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Verkehrsunfall auf einem BAB-Ausfädelungsstreifen, oder: Wer dort schneller als der übrige Verkehr fährt

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Und als zweite zivilrechtliche Entscheidung dann jetzt das LG Saarbrücken, Urt. v. 22.1.2021 – 13 S 110/20, das sich zur Mithaftung eines Verkehrsteilnehmers nach einem Verkehrunfall äußert, wenn der Verkehrsteilnehmer entgegen § 7a Abs. 3 Satz 1 StVO auf dem Ausfädelungsstreifen einer BAB schneller als der Verkehr auf dem durchgehenden Fahrstreifen fährt.

Folgender Sachverhalt: Der Kläger macht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 24.4.2018 auf einer BAB in Höhe einer Ausfahrt ereignet hat. Dabei kollidierte der von dem Zeugen pp. gefahrene LKW (pp.) mit dem vom Zeugen pp. gefahrenen, in Belgien zugelassenen Kleinlaster, einem Mercedes Benz Sprinter (pp.). Hierdurch kam es zu einem Schaden am klägerischen Lkw in Höhe der geltend gemachten Forderung. Der Kläger behauptet, der Zeuge pp. sei auf der infolge einer Baustelle auf die rechte Fahrspur verengten Fahrbahn unterwegs gewesen, als ihn das Beklagtenfahrzeug auf dem Standstreifen überholt und gestreift habe. Die Beklagten sind dem entgegengetreten und haben behauptet, der Zeuge pp. habe an der Ausfahrt abbiegen wollen und habe bereits die Ausfädelungsspur befahren, als der Lkw des Klägers auf diese gewechselt und gegen das Beklagtenfahrzeug gestoßen sei.

Das AG hat der Klage nach Beweisaufnahme in hälftiger Höhe stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Eine Haftungsteilung sei veranlasst, weil ein unfallursächliches Verschulden einer der Parteien nicht nachgewiesen sei.

Dagegen die Berufung der Kläger, die teilweise Erfolg hatte:

„1. Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Klägerseite als auch die Beklagtenseite grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und § 6 Abs. 1 Gesetz über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (AuslPflVG) einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und nicht festgestellt werden kann, dass der Unfall für einen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte.

2. Das Erstgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass im Verhältnis der Fahrzeughalter untereinander die Ersatzverpflichtung davon abhängt, inwieweit der Schaden von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 17 Abs. 1, 2 StVG).

3. Im Rahmen der danach gebotenen Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile hat das Erstgericht den Unfallhergang als unaufklärbar und ein Verschulden einer der beteiligten Verkehrsteilnehmer als nicht nachweisbar angesehen. Dies ist nur teilweise zutreffend.

4. Allerdings hat das Erstgericht mit Recht angenommen, dass weder die Unfalldarstellung der Kläger- noch der Beklagtenseite für erwiesen erachtet werden können.

a) In tatsächlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren, rechtlichen und tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloße subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vgl. BGHZ 164, 330, 332 mwN.).

b) Konkrete Anhaltspunkte, die solche Zweifel begründen und eine erneute Feststellung gebieten könnten, liegen nicht vor. In seiner Beweiswürdigung hat sich das Erstgericht vielmehr entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und dem Beweisergebnis umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, ohne gegen Denk- oder Erfahrungsgesetze zu verstoßen. Insbesondere begegnet es keine Bedenken, dass das Erstgericht die Unfalldarstellung des Zeugen pp. nicht als zutreffend angesehen hat. Anders als die Berufung meint, hat der gerichtliche Sachverständige Dipl. Phys. pp. in seinem Gutachten nachvollziehbar und von den Parteien nicht angegriffen ausgeführt, dass die Radandrehpuren am Beklagtenfahrzeug auf eine Fahrlinie des Lkw im Kollisionsmoment nach rechts schließen lassen, weshalb der Lkw sich an der Schadensörtlichkeit nach rechts bewegt und gegen das Beklagtenfahrzeug geraten ist. Soweit die Berufung meint, dies sei Spekulation, weil ebenso denkbar sei, dass der Sprinter nach links gegen den geradeaus fahrenden Lkw gefahren sein könnte, verkennt dies, dass nach der uneingeschränkt nachvollziehbaren Einschätzung des Sachverständigen die Radandrehspuren am Beklagtenfahrzeug voraussetzen, dass der Reifen des Lkw nach rechts aus dem Radkasten gedreht gewesen sein musste, um einen solchen Abrieb auf dem Beklagtenfahrzeug zu hinterlassen.

