In einem ausländerrechtlichen Verfahren, in dem es um die Anordnung der Sicherungshaft gegen einen nigerianischen Staatsangehörigen ging, der in Deutschland mit einer deutschen Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter zusammen lebte, ist es 2005 in einem Vorführungstermin zu einem – gelinde ausgedrückt – heftigen Wortwechsel zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen und dem zuständigen Richter gekommen. Der Wortwechsel hatt dann mehrfach die Gerichte beschäftigt und jetzt sein vorläufiges Ende beim OLG Bremen gefunden (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 28.06.2013 – 2 Ss 35/13). Das OLG bestätigt in seinem Beschluss die Verurteilung des Rechtsanwalts wegen Beleidigung und teilt dazu folgenden Sachverhalt mit:
„Der Festgenommene wurde umgehend dem zuständigen Richter der Vorermittlungsabteilung, dem Zeugen X, vorgeführt. Vor der eigentlichen Anhörung und noch in Abwesenheit des Betroffenen kam es im Flurbereich der Vorermittlungsabteilung zu einem Gespräch zwischen dem Rechtsvertreter des Betroffenen, dem Angeklagten, und dem Zeugen X, das die Protokollführerin, die Zeugin Y, teilweise mitbekam. Dabei wies der Angeklagte auf die Tatsache hin, dass sein Mandant ein Kind in Deutschland habe und für dieses die Personensorge ausübe. Dem Zeugen X war die Vaterschaft des Mandanten aus der Akte bekannt. Im Laufe der Unterhaltung erregte sich der Angeklagte immer mehr, was – zu Gunsten des Angeklagten unterstellt – auch damit zusammenhing, dass ihm der Zeuge X aus einer Vielzahl vorangegangener Abschiebehaftverfahren als ein Richter bekannt war, der bislang den Anträgen der Ausländerbehörde regelmäßig entsprochen hatte. Der Angeklagte wiederholte mehrfach, dass sein Mandant ein Kind habe. Der Zeuge X äußerte sinngemäß, dass seinem Mandanten seine prekäre ausländerrechtliche Situation bekannt gewesen sein müsste, als er Vater geworden sei. Möglicherweise merkte er sinngemäß noch an, der Betroffene hätte die richtige Reihenfolge, zunächst die Beschaffung einer Aufenthaltsgestattung und anschließend die Vaterschaft, einhalten sollen. Der Angeklagte verstand die Bemerkung dahingehend, dass der Zeuge der Auffassung sei, sein Mandant benötige eine behördliche Erlaubnis, um mit einer deutschen Frau ein Kind zu zeugen. Er forderte sodann den Zeugen X auf, ihm den Satz nachzusprechen, der Betroffene als Afrikaner sei berechtigt, eine deutsche Frau zu ficken und ihr ein Kind zu machen. Der Zeuge reagierte nicht und der Angeklagte wiederholte die Aufforderung, wobei er nunmehr das Wort „ficken“ durch den Ausdruck „vögeln“ ersetzte. Der Zeuge reagierte wiederum nicht, worauf der Angeklagte zu ihm Folgendes sagte: „Sie werden diesen Satz nicht über Ihre Lippen bringen, weil er gegen ihre Auffassungen verstößt. Sie vertreten hier Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 (gemeint ist offensichtlich 1935) mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“. Der Zeuge brach daraufhin das Gespräch ab.“
Zur rechtlichen Würdigung heißt es:
„1. Die Beleidigung setzt einen rechtwidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung voraus (Fischer, 60. Auflage, 2013, § 185 Rdn. 4). Die Äußerung des Angeklagten: „Sie werden diesen Satz nicht über Ihre Lippen bringen, weil er gegen ihre Auffassungen verstößt. Sie vertreten hier Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“, erfüllt den Tatbestand der Beleidigung. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 05.11.2010 (Az.: 2 Ss 35/09) ausgeführt hat, unterstellt die Äußerung des Angeklagten dem Zeugen X, dass dieser die im höchsten Maße menschenverachtende Auffassung der Nationalsozialisten teile. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um einen schwerwiegenden Angriff auf die Ehre und einen kaum hinnehmbaren Ausdruck der Missachtung (Hans. OLG aaO.). Dies war dem Angeklagten bekannt und von ihm in seiner Wirkung beabsichtigt, wie das Landgericht rechtfehlerfrei festgestellt hat.
2. Die genannte Äußerung ist auch nicht gem. § 193 StGB im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen des als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten gerechtfertigt gewesen. Denn durch § 193 StGB in keinem Fall gedeckt sind herabsetzende Äußerungen, zu denen der Verfahrensbeteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben haben und die in keinem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen (Fischer aaO., § 193 Rdn. 28a). Dies gilt insbesondere für die Ausübung von sog. Schmähkritik, die in spezifischer Weise dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2012, 1 BvR 2979/10, bei juris). Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil in zutreffender Weise festgestellt hat, fand das tatgegenständliche Geschehen vor der eigentlichen Anhörung im Flur vor dem Richterzimmer statt, so dass der dienstliche Bezug dieses Aufeinandertreffens zumindest gelockert gewesen ist. Entscheidend ist aber in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte durch seine mehrfache Aufforderung an den Zeugen, ihm den Satz nachzusprechen, der Betroffene als Afrikaner sei berechtigt, eine deutsche Frau zu „ficken“ (bzw. zu „vögeln“) und ihr ein Kind zu machen, die Ebene der Sachlichkeit vollständig verlassen hatte. Ein derartiges Gebaren eines Rechtsanwaltes, dessen Verhalten mit Rücksicht auf seine besondere Stellung als Organ der Rechtspflege „zurückhaltend, ehrenhaft und würdig“ sein sollte (EGMR NJW 2004, 3317 [EGMR 28.10.2003 – 39657/98]), ist unter keinen Umständen hinnehmbar. Im Kern ging es bei den Äußerungen des Angeklagten nicht mehr um die Rechtmäßigkeit der Festnahme seines Mandanten, sondern ersichtlich um die vermeintliche Einstellung des Zeugen zu Geschlechtsverkehr zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalität. Dies liegt neben der Sache und hat mit dem eigentlichen Streitgegenstand, nämlich der bevorstehenden Verhandlung über den Sicherungshaftantrag, nichts mehr zu tun. Die Revision war nach alledem als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.“