Heute bringe ich dann mal wieder drei OWi-Entscheidungen. Ich eröffne die Berichterstattung mit dem OLG Köln, Beschl. v. 10.04.2019 – 1 RBs 416/18.
Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Gemessen worden ist mit TraffiStar S 350, Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er geltend gemacht hat, dass auf dem Messfoto und in der Originalbilddatei das sog. Schlosssymbol fehle. Das OLG Köln meint, nachdem es die Rechtsbeschwerde zugelassen und eine Stellungnahme der PTB eingeholt hat: Hat keine Auswirkungen auf die Verwertbarkeit der Messung:
„1. Das Geschwindigkeitsmesssystem TRAFFIPAX Traffistar S 350 ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch vom Senat (vgl. zuletzt: SenE v. 21.11.2018 – III-1 RBs 383/18 -) als standardisiertes Verfahren anerkannt, was auch die Verteidigung im Grundsatz einräumt. Der standardisierte Ablauf bezieht sich – wie auch bei anderen Messsystemen – nicht nur auf den eigentlichen Messvorgang, sondern auch auf die die Auswertung der Messdaten. Erfasst wird auch der Ausdruck der zu den Akten zu nehmenden Beweisfotos, sofern sichergestellt ist, dass die Bedienungsanleitung des Herstellers durchgehend beachtet und die zur Auswertung genutzte Software entweder zertifiziert ist, jedenfalls aber bestimmten Anforderungen des Herstellers an die Funktionalität genügt. Das regelmäßige Fehlen des sog. Schlosssymbols auf dem ausgedruckten und bei den Akten befindlichen Messfoto begründet in diesem Zusammenhang keine Zweifel am Messergebnis, sofern im Einzelfall keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Authentizität und Integrität der Messdaten gefährdet ist. Im Einzelnen:
a) Das Symbol hat keinerlei Bedeutung für den Messvorgang, es taucht erst auf bei der Auswertung der Daten mittels einer zugelassenen Referenzsoftware („BiffProcess“ bei TraffiStar S. 350) oder eines anderen, wesentliche vorgeschriebene Funktionalitäten enthaltenden Anwender-Auswerteprogramms und belegt für die mit der Auswertung befasste Person die Authentizität und Integrität der mittels des Systems ermittelten Messdaten (signierte Falldatei). Die PTB führt in ihrer Stellungnahme vom 17. Januar 2019 aus:
„Die signierten Falldateien gelten als unveränderliche Beweismittel. Diese können vom Überwachungsgerät abgerufen werden. Mit Hilfe des von der PTB geprüften Referenz-Auswerteprogramms (z.B. BiffProcess bei TraffiStar S350) können die Falldateien auf einem PC visualisiert werden. Bevor allerdings der Inhalt der Falldatei visualisiert wird, prüft das Referenz-Auswerteprogramm zusammen mit dem öffentlichen Schlüssel des Überwachungsgerätes, ob der in der digitalen Signatur verborgene Hashwert der Falldatei mit dem aktuell vom Referenz-Auswerteprogramm berechneten Hashwert der Falldatei übereinstimmt. Wenn diese Übereinstimmung gefunden werden kann, dann ist bewiesen, dass die Falldatei vom betrachteten Überwachungsgerät stammt (Authentizität) und unverfälscht vorliegt (Integrität). Erst danach erfolgt die Visualisierung. Bei dieser Visualisierung wird vom Referenz-Auswerteprogramm ein Schlosssymbol eingeblendet. Dieses soll dem Verwender signalisieren, dass für diese Falldatei Authentizität und Integrität gewährleistet sind.“
Im Anschluss an die Auswertung folgt der Ausdruck des Messfotos, etwa in einem JPEG-Format. Dazu heißt es weiter:
„Das Referenz-Auswerteprogramm wurde von der PTB geprüft. Der Ausdruck des Digitalfotos ist nicht PTB-geprüft und gilt daher nicht als unveränderliches Beweismittel. Der Ausdruck muss daher auch kein Schlosssymbol enthalten. Selbst wenn der Ausdruck ein Schlosssymbol enthält, so kann an diesem eine Manipulation nicht gänzlich ausgeschlossen werden, weil beispielsweise das Digitalfoto vor dem Ausdruck mit einem Grafik-Bearbeitungsprogramm editiert worden ist. In Zweifelsfällen ist daher die Auswertung mit Hilfe des Referenz-Auswerteprogramms und mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels des Überwachungsgerätes jederzeit wiederholbar.“
b) Daraus folgt im Hinblick auf die vorliegend in Rede stehende Aufklärungspflicht, dass der Tatrichter seine Überzeugung hinsichtlich des Verkehrsverstoßes – jedenfalls in der Regel – auf das bei den Akten befindliche Bildmaterial stützen darf. Er ist nicht – quasi routinemäßig – verpflichtet, einen Abgleich mit der im Referenz-Auswerteprogramm visualisierten Bilddatei vorzunehmen.
