Schlagwort-Archive: LG Essen

Pflichti II: Ätsch-Effekt, oder: So kann man doch mit den Rechten von Angeklagten nicht umgehen

entnommen openclipart.org

Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, ist „unschön. Es handelt sich um den LG Essen, Beschl. v. 09.03.2018 – 64 Qs 51/17. Das Verfahren richtet sich gegen mehrere Angeklagte wegen gemeinschaftlichen Diebstahls. Zwei der Angeklagte haben einen Pflichtverteidiger, weil ua. der Grundsatz der Waffengleichheit die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gebiete. U.a. darauf wird auch der Beiordnungsantrag des Kollegen vom 04.10.2017 für seinen Mananten gestützt. Das AG lehnt ab am 03.11.2017 ab. Dann wird, weil die Beschwerdekammer nicht so schnell vor der HV am 08.11.2017 entscheiden kann, das Verfahren gegen den Angeklagten und einen Mitangeklagten – beide nicht in Haft – abgetrennt. Und dann:

 

 

1. Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers folgt — entgegen der Sichtweise der Beschwerde — nicht daraus, dass gegen den Beschwerdeführer und die vormaligen Mitangeklagten Anklage vor dem Jugendschöffengericht erhoben worden ist.

Zwar kommt nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO eine Pflichtverteidigerbestellung insbesondere auch dann in Betracht, wenn eine solche wegen der Schwere der Tat geboten erscheint. Diese „Schwere der Tat“ beurteilt sich aber maßgeblich nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung, wobei sich eine Pflichtverteidigerbestellung in der Regel erst bei einer Straferwartung von etwa neun Monaten Jugend- oder Freiheitsstrafe als notwendig erweist.

Dass der Angeklagte vorliegend eine solche Jugend- oder Freiheitsstrafe zu erwarten  hätte, ist — auch unter Berücksichtigung der im Bundeszentralregisterauszug vom 19.07.2017 enthaltenen 2 Voreintragungen – jedoch nicht zu etwarten, zumal das Amtsgericht bereits im Beschluss vom 03.1 1.2017 darauf hingewiesen hat, dass die vom Beschwerdeführer zu erwartenden Rechtsfolgen nichtso schwerwiegend seien.

2. Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers folgt auch nicht daraus, dass dem vormals Mitangeklagten H. gem.. § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist. 

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in der Rechtsprechung umstritten ist, ob es in Konstellationen, in denen ein Mitangeklagter verteidigt ist, der Grundsatz des fairen Verfahrens und das Prinzip der Waffengleichheit gebieten, auch den weiteren Angeklagten einen Pflichtverteidiger zu bestellen (vgl. zum Streitstand etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.11.2012 — 4aWs 151/12 m.w.N.).

Die Kammer teilt die – insbesondere auch in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, dass einem Angeklagten ein Pflichtverteidiger nur deswegen beizuordnen ist, weil auch der Mitangeklagte einen Verteidiger hat, nicht existiert.  Vielmehr ist in jedem Einzelfall anhand einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände gesondert zu prüfen, ob aus Gründen der Waffengleichheit und / oder des fairen Verfahrens die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten ist (vgl. hierzu etwa OLG Köln, Beschluss vom 20.06.2012 – 2 Ws 466/12; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.11.2012 — 4a Ws 151/12; OLG Hamburg, Beschluss vom 30.01.2013 – 3 Ws 5/13).

Im vorliegenden Fall führt die vorzunehmende Würdigung der zu berücksichtigenden  Gesamtumstände dazu, dass dem Beschwerdeführer nach Abtrennung der Verfahren kein Pflichtverteidiger beizuordnen ist.

Vor Abtrennung der Verfahren stellte sich die Sachlage zwar anders dar.

