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Mithaftungsquote wegen Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes, oder/und: Taggenaues Schmerzensgeld?

Und als zweite Entscheidung bringe ich dann das OLG München, Urt. v. 25.10.2019 – 10 U 3171/18. Das nimmt (mal wieder) Stellung zur Frage des Mitverschuldens in den Fällen des Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes.

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 13.07.2013 geltend. Dabei übersah der Beklagte zu 2), dass die vor ihm fahrenden Fahrzeuge ihre Fahrt verkehrsbedingt verlangsamen mussten. Er fuhr deswegen auf den vor ihm fahrenden Pkw auf, welcher zunächst auf den davor fahrenden Pkw aufgeschoben und dieser auf die Gegenfahrbahn geschoben wurde. Dort kollidierte dieser mit dem Pkw des Klägers. Bei diesem Unfall wurde der Kläger als Fahrzeugführer schwer verletzt. Das Klägerfahrzeug war mit Frontairbags ausgerüstet, welche kollisionsbedingt ordnungsgemäß öffneten. Der Pkw war ferner auch mit Sicherheitsgurten ausgerüstet. Einen Sicherheitsgurt hatte der Kläger nicht angelegt.

Das OLG München berücksichtigt das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes wie folgt:

1. Aus Gründen praktischer Handhabung ist es geboten, bei verschiedener Auswirkung des Nichtangurtens auf einzelne Verletzungen unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der von den Verletzungen ausgehenden Folgeschäden, deren vermögensrechtliches Gewicht je nach der Verletzung verschieden sein kann, eine einheitliche Mitschuldquote zu bilden (ebenso BGH, Urt. v. 28.02.2012VI ZR 10/1).

2. Da bei einer angegurteten normalen Sitzposition das Risiko, schwere Knieverletzungen zu erleiden, deutlich geringer als bei einem nicht angegurteten Insassen ausfällt, ist – wenn der geschädigte Pkw-Fahrer nicht angeschnallt war und sich im wesentlichen langwierige Knieverletzungen zugezogen hat – eine Mitverschuldensquote von 30% angemessen.

3. Hat der Geschädigte auf seinen erlittenen Haushaltsführungs- und Verdienstausfallschaden Zahlungen Dritter erhalten, sind bei der Ermittlung eines gegenüber dem Schädiger ersatzfähigen Erwerbsschadens zuerst der Mitverschuldensanteil des Geschädigten und nachfolgend die erhaltenen Zahlungen in Abzug zu bringen.

Und:

4. Eine „tagesgenaue“ Bemessung von Schmerzensgeld ist nicht vorzunehmen (entgegen OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18.10.201822 U 97/16).