtet, alle bereits feststehenden Einzelansprüche mit der Leistungsklage geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1986 – VII ZR 318/84 –, juris Rdn. 13).
b) Die auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage ist auch begründet.
Voraussetzung hierfür ist neben dem Vorliegen eines entsprechenden Rechtsverhältnisses, dass ein Schadenseintritt wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1992 – V ZR 230/91 –, BGHZ 120, 204-215 Rdn. 25; Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 245/90 –, juris Rdn. 9; Urteil vom 25. November 1977 – I ZR 30/76 –, juris Rdn. 17). An die Darlegung der für ein Feststellungsbegehren erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass spätere Schadensfolgen eintreten können, sind vor allem mit Rücksicht auf das Interesse des Klägers an einem Schutz vor der Verjährung seiner Ersatzansprüche stets maßvolle Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass der Kläger die aus seiner Sicht bei verständiger Würdigung nicht eben fern liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Folgeschäden aufzeigt (BGH, Urteil vom 19. März 1991 – VI ZR 199/90 –, juris Rdn. 10; Urteil vom 25. Januar 1972 – VI ZR 20/71; Urteil vom 30. Oktober 1973 – VI ZR 51/72). Davon ist aber bei Knochenverletzungen regelmäßig auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1973 – VI ZR 4/72 – juris Rdn. 17/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. März 2012 – 7 U 104/11 –, juris Rdn. 32; OLG München, Urteil vom 24.11.2006, Az. 10 U 2555/06, juris Rdn. 27; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 14. März 2000 – 4 U 192/99 – 139 –, juris Rdn. 71; OLG Hamm, Urteil vom 18. Oktober 1994 – 9 U 90/94 –, juris Rdn. 12).
Danach ist hier eine ausreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts von Folgeschäden gegeben.“