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Verkehrsrecht III: Tanken, ohne bezahlen zu wollen, oder: Diebstahl oder Betrug?

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Und dann zum Tagesschluss der BGH, Beschl. v. 08.11.2022 – 5 StR 318/22. Schon etwas älter, aber ich bin erst jetzt auf ihn gestoßen.

Wie gesagt: Heute Entscheidungen mit „verkehrsrechtlichem Einschlag“. Da passt dann auch die, und zwar wegen der Ausführungen des BGH zur Abgrenzung von Betrug und Diebstahl beim Tanken, ohne bezahlen zu wollen. Ja, ja, ich weiß…… 🙂 .

Das LG hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen Diebstahls verurteilt. Der BGH hat die dagegen eingelegte Revision nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen, aber den Schuldspruch geändert:

„1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Der Angeklagte fuhr am Abend des 11. Januar 2019 gemeinsam mit den zwei gesondert Verfolgten K. und M. an eine Autobahntankstelle. Sie hatten verabredet, den Pkw zu betanken, ohne den Kraftstoff zu bezahlen, und die Tankstelle unter Verwendung eines Messers zu überfallen. Der Angeklagte ließ die beiden gesondert Verfolgten im Bereich der Toiletten aussteigen. Danach fuhr er zu einer nur wenige Meter entfernten Zapfsäule und tankte um 20 Uhr für 56,24 Euro, wobei er den Kopf gesenkt hielt und sich bemühte, sein Gesicht verdeckt zu halten; zuvor hatte er das Kennzeichen abgedeckt. Der Tankstellenmitarbeiter D. bemerkte den Tankvorgang nicht.

b) Nach der Beendigung des Tankvorgangs stellte der Angeklagte das Auto um 20.02 Uhr fluchtbereit vor den Toiletten ab und betrat nur wenige Sekunden später gemeinsam mit K.  und M. den Verkaufsraum der Tankstelle. Der Angeklagte stellte sich an den Kassentresen, sodass der Tankstellenmitarbeiter annahm, einen zahlungswilligen Kunden vor sich zu haben. Tatsächlich diente dieses Vorgehen der Umsetzung des Überfallplans. Der Angeklagte lenkte D.  nun mit einer Frage nach Zigaretten ab. Der gesondert Verfolgte K. nutzte dies aus, um hinter den Verkaufstresen zu gehen und dem Tankstellenmitarbeiter ein Messer an den Hals zu halten. Auf Aufforderung des Angeklagten und der gesondert Verfolgten öffnete D.  die Kasse, aus der M. 650 Euro entnahm. Anschließend flüchteten sie mit dem Auto des Angeklagten. Die Beute teilten sie untereinander auf.

2. Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf der Schuldspruch der Korrektur.

a) Der Generalbundesanwalt hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derjenige, dessen Bestreben beim Tanken von Anfang an darauf gerichtet ist, das Benzin an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten, sich nicht – wie vom Landgericht angenommen – des Diebstahls (oder der Unterschlagung), sondern des Betruges gemäß § 263 StGB schuldig macht. Wird der unter Vorspiegelung der Zahlungsbereitschaft durchgeführte Tankvorgang – wie hier – nicht vom Tankstellenpersonal bemerkt, ist der Täter wegen versuchten Betruges zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – 4 StR 632/11, NJW 2012, 1092 f.; vom 9. März 2021 – 6 StR 74/21). Seine Bemühungen, unentdeckt zu bleiben, ändern an dieser rechtlichen Beurteilung nichts.

b) Zutreffend haben sowohl der Generalbundesanwalt als auch der Beschwerdeführer ausgeführt, dass sich der Angeklagte nach dem für die rechtliche Bewertung des vermögensschädigenden Verhaltens maßgeblichen äußeren Erscheinungsbild nicht wegen einer besonders schweren räuberischen Erpressung strafbar gemacht hat; er ist stattdessen des besonders schweren Raubes nach § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB schuldig (vgl. BGH, Urteile vom 22. Oktober 2009 – 3 StR 372/09, NStZ-RR 2010, 46, 48; vom 12. August 2021 – 3 StR 474/20).

c) Schließlich hat der Generalbundesanwalt zu Recht durchgreifende Bedenken gegen die konkurrenzrechtliche Beurteilung des Landgerichts geltend gemacht. Der Tankvorgang und der Raubüberfall auf die Tankstelle beruhten auf einem einheitlichen Tatentschluss und spielten sich binnen drei Minuten am selben, lediglich einige Quadratmeter umfassenden Ort ab. Die Handlungen des Angeklagten gingen ohne Zäsur ineinander über. Bei natürlicher Betrachtungsweise stellt sich das gesamte Tätigwerden des Angeklagten auch aus der Sicht eines Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun dar (sogenannte natürliche Handlungseinheit) und steht daher im Verhältnis der Tateinheit im Sinne von § 52 StGB zueinander (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 6).

d) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.“

Aber – natürlich:

„3. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte (§ 337 StPO). Die Einsatzstrafe hätte es ebenfalls im Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB finden müssen. Die Änderung der konkurrenzrechtlichen Bewertung führt zwar zum Wegfall der gesondert verhängten Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten. Angesichts der Einsatzstrafe von fünf Jahren sowie der einbezogenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ist es auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Rechtsanwendung eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hätte, zumal die unterschiedliche rechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses bei wie hier unverändertem Schuldumfang kein maßgebliches Kriterium für die Strafbemessung ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2012 – 2 StR 294/12; vom 21. März 2019 – 3 StR 458/18, NStZ 2020, 232, 233).“