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Dashcam I: „Knöllchen Horst“ darf nicht mehr filmen, oder: Privatsheriff

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Noch aus dem Frühjahr ist das AG Hannover, Urt. v. 10.04.2017 – 265 OWi 7752 Js 14214/17 (66/17), das den bundesweit bekannten „Knöllchen Horst“ betrifft. Dieses Mal war der aber selbst Betroffener. Ihm wurde zur Last gelegt: „Unbefugte Erhebung und Verarbeitung nicht allgemein zugänglicher personenbezogener Daten durch Videoüberwachungsanlagen.“, und zwar mehrfach:, und zwar:

„In den Jahren 2014 und 2016 brachte der Betroffene dem Landkreis Osterode am Harz mehrere mögliche Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) zur Anzeige. Zu diesen Anzeigen hat der Betroffene dem Landkreis Auszüge aus dem Speicher von Onboard-Videoüberwachungsanlagen eines Personenkraftwagens übermittelt. Es handelt sich offenbar um Erhebungen mittels je einer Front- und einer Heckkamera (sog. Onboard-Kameras). Die Aufnahmen bilden öffentliche Verkehrsflächen ab und enthalten bereits mit den Fahrzeug-Kennzeichen personenbezogene Daten. Teilweise sind auf den Bildern auch Personen erkennbar abgebildet (insb. bei den Taten zu d und e). Gegenüber dem Landkreis gab der Betroffene an, über weiteres Beweismaterial zu verfügen.

Die etwaigen Verstöße anderer Verkehrsteilnehmer gegen straßenverkehrsrechtliche Bußgeldvorschriften verletzten zu Iii a bis c möglicherweise § 49 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO (Nichtbefolgung roter Lichtzeichen) und zu lit. d bis f möglicherweise § 49 Abs. 1 Nr. 22 i. V.m. § 23 Abs. 1a StVO (Nutzung von Mobiltelefonen).“

Das AG hat ihn deshalb zu einer Geldbuße von 250 € verurteilt:

„Die Videoaufzeichnung im öffentlichen Straßenverkehr am 02.05.2016 (Ziff. e des Bußgeldbescheides) stellt einen Verstoß gegen §§ 4 Abs. 1, 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG in Form der unbefugten Datenerhebung und -Verarbeitung ohne Einwilligung oder rechtliche Grundlage dar {vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 12.10.2016 (1B 171/16) m.w.N.).

Die mittels der Onboard-Kameras erstellten Aufnahmen enthalten personenbezogene Daten i. S. d. § 3 Abs. 1 BDSG, nämlich Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Auf den Ausdrucken vom 02.05.2016 (Bl. 15-17) sind Gesichter erkennbar und das Kfz-Kennzeichen ablesbar. Überdies befinden sich auf den Aufnahmen die Längen- und Breitengrade und der Zeitpunkt ihrer Entstehung, so dass der genaue Aufenthaltsort zumindest bestimmbarer Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelt werden könnte. Diese Daten lagen in nicht automatisierten Dateien gem. § 3 Abs. 2 S. 2 BDSG vor, denn sie waren nach bestimmten Merkmalen einer Auswertung zugänglich. Der Betroffene hat die personenbezogenen Daten als nichtöffentliche Stelle i. S. d. § 2 Abs. 4 BDSG erhoben i. S. d. § 3 Abs. 3 BDSG, da er sie sich durch den bewussten Betrieb der Kameras beschafft und die Verfügungsmacht über sie erhalten hat. Das Verarbeiten umfasst u. a. das Speichern personenbezogener Daten, was nach eigenen Angaben des Betroffenen vorliegend erfolgt ist. Darüber hinaus hat der Betroffene die Daten durch die Vorlage bei der Polizei bzw. der Ordnungswidrigkeitenbehörde auch genutzt. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten ist nicht ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgt. Es wurden vielmehr öffentliche Räume erfasst, um Verkehrsordnungswidrigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer unabhängig von einer eigenen Betroffenheit im öffentlichen Verkehrsraum zu dokumentieren. Hierdurch wurde der persönliche und familiäre Bereich verlassen. Die Beobachtung und Anfertigung von Videoaufzeichnungen von öffentlich zugänglichen Räumen war schließlich auch nicht gem. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG zulässig, da sie nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich war und Anhaltspunkte dafür, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwogen haben könnten, nicht ersichtlich sind. Durch die Videodokumentation für den Fall des Begehens von Verkehrsordnungswidrigkeiten werden bereits keine schützenswerten eigenen Interessen verfolgt, denn die Überwachung des Straßenverkehrs obliegt den hierfür zuständigen Behörden. Abgesehen hiervon würde das schutzwürdigen Interesse der betroffenen Verkehrsteilnehmer, nicht Gegenstand einer heimlichen, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifenden Videobeobachtung zu werden, das Interesse des Betroffenen an der Verkehrsbeobachtung überwiegen.

Mit Rücksicht auf das vorangegangene Ordnungswidrigkeitenverfahren aus dem Jahr 2014, das lediglich aus formalen Gründen eingestellt worden ist, sowie aufgrund der vorherigen und wiederholten schriftlichen Hinweise des Datenschutzbeauftragen ist jedenfalls von Fahrlässigkeit auszugehen. Der Betroffene hat sich über die Hinweise bedenkenlos hinweggesetzt. Anhaltspunkte für einen Irrtum sind nicht ersichtlich und ein solcher wäre auch unbeachtlich, denn der Betroffene hätte ohne Einholung eines abweichenden verbindlichen Rechtsrat jedenfalls den Ausgang des bereits aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahrens abwarten müssen, nachdem er mit Schreiben vom 09.01.2015 zu dem beabsichtigten Erlass einer datenschutzrechtlichen Anordnung gem. § 38 Abs. 5 S. 1 BDSG bereits angehört worden war.“

Auch ein Polizeibeamter darf nicht alle Daten abrufen, an die er heran kommt…

…so könnte man den Beschl. des OLG Bamberg v. 27.04.2010 – 2 Ss OWi 531/10 überschreiben.

Nach dem nur fragmentarisch mitgeteilten Sachverhalt hatte ein Polizeibeamter personenbezogene Daten in Bayern aus dem polizeilichen Abfragesystem IGVP abgerufen. Deswegen war er vom AG zu einer Geldbuße verurteilt worden. Die Rechtsbeschwerde hat das OLG verworfen. Seiner Entscheidung hat es folgende Leitsätze vorangestellt:

  1. Der Abruf geschützter personenbezogener Daten, die nicht offenkundig sind, ist nur zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Aufgabenerfüllung der abrufenden Stelle oder Person erforderlich ist.
  2. Der Ordnungswidrigkeitentatbestand des unbefugten Abrufs geschützter perso­nenbezogener Daten iSv. Art. 37 I Nr. 3 BayDSG ist bereits mit Ausführung der Abfrage vollendet; darauf, ob der Abruf auch zu einer Verschaffung geschütz­ter personenbezogener Daten geführt hat, kommt es nicht an.“