Eine in meinen Augen interessante Frage hat ein Kollege vor einigen Tagen an mich herangetragen, er sprach von einem „exotischen Problem:“
Folgender Sachverhalt:
Mein Mandant hatte wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts einen Bußgeldbescheid erhalten mit einer Geldbuße von 160 € und einem Fahrverbot von 1 Monat.
Vor der Hauptverhandlung erhob ich aufgrund eines Privatgutachtens Einwendungen gegen die Geschwindigkeitsmessung.
Das Gericht hob daraufhin den Termin zur Hauptverhandlung auf und erließ einen Beschluss über eine Geldbuße ohne Fahrverbot.
Aktenkundig ist ein Beschluss mit einer Geldbuße über 100,00 €. Damit war auch die Amtsanwaltschaft einverstanden.
Zugestellt wurde ein Beschluss mit einer Geldbuße von 35,00 €. Zur Begründung wurde auf den Bußgeldbescheid verwiesen. Allerdings waren das Aktenzeichen und der Tatvorwurf nicht korrekt. Die Mitarbeiterin der Geschäftsstelle hatte sich offensichtlich verschrieben. Dies stellte ich im Rahmen einer Akteneinsicht fest.
Trotz eines eindeutigen Verfahrensfehlers (kein Hinweis an den Betroffenen gem. § 72 OWiG) erhob mein Mandant natürlich keine Rechtsbeschwerde.
Am 21.9.2012 stellte das Amtsgericht den Beschluss nochmals zu, diesmal allerdings mit dem korrekten Aktenzeichen des Bußgeldbescheides und der Geldbuße von 100,00 €. Das Gericht behauptete, der Beschluss mit diesem Inhalt sei rechtskräftig und der ursprünglich zugestellte Beschluss fehlerhaft und als nichtig zu betrachten.“
Frage: Kann man den falschen ersten Beschluss so „reparieren“? Es ist ja mit dem zweiten Beschluss kein „Berichtigungsbeschluss“ – mal dahingestellt, inwieweit der Beschluss überhaupt „berichtigt“ werden konnte – ergangen. Sondern ein komplett neuer. Der erste Beschluss ist m.E. nicht nichtig, sondern in der Welt und wirksam sowie rechtskräftig. Allein das falsche Aktenzeichen machte ihn nicht unwirksam/nichtig. M.E. muss der Kollege daher gegen den zweiten Beschluss mit der Rechtsbeschwerde vorgehen und Strafklageverbrauch/ne bis in idem geltend machen.
Das wird er tun. Mal sehen, was das zuständige OLG dazu sagt.