Hinzuweisen möchte ich dann zum Auftakt des letzten Arbeitstages der Woche auf den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.04.2016 – III-3 Ws 52-60/16. In ihm hat das OLG jetzt die auf die sofortige Beschwerde der StA eine Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, in der im Strafverfahren gegen die sog. „Scharia-Polizei“ mehreren Angeklagten ein Verstoß gegen das in §§ 3 Abs. 1, 28 VersammG normierte Uniformverbot vorgeworfen wird. Das LG hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt.
Vorgeworfen wird den Angeklagten vor – so auch die PM zu der Entscheidung -, am Abend des 03.09.2014 anlässlich eines gemeinsamen Rundgangs durch die Innenstadt des Wuppertaler Stadtteils Elberfeld gegen das Uniformverbot verstoßen zu haben. Sechs der acht Angeklagten sollen bei diesem Rundgang orangefarbene Warnwesten mit der rückseitigen Aufschrift „SHARIA POLICE“ getragen haben. Initiator des Rundgangs und Wortführer der Gruppe soll Sven L. gewesen sein. Gegen Sven L. hat der GBA Anfang April 2016 wegen Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung „ISIG“ Anklage vor dem Staatsschutzsenat des OLG Düsseldorf erhoben. Der Rundgang soll wiederholt durch Redebeiträge des Angeklagten L. unterbrochen worden sein. Hierbei soll L. geäußert haben, „dass die Gesetzgebung Allahs durchgeführt wird“ und Menschen „ermahnt“ würden, damit diese nicht nachlässig gegenüber den Geboten der Scharia würden. Er soll zudem betont haben, dass der Rundgang von Dritten so wahrgenommen werden solle, „wie das Ordnungsamt oder die Polizei, die auf Streife ist“. Das OLG begründet u.a. wie folgt:
Die Angeschuldigten haben die Warnwesten als Ausdruck ihrer politischen Gesinnung getragen. Durch den Aufdruck „SHARIAH POLICE“ wird die zustimmende Einstellung der Angeschuldigten hinsichtlich der Geltung der islamischen Rechtsordnung der Scharia in der westlichen Gesellschaft und ihrer Durchsetzung („POLICE“) zum Ausdruck gebracht. Nach eigenem Bekunden des Angeschuldigten L. diente der Stadtrundgang gerade dem Zweck, ihren Wunsch zu fördern, dass „die Gesetzgebung Allahs durchgeführt wird.“ Die Angeschuldigten lehnen nach ihrem Staats- und Religionsverständnis eine Trennung von Staat und Kirche ab. Indem sie die Durchsetzung religiös bestimmter Ge- und Verbote in Verbindung bringen mit der staatlich-hoheitlichen Institution der Polizei, verdeutlichen sie ihr individuelles Verständnis von Säkularität und beziehen damit eine politische Position, offenbaren somit ihre politischen Gesinnung im Sinne von § 3 Abs. 1 VersammlG.
Die fraglichen Westen sind nach ihrer gesamten Beschaffenheit, der orangen Farbe, dem Schnitt und dem Textaufdruck identisch, so dass es sich auch um untereinander „gleichartige Kleidungsstücke“ handelt. Jedoch ist der Straftatbestand nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 27.04.1982, 1 BvR 1138/81, NJW 1982, 1803) verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Verbot „auf das gemeinsame Tragen solcher Kleidung beschränkt wird, die mit Uniformen oder Uniformteilen gleichartig sind. (…) Das Tragen speziell von Uniformen als Ausdruck politischer Gesinnung ist aber – wie historische Erfahrungen bestätigen – geeignet, nicht nur die Außenwirkung kollektiver Äußerungen zu verstärken, sondern darüber hinaus suggestiv-militante Effekte in Richtung auf einschüchternde uniforme Militanz auszulösen. Wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung des freien Meinungskampfes ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert, die Meinungsäußerungsform des öffentlichen Uniformtragens schon in den Ansätzen und auch in ihren Umgehungsformen zu unterbinden. Zu solchen Umgehungsformen gehört insbesondere das gemeinsame Tragen solcher (ziviler) Kleidungsstücke, die im Wesentlichen einheitlich aussehen und erkennbar Bezüge zur uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppierungen aufweisen. Von ihrer Gleichartigkeit mit Uniformen kann dabei um so eher ausgegangen werden, wenn die Anlehnung durch zusätzliche Umstände (Abzeichen, Auftreten mit militärischem Gebaren) verstärkt wird. Je eindeutiger die Gleichartigkeit mit Uniformen in Erscheinung tritt, desto eher kann auch das scheinbar verstreute demonstrative Auftreten entsprechend gekleideter Gruppenmitglieder in der Öffentlichkeit als ein von § 3 VersammlG erfasster Tatbestand beurteilt werden.“
Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt. Die von den Angeschuldigten getragenen Warnwesten sind nicht nur untereinander identisch, sondern mit Uniformen bzw. Uniformteilen vergleichbar. Sie sind dazu geeignet, suggestiv-militante Effekte gegenüber Dritten auszulösen. Die Kombination des äußeren Erscheinungsbildes mit dem Aufdruck „SHARIAH POLICE“ und das Auftreten der Träger in einer Gruppe sind geeignet, bei Dritten Assoziationen hervorzurufen, die potentiell einschüchternde Wirkung entfalten.
Die Intention der Angeschuldigten, die sich der Außenwirkung ihres Auftretens bewusst waren, war auf die Hervorrufung eines solchen suggestiv-militanten Effektes gerichtet. Der Angeschuldigte L. gab in der Videoaufzeichnung an, „wie die Polizei, oder das Ordnungsamt“ auf Streife gehen und ebenso zum Einhalten von Regeln ermahnen zu wollen. Gerade weil er mit seiner Gruppe wie die Polizei auf Streife gehen wollte, sei der Slogan „SHARIAH POLICE“ gewählt worden. Die Angeschuldigten geben damit ihre Missachtung des Gewaltmonopols des Staates und die Anerkennung einer Paralleljustiz zu verstehen. Dies ist eine Perspektive, die bei damit konfrontierten Personen potentiell einschüchternd wirken kann.
Der Aufdruck „SHARIAH POLICE“ stellt einen deutlichen Bezug zu dem Begriff der „Religionspolizei“, einer aus islamisch geprägten Ländern wie Saudi-Arabien, dem Iran oder Pakistan bekannten militanten Gruppierung, her. „Religionspolizisten“ treten mit dem Ziel auf, die dortige Bevölkerung – zum Teil mit Gewalt – zur Einhaltung der Verhaltensregeln der Scharia anzuhalten. Überregionale deutsche Medien berichteten mehrfach über diese „Religionspolizei“, so dass deren Aktivitäten der deutschenÖffentlichkeit auch hinreichend bekannt sind…..“
t.