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Strafe II: Belastendes Fehlen eines Milderungsgrundes, oder: So nicht

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Und die zweite Entscheidung, der BGH, Beschl. v. 01.08.2024 – 4 StR 2/24 -, betrifft einen Klassiker im Rahmen der Strafzumessung, also einen Punkt, der immer wieder falsch gemacht wird, und zwar:

Das LG hat die Angeklagten jeweils wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Dagegen die Revision, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

a) Das Landgericht hat neben anderen Zumessungskriterien zu Lasten des Angeklagten B.   gewertet, dass er für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe.

Diese Erwägung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn sie lässt besorgen, dass die Kammer – rechtsfehlerhaft – das Fehlen eines möglichen Strafmilderungsgrundes zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020 – 4 StR 45/20 Rn. 4). Das Herbeiholen ärztlicher Hilfe für das Opfer ist regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1994 – 3 StR 311/94 Rn. 2). Umgekehrt darf aber nicht ohne weiteres strafschärfend berücksichtigt werden, dass eine solche Bemühung unterblieben ist (vgl. BGH bei Holtz MDR 1979, 806; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 40). Die Formulierung der Kammer lässt sich auch nicht, anders als der Generalbundesanwalt meint, als bloße Bekräftigung für die strafschärfende Berücksichtigung der konkret eingetretenen Lebensgefahr begreifen.

Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das Landgericht ohne diese fehlerhafte Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte, und hebt daher den Strafausspruch auf. Da der Rechtsfehler nur die rechtliche Bewertung der festgestellten Strafzumessungstatsachen betrifft, können die getroffenen Feststellungen zu den Strafaussprüchen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

b) Die Aufhebung im Strafausspruch war auf den Mitangeklagten C.   zu erstrecken (§ 357 StPO). Der Mitangeklagte C.   ist wegen derselben Tat wie der verbliebene Revident verurteilt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2024 – 2 StR 30/22 Rn. 31). Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung auch zu seinen Lasten gewertet, dass dieser für den bewusstlos am Boden liegenden Nebenkläger keine Hilfe gerufen, sondern sich aus der Straßenbahn entfernt habe, so dass auch eine Gleichartigkeit der Rechtsverletzung gegeben ist. Die Regelung der Revisionserstreckung gilt auch für einen Angeklagten, der zwar zunächst Revision eingelegt, diese aber zurückgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, NJW 1996, 2663, 2665).“