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Ein Hoch auf die richterliche Unabhängigkeit? – oder: Ist der BGH ein „Tendenzbetrieb“?

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Ein Kollege hat mich unter der Überschrift „Ein Hoch auf die richterliche Unabhängigkeit“ auf das schon ältere LG Stuttgart, Urt. v. 12.06.1996, 21 O 519/95 aufmerksam gemacht. Ich kannte es bisher nicht, habe dann aber beim Recherchieren festgestellt, dass es veröffentlicht ist und auch durch das Internet „geistert“. Also: Auch ein Hoch auf das Internet, das mir dann den Zugang zu dem Urteil eröffnet hat. Und ich möchte es den Bloglesern, die es noch nicht kennen, nicht vorenthalten:

Im Verfahren ging es um die Zahlungsklage eines Kreditinstituts/einer Bank gegen die frühere Ehefrau eines Kreditnehmers, die einen Kreditvertrag mitunterschrieben hatte. Das LG hat die Zahlungsklage abgewiesen, weil es den Kreditvertrag und die Mitunterzeichnung als sittenwidrig angesehen hat, und zwar wohl (ich habe es nicht geprüft) gegen anders lautende Rechtsprechung des BGH. Dazu gibt das LG folgende Begründung:

Das erkennende Gericht verkennt nicht, daß im Lichte der Rechtsprechung des BGH und des zuständigen Berufungssenats des OLG Stuttgart vorstehende Ausführungen, wie auch die späteren, möglicherweise nicht die Sittenwidrigkeit des streit-gegenständlichen Vertrages bedingen würden.

Jedoch:

Die entsprechende Rechtsprechung des BGH ist für das Gericht obsolet. Beim BGH handelt es sich um ein von Parteibuch-Richtern der gegenwärtigen Bonner Koalition dominierten Tendenzbetrieb, der als verlängerter Arm der Reichen und Mächtigen allzu oft deren Interessen zielfördernd in seine Erwägungen einstellt und dabei nicht davor zurückschreckt, Grundrechte zu mißachten, wie kassierende Rechtsprechung des BVerfG belegt.

Die Rechtsprechung des 9. Senats des OLG Stuttgart ist der des BGH konform, ja noch „bankenfreundlicher“ sie ist von der (wohl CDU-) Vorsitzenden des Senats bestimmt die der gesellschaftlichen Schicht der Optimaten angehört (Ehemann Arzt) und deren Rechtsansichten evident dem Muster „das gesellschaftliche Sein bestimmt das Rechtsbewußtsein“ folgen. Solche RichterInnen haben für „kleine Leute“ und deren, auch psychologische Lebenswirklichkeiten kein Verständnis, sie sind abgehoben, akademisch sozialblind, in ihrem rechtlichen Denken tendieren sie von vornherein darwinistisch. „Banken“ gehören für sie zur Nomenklatura, ehrenwerte Institutionen, denen man nicht sittenwidriges Handeln zuordnen kann, ohne das bestehende Ordnungsgefüge zu tangieren. Und immer noch spukt in den Köpfen der Oberrichter das ursprüngliche BGH-Schema herum, daß nämlich die sog. Privatautonomie als Rechtsinstitut von Verfassungsrang die Anwendung des § 138 BGB auf Fälle vorliegender Art verbiete, obwohl doch § 138 BGB die Vertragsfreiheit verfassungskonform limitiert.

Es gibt dazu eine Anmerkung in AG 1998 unter dem Titel: „Richterliche Rechtsfortbildung am Rande des Wahnsinns: Der BGH als Tendenzbetrieb“. Nun, so weit würde ich nicht gehen. Ist aber schon ganz schön heftig, obwohl: Die richterliche Unabhängigkeit lässt grüßen.