Dabei war — worauf die Beschwerde zutreffend hinweist insbesondere zu berücksichtigen, dass in Konstellationen, in denen mehrere Angeklagte wegen derselben Tat angeklagt sind, die Möglichkeit besteht, dass sich die Angeklagten gegenseitig für die Tatbegehung verantwortlich machen, weshalb in derartigen Konstellationen ein nicht verteidigter Angeklagter einem verteidigten Angeklagten gegenüber. benachteiligt ist, zumal der verteidigte Mitangeklagte über seinen  Verteidiger jederzeit Akteneinsicht erhalten und seine Verteidigung am Akteninhalt ausrichten kann, was dem nicht verteidigten Angeklagten nicht möglich ist. Es ist daher anerkannt, dass es in derartigen Konstellationen nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens geboten sein kann, dem nicht verteidigten Angeklagten einen   Pflichtverteidiger beizuordnen, um dessen Fähigkeit, sich zu verteidigen und auf  etwaige belastende Angaben des verteidigten Mitangeklagten angemessen  reagieren zu können, sicherzustellen (vgl. etwa LG Verden, Beschluss vom 04.03.2014 – 1 Qs 36/14; LG Itzehoe, Beschluss vom „2.01.2012 – 1 Qs 3/12 sowie  i.E. auch OLG Hamburg, Beschluss vom 30.01.2013 3 Ws 5/13; OLG Köln,    Beschluss vom 20.06.2012 — 2 Ws 466/12; • OLG Stuttgart, Beschluss vom  22.11.2012 – 4a Ws 151/12).

Der Beschwerdeführer und der vormals Mitangeklagte H. haben in ihren Beschuldigtenvernehmungen bei der Polizei divergierende Angaben zu den jeweiligen Tatbeteiligungen, insbesondere auch bei dem gewaltsamen Versuch, die   Wohnungstür zu öffnen, gemacht und angegeben, jeweils selbst vor dem Haus   gewartet zu haben, mithin für sich selbst jeweils reklamiert, lediglich vor dem Haus „Schmiere gestanden“ zu haben. Der Mitangeklagte B. hat den Tatvorwurf in  Gänze abgestritten.

 In Anbetracht dieser sich widersprechenden Einlassungen war es nach den Grundsätzen der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens zwar zur Zeit des  Antrages auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers vom 04.10.2017 geboten, dem Beschwerdeführer ebenfalls einen Pflichtverteidiger zu bestellen, um sicherzustellen, dass dieser auf etwaige, nach Aktenlage zu erwartende, belastende Angaben des verteidigten vormals Mitangeklagten H. angemessen reagieren kann. 

Diese Notwendigkeit der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist jedoch dadurch  entfallen, dass das Verfahren gegen den Beschwerdeführer und den (b.islang nicht verteidigten) Mitangeklagten B. zwischenzeitlich zur anderweitigen Verhandlung  und Entscheidung abgetrennt worden ist. Allein der Umstand, dass der ehemalige  Mitangeklagte H. nunmehr ggf. in der Hauptverhandlung des Beschwerdeführers   als Zeuge seine damalige Einlassung als Angeklagte wiederholen könnte, führt nicht dazu, dass der Beschwerdeführer benachteiligt ist und ihm deswegen -ein  Pflichtverteidiger beizuordnen wäre.

Nach allgemeinen Grundsätzen ist maßgeblich für die Frage, ob die Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers vorliegen, der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Denn die Bestellung eines Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Angeklagten und. seines   Verteidigers, sondern verfolgt allein den Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu   sorgen, dass der Angeklagte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist. Die Abtrennung der Verfahren durch das Amtsgericht stellt sich auch als sachgerecht und dem Beschleunigungsgrundsatz entsprechend dar, da der damalige Mitangeklagte sich in Untersuchungshaft befand und eine Entscheidung über die Beschwerde nicht mehr vor dem angesetzten Hauptverhandlungstermin am 08.11.2018 ergehen konnte.2