aa) Soweit in der zitierten Stellungnahme bezogen auf die signierten Falldateien von „unveränderlichen Beweismitteln“ die Rede ist, ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht zunächst klarzustellen, dass es sich bei dem ausgedruckten Messfoto um ein Augenscheinsobjekt und damit – als solches in die Hauptverhandlung eingeführt – um ein zulässiges und im Grundsatz taugliches Beweismittel handelt. Eine Hierarchie, wie sie der Verteidigung offenbar vorschwebt, dergestalt, dass „nur signierte Falldateien überhaupt Beweismittel sind“, ist der Strafprozessordnung fremd. Die als Beleg für diese Auffassung angeführte Entscheidung des OLG Oldenburg vom 06.05.2015 – 2 Ss OWI 65, 15 – (= DAR 2015, 406, 407) betrifft einen gänzlich anderen Sachverhalt, nämlich die dort als Verletzung rechtlichen Gehörs bewertete Ablehnung eines Beweisantrags des Betroffenen auf Herausgabe der Messdatei.
bb) Die Wertigkeit eines Beweismittels bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalls, d.h. nach dem Maß der konkret gebotenen Aufklärung. Im Grundsatz darf der Tatrichter davon ausgehen, dass das ausgedruckte Messfoto mit der im Referenz-Auswerteprogramm visualisierten Bilddatei übereinstimmt. Das folgt zum einen daraus, dass nach der vom Senat durchgesehenen Betriebsanleitung für TraffiStar S350 das Vorhandensein des Schlosssymbols auf dem Bildausdruck schon nicht vorgesehen ist und nach den Zulassungsanforderungen der PTB auch nicht erforderlich ist. Bei Verwendung eines von der PTB zertifizierten Auswerteprogramms bestehen insoweit keine vernünftigen Zweifel. Sofern zur Auswertung ein nicht zertifiziertes Programm verwendet wird, hat dieses nach Maßgabe der Bauartzulassung u.a. sicherzustellen, dass der Export der Bilddatei im JPEG-Format mit der entsprechenden Datei aus dem Referenz-Auswerteprogramm übereinstimmt.
Es heißt dort u.a. wörtlich:
„Auch beim ggf. kundenspezifisch angepassten Anwender-Auswerteprogramm muss sichergesellt werden, dass vor der Auswertung eine erfolgreiche Prüfung der Signatur der Vorfallsdateien durchgeführt wird.“
Ein Aufklärungsbedarf könnte sich im Einzelfall allenfalls dann ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Dateien Veränderungen im Hinblick auf den eigentlichen Messvorgang erfahren haben. Denkbar wäre die Benutzung eines nicht den Herstelleranforderungen genügenden Auswerteprogramms, die Nichteinhaltung von Bedienungsvorschriften oder bewusste oder unbewusste Einflussnahme auf das Bildmaterial. Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend aber weder dargetan noch sonstwie ersichtlich. Die Verteidigung, die lediglich allgemeine Bedenken vorträgt, überspannt insoweit die Anforderungen an die Aufklärungspflicht. Das gilt umso mehr als, wie die PTB weiter ausführt, der Vorgang jederzeit mithilfe des Referenz-Auswerteprogramms überprüft werden kann. Nach alledem resultiert allein aus dem Fehlen des Schlosssymbols kein weiterer Aufklärungsbedarf (so auch: OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2017 – 3 Ss OWi 1630/16 – = NStZ-RR 2017, 93).