Eine dpa-Meldung vom 29.06.2010 weist auf ein Urteil des LG Magdeburg v. 29.06.2010, 21 Ns 17/09, hin. In der Meldung heißt es:
„Dumpinglöhne wurden bisher als Ordnungswidrigkeit in Deutschland geahndet. Das Landgericht Magdeburg setzt nun mit einem Urteil ein Zeichen. Wer den Mindestlohn nicht beachtet, macht sich strafbar.
Magdeburg (dpa/sa) – Weil er Putzfrauen mit Stundenlöhnen unter einem Euro abgespeist hat, muss ein Reinigungsunternehmer 1000 Euro Geldstrafe zahlen. Die Summe ist wenig spektakulär, wohl aber das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom Dienstag: Es bewertete das Unterschreiten eines allgemeinverbindlichen Mindestlohns als Straftat und nicht wie bisher üblich als Ordnungswidrigkeit. Gericht, Staatsanwaltschaft und Gewerkschaften maßen dem Richterspruch daher bundesweite Bedeutung zu – nach allem was man wisse, habe noch nie ein deutsches Gericht so geurteilt. «Wenn Unternehmen Dumpinglöhne zahlen, müssen sie künftig mit härteren Strafen rechnen», sagte Staatsanwalt Andreas Strauß.
Der Mindestlohn für Gebäudereiniger lag zum Zeitpunkt der 18 angeklagten Taten zwischen 2004 und 2006 bei 7,68 Euro. Die Staatsanwaltschaft rechnete vor, dass die Putzfrauen im besten Fall aber nur auf maximal 1,79 Euro die Stunde kamen. Richterin Claudia Methling sagte in ihrer Urteilsbegründung, der 57-jährige Unternehmer habe zur eigenen Gewinnmaximierung teils «nicht mal einen Euro» gezahlt. «Egal wie man es betrachtet: Ein Stundenlohn von einem Euro ist als sittenwidrig anzusehen.»
Das Gericht sprach den 57-Jährigen des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt für schuldig. Der Sozialversicherung sei durch nicht gezahlte Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge 69 000 Euro Schaden entstanden – deren Höhe bemesse sich am Lohnanspruch und nicht an der Höhe des tatsächlich ausbezahlten Lohnes. Der Mann muss 100 Tagessätze á 10 Euro zahlen und gilt, sollte das Urteil rechtskräftig werden, als vorbestraft. Die vergleichsweise milde Strafe sei der langen Verfahrensdauer und der Tatsache geschuldet, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und derzeit selbst nur einen 400-Euro-Job habe, sagte Methling. Seine Firma ist pleite.
Seit 2001 setzte der Mann Arbeitnehmer aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion an Rasthöfen in mehreren Bundesländern ein. Dort mussten sie in Zwölf-Stunden-Schichten Toiletten und Duschen sauber halten oder Geld für die Benutzung einsammeln. Sie arbeiteten bis zu 14 Tage am Stück und erhielten dafür nach den Feststellungen des Gerichts 60 bis 300 Euro – bei freier Kost und Logis.
Der Angeklagte äußerte sich in dem sei April laufenden Prozess nicht zur Sache. Anwalt Osmar Christmann argumentierte im Plädoyer, tatsächlich hätten die Beschäftigten lediglich zwei bis drei Stunden täglich geputzt, den Rest als eine Art Bereitschaftszeit verbracht. «Nirgendwo wird rund um die Uhr die Toilette geputzt», sagte der Anwalt, der auf Freispruch plädierte und nun eine Revision prüfen will.
«Das ist ein wegweisendes Urteil», sagte der Bezirksleiter Mitteldeutschland der Gewerkschaft IG BAU, Peter Schulze. «Die bisher gängige Praxis, die Nichtzahlung von Mindestlöhnen als Ordnungswidrigkeit darzustellen, wirkt an keiner Stelle abschreckend.» Die Geldbußen seien gering. «Wem nun sogar Gefängnis droht, der überlegt sich das vielleicht zweimal.»
Zwei Vorinstanzen hatten den Reinigungsunternehmer im Oktober 2008 und März 2009 freigesprochen. Das Oberlandesgericht Naumburg hob das letzte Urteil jedoch auf und verwies den Fall erneut an das Landgericht Magdeburg.“