„Unschön“ – siehe oben – ts m.E. nocht gelinde ausgedrückt. Der Kollege stellt am 04.10.2017 den Beiordnungsantrag, also einen Monat vor dem auf den 08.11.2017 terminierten HV-Termin. Über den Antrag entscheidet das AG am 03.11.2017 – das LG kann nicht mehr rechtzeitig vor der HV über die Beschwerde entscheiden. Der Kollege erfährt dann durch Beschluss vom 09.03.2018 (!): An sich wärst du beizuordnen gewesen, aber jetzt nicht mehr. Das ist der „Ätsch-Effekt“. Man könnte bei dem Verfahrensablauf auch noch auf ganz andere Gedanken kommen. Letztlich fehlen mir die Worte…., aber: So kann man doch mit den Rechten der Angeklagten nicht umgehen…

Urteil falsch? Die Aufhebung macht das AG selbst, oder: Soll man lachen oder weinen?

© Alex White – Fotolia.com

Soll man lachen, soll mann weinen? Das ist die Frage, wenn man den LG Essen, Beschl. v. 07.1.2017 – 26 Qs 62/17 – liest. Da hat das Ag mal kurz eben sein eigenes Urteil aufgehoben. Nicht überraschend, dass das LG sagt: Geht nicht. Sachverhalt und „Gründe“ dann hier:

I.

Am 05.04.2015 erließ die Stadt Essen gegen den Beschuldigten einen Bußgeldbescheid aufgrund eines Rotlichtverstoßes und setzte eine Geldbuße von 360 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot fest. Auf die Hauptverhandlung vom 03.09.2015 erging ein den Bußgeld bestätigendes Urteil durch das Amtsgericht Essen. Hiergegen legte der Beschuldigte Rechtsbeschwerde ein. Gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Hamm hob das Oberlandesgericht Hamm das Urteil mit Beschluss vom 21.01.2016 mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verwies es zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Essen zurück. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, im Zuge dessen die Sachverständige die Zeugen „vernahm“, erging am 25.08.2017 schließlich erneut ein Urteil durch das Amtsgericht Essen, mit welchem der Beschuldigte zur Zahlung einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt wurde. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein und begründete diese mit der mittlerweile eingetretenen Verfolgungsverjährung. Daraufhin hob das Amtsgericht Essen sein Urteil mit Beschluss vom 03.11.2017 auf. Gegen den am 08.11.2017 (Staatsanwaltschaft) bzw. 09.11.2017 (Verteidiger) zugestellten Beschluss legten sowohl die Staatsanwaltschaft am 29.11.2017 als auch der Beschuldigte am 13.11.2017 sofortige Beschwerde ein.

II.
Die gem. § 206a Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht Essen war für die Aufhebung seines eigenen Urteils auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hin nicht zuständig. Wie bereits bei der ersten Rechtsbeschwerde war auch bei dieser das Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde berufen, § 79 Abs. 5 OWiG berufen. Der Aufhebungsbeschluss des Amtsgerichts war daher aufzuheben und ist zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde dem Oberlandesgericht vorzulegen.“

Die vielfach propagierte Verfahrensbeschleunigung ist ja ganz schön, aber so? Und man fragt sich dann doch, was sich der Amtsrichter bei seiner Entscheidung gedacht hat. Hoffentlich hat er überhaupt gedacht. Sieht allerdings m.E. nicht danach aus.

Ach so: Ich habe mich für Weinen entschieden.

Herabrutschen vom Beifahrersitz, oder : Wer haftet wie?

