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Reststrafenaussetzung: Auch der unbelehrbare = immer noch leugnende Verurteilte bekommt Bewährung

Ein Argument, mit dem in der Praxis häufig im Rahmen der Reststrafenaussetzung gegen die Aussetzung argumentiert wird, ist der Umstand, dass Verurteilte die Tat (noch immer) leugnet. Zuletzt hatte das OLG Oldenburg darauf hingewiesen, dass das nicht unbedingt besorgen lässt, der Verurteilte werde erneut Straftaten begehen. So jetzt – kurz und zackig – auch der OLG Hamm, Beschl. v. 03.04.2012 – III 1 Ws 166/12. Zwar sei im Vollstreckungsverfahren wegen der Rechtskraft der Verurteilung davon auszugehen, dass der Verurteilte die abgeurteilte Tat tatsächlich begangen habe. Das – hier danach unzutreffende – Tatleugnen eines Verurteilten begründe aber als solches nicht zwangsläufig die Besorgnis neuer Straftaten und schließe auch nicht zwingend die Wahrscheinlichkeit eines künftig straftatenfreien Verhaltens aus. Die Reststrafe ist dann zur Bewährung ausgesetzt worden.

 

Mündliche Anhörung nach Ausweisung: Ja oder nein?

Mit einem Antrag auf Reststrafenaussetzung nach Ausweisung befasst sich der Beschluss des OLG Bamberg v. 12.10.2010 – 1 Ws 561/10 -. Die Leitsätze machen deutlich worum es geht:

 

 1. Der Antrag eines ausgewiesenen Verurteilten auf Reststrafenaussetzung nach § 57 StGB ist bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen auch dann zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nach § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe ab­gesehen hat und sich der Verurteilte nicht (mehr) im Inland aufhält (Anschluss an OLG Köln StV 2009, 261 f. = StraFo 2009, 218 f. = OLGSt StGB § 57 Nr. 48).

 2. Die nach § 454 I 3 StPO gebotene mündliche Anhörung darf auch dann aus­nahmsweise unterbleiben, wenn sie dem Verurteilten deshalb unzumutbar ist, weil er in­folge seiner Ausweisung nicht zu seiner Anhörung einreisen kann, ohne die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe (§ 456 a II 1 StPO) und mögli­cherweise eine Strafverfolgung wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche Strafbeweh­rungen befürchten zu müssen (Anschluss an OLG Köln aaO., OLG Karlsruhe StV 2005, 677 f. = StraFo 2005, 258 f. = NStZ-RR 2005, 223 f. = Justiz 2005, 360 f. und OLG Düsseldorf NStZ 2000, 333 = StV 2000, 382 f.; aA.: OLG Hamm, Beschluss v. 23.02.2010 – 3 Ws 39/10 = StRR 2010, 317 f.).

 3. Will der Verurteilte das Ri­siko einer Verhaftung und Aufnahme in den Strafvoll­zug für den Fall seiner Einreise nicht in Kauf nehmen, ist es seine Sache, bei der Vollstreckungsbehörde die Aussetzung des Voll­streckungshaftbefehls für die Dauer der Durchführung des Verfahrens nach §§ 454 I und II StPO, 57 I und II StGB zu erwirken (Anschluss an OLG Karlsruhe aaO.).

Und sie machen auch deutlich, dass das OLG Hamm die mündliche Anhörung für erforderlich gehalten hat. Kein wesentlicher Dissens, aber in der Sache kann es entscheidend sein.

Immer wieder Haftsachen: Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot muss konkret geprüft werden

Der Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (Art. 5 MRK) spielt in der Rechtsprechung des BVerfG eine große Rolle. Immer wieder kommt es zu Beanstandungen von Entscheidungen der OLG.

Dem Beschl. des BVerfG v. 13.09.2010 – 2 BvR 449/10 lag allerdings nun kein U-Haft-Konstellation zugrunde, sondern ein Verfahren, in dem es um die Reststrafenaussetzung zur Bewährung (§ 57 StGB) ging. Der Verurteilte hatte gerügt, dass das Verfahren zu lange gedauert habe. Das OLG hat sich damit – so das BVerfG – nicht ausreichend auseinandergesetzt. Denn die Begründung einer fachgerichtlichen Entscheidung darüber, ob ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot in Haftsachen vorliegt, müsse erkennen lassen, dass das Gericht geprüft hat, ob und gegebenenfalls welche Verfahrensverzögerungen eingetreten und welche Ursachen hierfür maßgeblich sind. Nur wenn diese Grundlagen konkret benannt werden, sei eine sachgerechte Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem Freiheitsgrundrecht des Inhaftierten gewährleistet.

Das BVerfG hat aufgehoben und zurückverwiesen. Mal sehen, was das OLG Düsseldorf jetzt daraus macht.