c) Dies widerspricht in dem zentralen Punkt der Aussage des Zeugen pp., der eine Bewegung nach rechts im Kollisionsmoment gerade nicht schilderte. Vor diesem Hintergrund ist es unbedenklich, dass die Erstrichterin der Angabe des Zeugen insgesamt, folglich auch der zum Unfallort – nach seiner Darstellung vor dem Ausfädelungsstreifen im Bereich der Standspur – ebenso wenig Glauben geschenkt hat, wie es nicht auszuschließen vermochte, dass der Zeuge pp. auf die Standspur oder den Ausfädelungsstreifen gewechselt ist, ohne die dabei erforderliche Sorgfalt zu beachten. Umgekehrt hat die Erstrichterin allerdings auch zu Recht ein Hinüberfahren auf die Stand- bzw. Ausfädelungsspur als nicht erwiesen angesehen, weil insoweit auch – wie die Berufung mit Recht annimmt – denkbar ist, dass der Lkw zwar nach rechts gelenkt wurde, er die Fahrspur dabei aber nicht verlassen hat.

d) Soweit die Erstrichterin sich auch nicht von der Richtigkeit der Darstellung des Zeugen pp. – der Beifahrer und Zeuge pp. hatte geschlafen und konnte keine Angaben machen – zu überzeugen vermochte, ist dies ebenfalls nachvollziehbar und wird von den Berufungsangriffen noch bestätigt. Allerdings lässt sich auch aus der Angabe des Zeugen pp., er erinnere nicht mehr, ob der Unfall „ein wenig vor dem Abzweig“ eingetreten sei, nicht, jedenfalls nicht zwingend schließen, dass er die Möglichkeit einräume, er sei noch auf der Standspur gewesen. Ebenso gut ist denkbar, dass als Abzweig die eigentliche Abfahrt gemeint ist, die am Ende des Ausfädelungsstreifens abknickt. Damit bleibt offen, ob der Zeuge pp. überhaupt auf dem Standstreifen gefahren ist. Soweit schließlich die Berufung meint, die Beweisaufnahme nach § 363 ZPO vor dem belgischen Amtsgericht sei „irregulär“, vielmehr sei der Zeuge nach entsprechender Ladung vor dem deutschen Gericht unentschuldigt nicht erschienen, verkennt sie, dass nur der der deutschen Gerichtsbarkeit Unterliegende der (deutschen) Zeugnispflicht unterliegt (statt aller: Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., vor § 373 Rn. 10), mithin ausländische Personen, wie der Zeuge pp., hiervon ausgenommen sind.

5. Verkannt hat das Erstgericht, dass der Zeuge pp. nach dem insoweit unstreitigen Vorbringen sich zunächst bei Beginn der Baustelle, an der die Verkehrsführung auf einen Fahrstreifen verengt war, hinter dem Fahrzeug des Klägers sowie im Zeitpunkt der Kollision gleichauf in Höhe des Lkw befand. Zudem steht ausweislich der Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen fest, dass das Beklagtenfahrzeug im Kollisionszeitpunkt schneller als der Lkw des Klägers gefahren sein muss. Daraus folgt, dass der Zeuge pp. auf dem Standstreifen oder auf der Ausfädelungsspur an dem Klägerfahrzeug vorbeigefahren und damit in jedem Fall einen Verkehrsverstoß begangen hat. Denn entweder ist er unter Verstoß gegen das Fahrbahnbenutzungsverbot des § 2 Abs. 1 S. 2 StVO auf der Standspur rechts am klägerischen Lkw vorbeigefahren – da die Standspur als Seitenstreifen gilt, der nicht Teil der Fahrbahn ist, liegt kein Überholen vor (vgl. etwa Freymann in Geigel aaO § 27 Rn. 51, 55, 156 jew. mwN.) – oder er ist entgegen § 7a Abs. 3 Satz 1 StVO auf dem Ausfädelungsstreifen schneller als auf dem durchgehenden Fahrstreifen gefahren. Dieser Verkehrsverstoß ist auch unfallursächlich. Denn ohne eine höhere Geschwindigkeit auf der Standspur oder dem Einfädelungsstreifen wäre das Beklagtenfahrzeug hinter dem Lkw gefahren, so dass ein Ausweichen des Lkw nach rechts – sei es innerhalb der eigenen Fahrspur, sei es bei einem Hinüberfahren auf die danebenliegende Spur – zu keiner Kollision mit dem dahinterfahrenden Beklagtenfahrzeug geführt hätte.