Heute dann zunächst das LG Essen, Urt. v. 12.12.2017 – 2 O 265/17. Das hat mal einen etwas anderen Sachverhalt zum Gegenstand. Es geht zwar auch um einen Unfall im Straßenverkehr, aber mal nicht zwischen zwei Pkw, sondern in Zusammenhnag mit der Beförderung einer gehbehinderten Frau. Die führte im Anschluss an eine Hüftoperation eine ambulante Rehabilitation in einer Klinik in Essen durch. Zum Zwecke der Anreise beauftragte die Fachklinik die Beklagte zu 1) mit einem Transport der Klägerin von ihrem Wohnort aus in die Klinik. Gegen 7:00 Uhr holte am Vorfallstag ein Fahrer der Beklagten zu 1), der Zeuge pp., die Klägerin mit einem Krankenbeförderungsfahrzeug in Velbert ab. Dabei parkte dieser das Fahrzeug mit der Fahrerseite auf dem Bordstein und mit der Beifahrerseite auf der Straße, so dass es sich in seitlicher Schräglage befand. Die Beifahrertür musste der Straße aus geöffnet werden. Die Klägerin begab sich mit ihren Krücken und einer Tasche selbständig zum Fahrzeug und setzte sich auf den Beifahrersitz. Daraufhin nahm der Fahrer ihr sowohl die Krücken, als  auch die Tasche ab und verstaute diese anschließend im Kofferraum des Fahrzeugs. Die Beifahrertür blieb währenddessen geöffnet. Als die Klägerin sich anschnallen wollte und zum Sicherheitsgurt griff, rutschte sie von der Beifahrersitzfläche aus dem Fahrzeug auf die Straße und prallte mit dem Kopf sowie der rechten Körperhälfte auf das Pflaster auf. Sie erlitt eine blutende Platzwunde.

Frage, die die Klägerin dem LG gestellt hat: Haftet das Beförderungsunternehmen und/oder der Fahrer, und wenn ja wie?

Das LG sagt: Nein keine Haftung. Dazu die drei zu der Entscheidungen passenden Leitsätze:

  • Es fehlt an der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht bei einer Beförderung, wenn eine Insassin mit eigener Kraft nach einer Hüftoperation auf dem Beifahrersitz eines Autos Platz nehmen kann, und diese dann vom Beifahrersitz bei dem Versuch rutscht, sich eigenständig anzuschnallen, während der Fahrer derzeit ihre Gehhilfe in den Kofferraum während einer geöffneten Beifahrertür bei einer leichten Schrägstellung des Fahrzeuges trägt.
  • Bei diesem Schadensfall verwirklicht sich das allgemeine Lebensrisiko und nicht die Betriebsgefahr des betroffenen Fahrzeuges als Fortbewegungsmittel, sodass auch eine Haftung nach dem StVG ausscheidet.
  • Ohnehin würde die Betriebsgefahr hinter dem erheblichen Eigenverschulden der Insassin im vollen Umfang bei der Haftungsabwägung zurücktreten.

tzt.

Ratsgebühr, oder: Im Zivilverfahren erstattungsfähig?

© Gina Sanders – Fotolia.com

Machen wir heute mal – außer der Reihe – ein wenig Gebührenrecht. Es geht allerdings nicht um Fragen der Gebühren der Teile 4 und 5 VV RVG, sondern um eine mehr allgemeine Fragestellung. Und zwar geht es um die Erstattungsfähigkeit der sog. Ratsgebühr. Nicht selten wird ja nach einem Zivilrechtsstreit von der obsiegenden Partei, die nicht anwaltlich vertreten war, versucht, eine Gebühr nach § 34 RVG zur Erstattung gegen die unterlegene Partei anzumelden. Das LG Essen hat das jetzt im LG Essen, Beschl. v. 06. 10.2016 – 7 T 284/16 – abgelehnt.

Nach dem Sachverhalt hatte der Beklagte nach Abweisung der Klage und Auferlegung der Kosten und Auslagen des Beklagten auf den Kläger einen Betrag von 226,10 EUR aus einer Rechtsanwaltsrechnung über eine angebliche Beratung und Gutachtenerstellung zur Erstattung angemeldet, ohne das näher zu konkretisieren. Das AG hatte die Festsetzung abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten hatte beim LG Essen keinen Erfolg:

„Die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte – der trotz entsprechender Monita seitens des Amtsgerichts und des Klägers nichts Konkretes dazu ausgeführt hat, welchen Inhalt die angebliche Beratung und Gutachtenerstellung hatte – gern. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass der Aufwand für die Beratung und Gutachtenerstellung zum Zwecke der Rechtsverteidigung in vorliegendem Rechtsstreit entstanden ist, kann letztlich dahinstehen.

