Heute dann wieder ein StPO-Tag, und zwar ein „Befangenheitstag“, also (nur) Entscheidungen zur Besorgnis der Befangenheit (§§ 24 ff. StPO).
Ich eröffne den Reigen mit dem BGH, Beschl. v. 03.03.2022 – 4 StR 379/21. Der BGH äußert sich zu Äußerungen des Vorsitzenden im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung gegenüber der Mitangeklagten nach Abtrennung der bis dahin gegen sie und den Angeklagten gemeinsam geführten Hauptverhandlung. Auf diese Äußerungen – dazu siehe unten im Zitat – war ein gestützten Befangenheitsantrag des Angeklagten des Angeklagten gestützt worden. Der BGh hat gegen dessen Zurückweisung keine Bedenken.:
„1. Die Rüge einer Verletzung der „§§ 24 Abs. 2, 338 Nr. 3 StPO, Art. 6 Abs. 1 EMRK“ ist unbegründet. Die Zurückweisung des auf Äußerungen des Vorsitzenden im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung gegenüber der Mitangeklagten nach Abtrennung der bis dahin gegen sie und den Angeklagten gemeinsam geführten Hauptverhandlung gestützten Befangenheitsantrags des Angeklagten begegnet auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Februar 2021 ? 1128/17, NJW 2021, 2947, keinen Bedenken
Die Äußerungen des Vorsitzenden, die Kammer habe nicht darüber zu befinden, ob sie ? die Mitangeklagte ? eine „moralische Mitschuld“ am Tode des Säuglings trage, sowie sein erläuternder Hinweis, er gehe ? dem rechtsmedizinischen Sachverständigen folgend ? davon aus, dass E. durch den Angeklagten zu vier verschiedenen Zeitpunkten Rippenserienfrakturen zugefügt worden seien, begründen jenseits von Fragen der Zweckmäßigkeit moralischer Bewertungen in einem Strafverfahren nicht die Besorgnis, der Vorsitzende trete dem Angeklagten nicht mehr unvoreingenommen gegenüber.
Die mündlichen Ausführungen des Vorsitzenden zu den Ergebnissen der bis zur Abtrennung zur Urteilsverkündung gegen die Angeklagten gemeinsam durchgeführten Hauptverhandlung stimmen inhaltlich mit der den Verfahrensbeteiligten übersandten „vorläufigen Würdigung des bisherigen Beweisergebnisses der Beweisaufnahme“ vom 5. Februar 2021 überein und tragen erkennbar vorläufigen Charakter. Die mündliche Urteilsbegründung enthielt schließlich ? anders als das schriftliche Urteil in der Fallkonstellation, die dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Februar 2021 ? 1128/17, NJW 2021, 2947 zugrunde lag ? keine nähere Feststellung oder Würdigung des dem Angeklagten zur Last liegenden Tötungsverbrechens zum Nachteil seines Sohnes.“