Die Überschrift sagt es: Heute dann dreimal „Pflichtverteidiger“.
Den Reigen eröffnet der KG, Beschl. v. 04.07.2019 – 4 Ws 62/19-161 – AR 138/19 –, der zwei Fragen Stellung nimmt.
Zunächst geht es um die Frage der Pflichtverteidigerbestellung wegenr Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, wenn die Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren mit ihrer Berufung die Verhängung einer Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe erstrebt oder wenn die am Verfahren beteiligten Justizorgane unterschiedliche Bewertungen der Rechtsfolgenfrage vornehmen. Zum Teil wird in den Fällen ja ein Pflichtverteidiger bestellt, das KG sieht das anders.
Stellung genommen hat das KG zudem zur Anwendung der RiLi 2016/1919, also der PKH-Richtlinie, und zwar wie folgt:
b) Auch die Argumentation des Verteidigers mit der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 (ABl. EU L 297 vom 4. November 2016, S. 1 ff.) vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Nach den vom EuGH zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien formulierten Grundsätzen wäre die genannte Richtlinie – ungeachtet der Frage, wie aus dem in ihr verbürgten „Anspruch auf Prozesskostenhilfe“ unmittelbar die mit dem Rechtsmittel verfolgte Beiordnung eines Pflichtverteidigers abzuleiten wäre – nach dem Verstreichen der Umsetzungsfrist zweifellos in Bezug auf die in ihrem Artikel 4 Abs. 4 Satz 2 formulierten Fälle unmittelbar anwendbar, in denen ein Beschuldigter bereits in Haft ist oder einem Gericht zur Entscheidung über eine Haft vorgeführt wird. Im Übrigen erschiene es demgegenüber zweifelhaft, ob die Voraussetzung für eine unmittelbare Wirkung, dass die in der Richtlinie ausgesprochene Verpflichtung hinreichend klar und genau formuliert und nicht an Bedingungen geknüpft ist, es keiner zusätzlichen umsetzenden Maßnahme bedarf und ein Handlungsspielraum der Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Durchführung der betreffenden Bestimmung fehlt, sodass das nationale Gericht sie sinnvoll anwenden könnte (vgl. etwa EuGH NJW 1982, 499 [Urteil vom 19. Januar 1982 in der Rs. 8/81, Becker]), anzunehmen wäre.
Einer abschließenden Befassung mit dieser Frage bedarf es indessen nicht. Denn entgegen der offensichtlichen Annahme des Verteidigers gebietet die Richtlinie, dies zeigt auch der Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 12. Juni 2019, keinesfalls eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der notwendigen Verteidigung auf (alle) Fälle, in denen einem Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren – ungeachtet des Gewichts und Charakters der vorgeworfenen Straftat – „ein Tatvorwurf eröffnet wird“ (wobei der Verteidiger angesichts der Verwendung des Wortes „jedenfalls“ sogar der Auffassung zu sein scheint, dass es auch Fälle gebe, in denen die notwendige Verteidigung nicht einmal eine Eröffnung eines Tatvorwurfs erfordert). Dies folgt ohne weiteres aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, wonach der Anspruch auf die Bereitstellung finanzieller Mittel „im Interesse der Rechtspflege erforderlich“ sein muss, sowie aus Art. 4 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie, wonach den Mitgliedsstaaten die Befugnis eingeräumt ist, eine Prüfung materieller Kriterien (wie Schwere der Straftat, Komplexität des Falles und Schwere der zu erwartenden Strafe) vorzusehen.