Selbst bei Unterstellung einer Prozessbezogenheit des in Rechnung gestellten Betrages ist eine Festsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht möglich. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Rechtsfragen des Kostenrechts zugeschnitten. Zur Klärung materiell-rechtlicher Fragen ist dieses Verfahren deshalb nicht vorgesehen (BGH, Beschluss vom 23.03.2006 – V ZB 189/05NJW 2006, 1962 (Rn. 4); BGH, Beschluss vom 22.11.2006 – IV ZB 18/06NJW-RR 2007, 422 (Rn.8)). Eine solche Prüfung materiell-rechtlicher Fragen müsste aber erfolgen, wenn im Kostenfestsetzungsverfahren eine – wie hier – nach §§ 14, 34 RVG berechnete Gebühr festgesetzt werden sollte, deren Höhe entweder von einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen Mandant und Rechtsanwalt oder einer Ermessensbestimmung seitens des Anwalts abhängig ist. Die Frage der Erstattungsfähigkeit einer derartigen Gebühr ist deshalb gegebenenfalls in einem ordentlichen Rechtsstreit zu klären. Eine Festsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren ist abzulehnen (sh. z.B. OLG Rostock, Beschluss vom 17.04.2008 – 5 W 77/08 – zit. nach juris (Rn. 10 und Rn. 13); Herget in: Zoller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 104 Rn. 21 „Außergerichtliche Anwaltskosten“, § 91 Rn. 13 „Ratsgebühr“; sh. a. Schulz in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91 Rn. 129).“

Nun, m.E. war die Frage, die zu entscheiden gewesen wäre, gar nicht so „schwer“, dass sie nicht ohne weiteres sowohl dem Grunde als auch ggf. der Höhe nach vom LG hätte entschieden werden können. Das LG hätte sich nur zwischen den dazu vertretenen Auffassungen entscheiden müssen: Nämlich entweder keine Erstattung der Ratsgebühr als eine vereinbarte Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren oder doch Erstattungsfähigkeit und keine Verweisung auf den Klageweg. Hätte das LG die Erstattungsfähigkeit der Beratungsgebühr bejaht, wäre dann noch die Frage zu entscheiden gewesen, ob die geltend gemachten Auslagen voll oder nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren zu erstatten wären. Letztlich kam es damit dann doch für die Überprüfung der Rechnung auf die Konkretisierung des Inhalts der Beratung und Gutachtenerstellung an.

Aber hat man eben nicht. Und das LG hat auch die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

VW-Abgasskandal: Rechtsschutz und/oder PKH, oder: Ohne Moos nix los….

entnommen wikimedia.org Urheber User: High Contrast

entnommen wikimedia.org
Urheber User: High Contrast

Die Entscheidungen zum VW-Abgasskandal – Stichwort: „Schummelsoftware“ – mehren sich. ich habe ja auch schon häufiger darüber berichtet (zuletzt über den OLG Celle, Beschl. v. 30.06.2016 –  7 W 26/16 mit VW-Abgasskandal: OLG Celle – ja, aber, oder: Nachbesserung erfolgreich möglich? mit Links zu weiteren Entscheidungen). Heute will ich zwei Entscheidungen vorstellen, die sich mit „Randproblemen“ dieser Thematik befassen, und zwar mit der Frage der „Prozessfinanzierung“. Für die Betroffenen Eigentümer natürlich kein Randproblem, sondern von großer Bedeutung, denn: Ohne Moos, nix los.

Und darauf scheint mal wieder eine Rechtsschutzversicherung gebaut zu haben. Denn die RSV hatte Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag abgelehnt. Der Versicherungsnehmer war Eigentümer eines VW und wollte gegenüber dem Autohaus, bei dem der Pkw gekauft worden war vom Vertrag zurücktreten bzw. denselben wegen arglistiger Täuschung anfechten. Daneben wollte er gegenüber der VW-AG Schadensersatzansprüche geltend machen. Die RSV hatte die Deckung wegen „Mutwilligkeit“ abgelehnt. Die dagegen gerichtete Deckungsklage hatte beim LG Essen im LG Essen, Urt. v. 18.05.2016 – 18 O 68/16 – Erfolg:

„Der Anspruch des Klägers bezüglich der Geltendmachung von Ansprüchen gegen das Autohaus K & Co ist insbesondere nicht gem. § 3a Abs. 1 b) ARB wegen Mutwilligkeit ausgeschlossen.