6. Dies hat Folgen für die nach § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotene Haftungsabwägung, weil einem unfallursächlichen Verkehrsverstoß auf Beklagtenseite allein die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs gegenübersteht. Diese tritt angesichts der im Übrigen ungeklärten Umstände nicht zurück und wird von der Kammer mit 25% bewertet. Vor diesem Hintergrund erhöht sich der Haftungsanteil der Beklagten auf 1.416,09 Euro mit der Folge, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der erstinstanzlichen Verurteilung weitere 472,03 Euro an den Kläger zu entrichten hat.“

Gespann ./. Geschwindigkeitsüberschreitung bei Gegenverkehr und Dunkelheit, oder: Haftungsverteilung

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Im „Kessel Buntes“ dann heute zwei zivilrechtliche Entscheidungen. Zunächst stelle ich hier das OLG Celle, Urt. v. 04.03.2020 – 14 U 182/19 vor. Es behandelt die Frage nach der Betriebsgefahr eines landwirtschaftlichen Gespanns, das Überbreite hat, im Verhältnis zum Verschulden eines Pkw-Fahrers, der mit erhöhter Geschwindigkeitsüberschreitung und und unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot auf einer schmalen Straße ohne Fahrbahnmarkierungen bei Dunkelheit fährt.

Hört sich kompliziert an. Daher hier der Sachverhalt der Entscheidung:

Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Verkehrsunfall am 23. September 2017 in H., OT H., außerorts auf der Gemeindestraße „pp.“ zwischen den Orten B. und H. in Fahrtrichtung B. Der Sohn des Klägers – T. W. – steuerte ein landwirtschaftliches Gespann, bestehend aus Schlepper und Anhänger, pp. und pp., mit einer Geschwindigkeit von 25 – 35 km/h. Die Gemeindestraße ist 4,95 m breit ohne Fahrbahnmarkierungen; das klägerische Gespann wies eine Breite von 2,95 m auf bei einer Masse von 18.000 kg. Im Gegenverkehr steuerte die Versicherungsnehmerin der Beklagten – K. S. – das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug Skoda Fabia, pp., mit einer Geschwindigkeit von 75 – 85 km/h. Es kam zur Kollision beider Fahrzeuge dergestalt, dass das Beklagtenfahrzeug mit der vorderen linken Seite gegen den vorderen linken Reifen des Anhängers vom klägerischen Gespann stieß. Das Beklagtenfahrzeug schleuderte – sich überschlagend – in den rechten Straßengraben; die Fahrerin erlitt schwerste Verletzungen.

Mit der Klage hat der Kläger gegenüber der Beklagten seinen materiellen Schaden (Fahrzeugschaden, Mietfahrzeug und Pauschale) in Höhe von unstreitigen 15.629,23 EUR insgesamt geltend gemacht. Hierauf hatte die Beklagte vorgerichtlich die Hälfte, nämlich 7.814,62 EUR, erstattet. Der Kläger hat gemeint, die Beklagte müsse seinen Schaden zu 100 % ersetzen. Sein Sohn habe nach den sachverständigen Feststellungen nicht weiter rechts fahren und den Unfall folglich nicht vermeiden können. Dagegen sei die Versicherungsnehmerin der Beklagten mit unangepasster Geschwindigkeit und unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot über die Fahrbahnmitte hinausgekommen. Ihr Verschulden sei so groß, dass die Betriebsgefahr für das klägerische Gespann vollständig zurücktrete.

Die Beklagte hat eine Haftungsquote von 50 % zu 50 % für angemessen erachtet. Sie hat eine Unvermeidbarkeit des Unfallgeschehens für den Sohn des Klägers bestritten. Dieser hätte weiter rechts fahren können und müssen. Das Anbringen einer Rundumleuchte an dem klägerischen Gespann wäre geboten gewesen. Eine eventuelle Blendung ihrer Versicherungsnehmerin sei ebenso wenig auszuschließen wie eine Übermüdung des Fahrers des klägerischen Gespanns, der bereits 10 Stunden im Ernteeinsatz zugebracht habe. Die hohe Gefährlichkeit des klägerischen Gespanns durch seine Überbreite und Masse müsse sich in einer Haftungsquote wiederspiegeln.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat hat eine Haftungsquote von 65 % zu 35 % zulasten des Klägers für angemessen gehalten. Der Sohn des Klägers habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar nicht gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO verstoßen, aber gegen § 1 Abs. 2 StVO, indem er die Versicherungsnehmerin der Beklagten nicht durch Hupen oder Lichtzeichen auf sein überbreites Fahrzeug aufmerksam gemacht und dieses nicht angehalten habe. Eine Rundumleuchte habe nicht benutzt werden müssen, weil es dafür an der erforderlichen Genehmigung gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 3 StVZO gefehlt habe, die erst bei Fahrzeugen ab 3 m Breite erteilt werde. Dagegen sei die Versicherungsnehmerin der Beklagten mit unangepasster Geschwindigkeit und nicht weit rechts genug gefahren (§§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 StVO). Im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1 StVG sei das Schwergewicht der Haftung auf Klägerseite zu erblicken wegen der Gefährlichkeit des Fahrzeuggespanns.“

Das OLG hat auf die Berufung das LG-Urteil abgeändert. Es ist von einer Haftungsquote von 70 % zu 30 % zulasten der Beklagten ausgegangen.

