Das Opening in dieser Woche macht der OLG Hamm, Beschl. v. 15.09.2016 – 4 RVs 107/16. War klar, dass der kommen musste; er ist ja auch schon in einigen anderen Blogs gelaufen. Dafür ist das Wortspiel „Verkehr“ und „Bordellparkplatz“ dann doch zu schön 🙂 . Und es hat ja auch sogar eine PM des OLG Hamm zu dem Beschluss gegeben, wobei ich mich frage: Warum eigentlich? Denn im Grunde genommen enthält der Beschluss nichts Bahnbrechendes, sondern behandelt nur die letzlich allgemeine Frage der „Öffentlichkeit des Straßenverkehrs“ bei der Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB), also am Tatort. Das ist ein Punkt, auf den ich früher in Fortbildungen schon häufig hingewiesen habe und auch den ich immer auch heute in den FA-Kursen noch hinweise: Man muss sich die Tatörtlichkeit ansehen und fragen: Allgemeiner Zugang/Verkehr eröffnet. Natürlich nur in geeigneten Fällen und nicht etwas bei einer Fahrt auf „normalen“ Stadtstraßen usw. Und da bot sich eben der Tatort in diesem Beschluss zu einer näheren Nachschau an, was der Verteidiger dann auch getan hat. Und: Er hat seine Rechtsauffassung dann mit der Sprungrevision weiter verfolgt und dann eben beim OLG einen Erfolg erzielt. Wahrscheinlich wollte das OLG das mit der PM „würdigen“ :-).
Nun aber zum Beschluss, zu dem vorab noch darauf hinzuweisen ist: Das OLG verneint nicht die „Öffentlichkeit“ des Verkehrs auf dem Bordellparkplatz, sondern es moniert, dass das AG zu wenig Feststellungen zum Verkehr an dieser Stelle gteroffen hat.
„Den Bestand des Urteils gefährdet allerdings noch nicht, dass die Feststellung, dass es sich bei dem Tatort um eine einem unbestimmten Personenkreis zugängliche Fläche handelt (wobei dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend entnommen werden kann, dass dieser unbestimmte Personenkreis mit Fahrzeugen Zugang zu ihr haben soll), nicht bei den eigentlichen Feststellungen zur Sache (unter II.) erscheint, sondern erst im Rahmen der rechtlichen Würdigung. Das Strafurteil bildet eine Einheit und die Bedeutung tatsächlicher Feststellungen wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass diese nicht an der üblichen Stelle getroffen werden (Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 267 Rdn. 3 m.w.N.).
Indes ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils bzgl. der Tatörtlichkeit rechtlich zu beanstanden. Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn sie rechtsfehlerhaft ist, insbesondere wenn sie Widersprüche oder erhebliche Lücken aufweist oder gegen mit Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungssätzen nicht vereinbar ist (vgl. nur: BGH NStZ-RR 2007, 268; BGH Urt. v. 07.06.2011 – 5 StR 26/11 = BeckRS 2011, 17008).
Im vorliegenden Fall ist die Beweiswürdigung bzgl. der Feststellung, dass es sich bei der Tatörtlichkeit um einen einem unbestimmten Personenkreis zur verkehrsüblichen Nutzung offenstehender Parkplatz handelt, lückenhaft. Tathandlung des § 316 StGB ist das Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr in infolge Alkohols oder anderer berauschender Mittel fahruntüchtigem Zustand. Der Begriff des Straßenverkehrs im Sinne der §§ 315 b ff. StGB entspricht dem des StVG und bezieht sich auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. Erfasst werden zum einen alle Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder oder der Kommunen dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind (z.B. Straßen, Plätze, Brücken, Fußwege). Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich so genutzt wird. Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen (BGH Beschl. v. 30.01.2013 – 4 StR 527/12 = BeckRS 2013, 03969 m.w.N.). Das Amtsgericht teilt vorliegend nicht mit, auf welcher Grundlage es zu der Feststellung gelangt, dass der tatörtliche Parkplatz einem unbestimmten Personenkreis zur verkehrsüblichen Nutzung offenstand. Auf dem Geständnis des Angeklagten kann diese Feststellung nicht beruhen. Das ergibt sich schon aus dem Aufbau des Urteils und der Formulierung in der Beweiswürdigung, dass „die vorstehend … getroffenen Feststellungen“ auf dem Geständnis des Angeklagten beruhten. Die vorstehenden Feststellungen sind indes allein die oben wörtlich zitierten Angaben zum Tatgeschehen. Auch Zeugen oder andere Beweismittel benennt das Amtsgericht für seine Feststellung bzgl. des Parkplatzes nicht. Es ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache, dass der zu dem Bordell gehörende Parkplatz zum öffentlichen Verkehrsraum in dem o.g. Sinne gehört. Dies gilt insbesondere hier vor dem Hintergrund, dass der Parkplatz zu einem Bordell gehörte, welches sich in einer „versteckt liegenden Immobilie“ befand, nur über eine schmale Zufahrt befahrbar war und das Bordell (gemeint ist offenbar an: an der Straße) nicht beworben wird. Hier stellt sich schon die Frage, ob bzw. wie ein größerer Personenkreis überhaupt davon Kenntnis haben sollte, dass sich hinter der schmalen Zufahrt ein Parkplatz eines Bordells befinden sollte. Insoweit liegt eher der Schluss nahe, dass der Parkplatz tatsächlich nur wenigen „Eingeweihten“ (z.B. Personal und/oder Stammkunden) offenstand.
Es bedarf daher noch weiterer Feststellungen zur Sache, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen war (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO). Einer vollständigen Aufhebung der Feststellungen bedurfte es indes nicht, da die übrigen Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen wurden.“
Am besten wäre es wahrscheinlich, das AG würde einen Ortstermin machen 🙂 .