Mutwilligkeit liegt gem. § 3a Abs. 1 b) ARB dann vor, wenn der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Versicherungsgemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall.

Der angestrebte Erfolg der vom Kläger beabsichtigten Klage gegen das Autohaus K & Co. liegt in der Rückabwicklung des Kaufvertrages über den vom Abgasskandal betroffenen PKW. Den Kostenaufwand für ein entsprechendes Verfahren beziffert die Beklagte im Schreiben vom 11.01.2016 mit 7.700,69 €. Sie stellt diesem Betrag ein Nutzen des Klägers in Höhe von 60,00 – 200,00 € gegenüber (Kosten der Sachmängelbehebung).

Eine solche Gegenüberstellung geht jedoch fehl. Der Kläger möchte mit der angestrebten Klage gerade nicht die Nachbesserung durch das Autohaus K & Co. erreichen, sondern die Rückabwicklung des gesamten Kaufvertrages. Dieser angestrebte Nutzen kann nicht gleichgesetzt werden mit den Nachbesserungskosten im Falle der Nacherfüllung durch den Verkäufer.

Der pauschale Vortrag der Beklagten, dass in einem Verfahren, wie es der Kläger anstrebt, Kosten in einem bis zu sechsstelligen Bereich anfallen würden ist nicht einlassungsfähig. Dieser Vortrag der Beklagten entbehrt insoweit jeder Substantiierung.“

In der zweiten Entscheidung geht es um PKH. Leider habe ich von dem OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16 – noch keinen Volltext, sondern nur die PM. Es eght um die Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs. Das LG  Essen hat Prozesskostenhilfe unter Hinweis darauf, dass das gekaufte Fahrzeug zwar mangelhaft, die verlangte Nachlieferung aber unverhältnismäßig sei, abgelehnt, das OLG hat sie bewilligt. Dazu aus der PM – geht so ein bisschen in Richtung der o.a. OLG Celle-Entscheidung:

„Ihren Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs habe die Antragstellerin, so der Senat, schlüssig vorgetragen. Sie habe mit hinreichender Erfolgsaussicht einen bereits bei der Fahrzeugübergabe vorhandenen Sachmangel geltend gemacht. Durch die Installation der Manipulationssoftware, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte verhindere und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegele, dürfte das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit abweichen.

Ob die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin gewählte Art der Nacherfüllung aufgrund unverhältnismäßiger Kosten verweigern dürfe, sei derzeit noch nicht abschließend und sicher festzustellen. Über diesen Einwand sei im Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Dabei müsse der Antragsgegnerin nicht nur die von der Antragstellerin gewünschte Nachlieferung, sondern auch die von ihr, der Antragsgegnerin, favorisierte Nachbesserung tatsächlich möglich sein. Insoweit sei u. a. zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin bislang keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamtes für die von ihr beabsichtigte technische Umrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells vorliege. Bislang sei auch nicht vorgetragen, wann mit der Freigabe zu rechnen sei und bis zu welchem Zeitpunkt die technische Maßnahme dann ggf. an dem Fahrzeug der Antragstellerin umgesetzt werden könne. Es erscheine zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung auf eine Nachbesserung verweisen könne, wenn ihr diese nicht binnen angemessener Frist möglich sei. Die rechtliche und tatsächliche Bewertung dieses Gesichtspunkts sowie der zwischen den Parteien umstrittenen Frage der Kosten, die bei der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigen seien, sei allerdings nicht bereits im Rahmen des summarischen Prozesskostenhilfeverfahrens vorzunehmen.“

Es bleibt spannend.