Dazu gib es dann folgende Leitsätze:

  1. Bei Dunkelheit auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen und nicht befestigtem Seitenstreifen sowie erkennbaren Gegenverkehr (landwirtschaftliches Gespann mit Überbreite) in einer leichten Rechtskurve ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 5 StVO auf halbe Sicht zu fahren.
  2. Wer ein landwirtschaftliches Gespann mit Überbreite auf einer schmalen Straße, die er befahren darf, so weit nach rechts steuert, wie es tatsächlich möglich ist, verstößt nicht gegen § 1 Abs. 2 StVO.
  3. Kommt es im Begegnungsverkehr auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen bei Dunkelheit zu einer Kollision zwischen einem landwirtschaftlichen Gespann mit Überbreite, das so weit nach rechts gesteuert wird, wie es tatsächlich möglich ist, mit einem Pkw, der die Fahrbahnmitte grundlos leicht überschreitet, so tritt die Haftung aus Betriebsgefahr für das landwirtschaftliche Gespann nicht zurück, sondern fließt mit 30 % in die Haftungsquote gemäß § 17 Abs. 1 StVG ein.

Und zur Haftungsabwägung führt das OLG aus:

„Im Rahmen der Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1 StVG sieht der Senat keinen Anlass dafür, die Haftung des Klägers gegenüber der Beklagten deutlich überwiegen zu lassen, wie die Einzelrichterin es getan hat. Das zweifache Verschulden der Versicherungsnehmerin der Beklagten (Geschwindigkeitsüberschreitung und Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot) hat den tragischen Verkehrsunfall im Wesentlichen verursacht. Wenngleich die Überbreite des landwirtschaftlichen Gespannes ebenfalls zur Kollision mit beigetragen hat, ist doch zu bedenken, dass die Versicherungsnehmerin der Beklagten mit einem Fahren weiter rechts problemlos daran hätte vorbeifahren können. Eine geringere Geschwindigkeit hätte ihr mehr Zeit zur Reaktion, sprich einem Lenkmanöver nach rechts, gelassen. Maßgeblich kausal war der Umstand, dass sie die Fahrbahnmitte überfahren hat. Der Umstand, dass das klägerische Gespann überbreit ist und ebenfalls über die Fahrbahnmitte hinausgeragt hat, hat sich wegen der ausreichenden Platzverhältnisse für die Versicherungsnehmerin der Beklagten nicht maßgeblich für das Unfallgeschehen ausgewirkt. Der Sohn des Klägers durfte die schmale Straße befahren und musste dies auch tun, um vom Feld zum Hof des Klägers zu gelangen. Die Überbreite von landwirtschaftlichen Gespannen auf der Straße hätte die Versicherungsnehmerin der Beklagten berücksichtigen müssen, als sie das klägerische Gespann im Gegenverkehr wahrgenommen hat. Nach Abwägung dieser Umstände erscheint dem Senat eine Haftungsquote von 30 % zu 70 % zulasten der Beklagten für angebracht, weil hier einer Verschuldenshaftung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung und Verstoßes gegen das Rechtsfahrgebot nur eine erhöhte Betriebsgefahr für ein überbreites Fahrzeuggespann gegenübersteht, was zu einer überwiegenden Haftung der Beklagten führen muss.

Ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr, für die der Kläger gemäß § 7 Abs. 1 StVG haftet, hinter dem Verschulden der Versicherungsnehmerin der Beklagten erscheint dem Senat nicht angebracht. Die Überbreite des Gespanns auf der schmalen Straße und seine Masse haben andere Verkehrsteilnehmer nennenswert gefährdet und hier konkret zur Schwere des Verletzungsbildes bei der Versicherungsnehmerin der Beklagten beigetragen. Für diese standen auf jeder Seite ihres 1,66 m breiten Wagens nur 17 cm zur Verfügung (2 m minus 1,66 geteilt durch 2). Bei einem so schmalen Korridor, noch dazu bei Dunkelheit und auf einer Straße ohne Fahrbahnmarkierungen, kann es relativ leicht geschehen, die Fahrbahnmitte um wenige cm zu überschreiten.“