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„Viel“ Nutzungsausfall, oder: Reparatur hat 159 Tage gedauert

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Und als zweite zivilrechtliche Entscheidung dann das OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.03.2021 – 1 U 77/20.

Es geht um Nutzungsausfall-. Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 11.06.2018 ereignete. Zur Ermittlung der an ihrem Kraftfahrzeug durch den Unfall hervorgerufenen Schäden gab die Klägerin am 29.06.2008 ein Gutachten der DEKRA in Auftrag, welches am 02.07.2018 erstellt und der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 23.07.2018 übersandt wurde. In dem Gutachten wurden Reparaturkosten in Höhe von 10.464,61 netto (12.452,89 Euro brutto), eine Wertminderung in Höhe von 1.400,00 Euro und eine Reparaturzeit von vier Tagen bei einem Nutzungsausfallbetrag von 79,00 Euro pro Tag ausgewiesen. In dem Schreiben vom 23.07.2018 wurden die Bruttoreparaturkosten, die Wertminderung, ein Nutzungsausfallschaden in Höhe von 316,00 Euro (4 Tage x 79,00 Euro), Kosten der Begutachtung in Höhe von 772,55 Euro sowie eine Auslagenpauschale von 40,00 Euro geltend gemacht, mithin ein Gesamtbetrag von 14.981,44 Euro. Hinzu kamen außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro. Mit Schreiben vom 01.08.2018 wies die Beklagte die Ansprüche der Klägerin zurück mit der Begründung, dass nach Angaben des Beifahrers des bei ihr versicherten Fahrzeugs dieses bei gelber Ampelschaltung in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, sodass keine Eintrittspflicht bestehe.

Am 09.08.2018 erteilte die Klägerin der Firma M. GmbH einen Reparaturauftrag mit der Maßgabe, dass mit der Reparatur erst nach eindeutiger Klärung der Haftungsfrage begonnen werden solle. Nachdem die Klägerin am 14.08.2018 über die Ordnungsbehörde erfahren hatte, dass der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs seinen Einspruch gegen einen gegen ihn wegen des Unfalls erlassenen Bußgeldbescheid zurückgenommen hatte, wurde am selben Tag mit der Reparatur begonnen. Während der Zeit der Reparatur nutzte die Klägerin einen Pkw X., der jedenfalls auch durch ihren Sohn genutzt wurde. In den Zeiträumen vom 10.09.2018 bis zum 20.09.2018 und vom 15.10.2018 bis zum 05.11.2018, in denen sich der Sohn mit dem Fahrzeug im Urlaub befand, nutzte die Klägerin einen Mietwagen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.01.2019 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die bereits im Schreiben vom 23.07.2018 genannten Forderungen geltend, allerdings mit der Maßgabe, dass nunmehr ein Nutzungsausfall für 159 Tage zu je 79,00 Euro, mithin 12.561,00 Euro, sowie zusätzlich die Erstattung zweier Mietwagenrechnungen in Höhe von zusammen 2.093,59 Euro für die Urlaubszeiträume ihres Sohnes, also 31 Tage, gefordert wurde. Der eingeforderte Gesamtbetrag erhöhte sich dadurch auf 29.283,24 Euro. Anwaltskosten wurde nunmehr in Höhe von 1.358,86 Euro gefordert. Es wurde eine Frist zur Zahlung bis zum 31.01.2019 gesetzt.

Die Beklagte zahlte in der Folge an die Klägerin einen Betrag von 16.707,44 Euro, verweigerte jedoch eine Zahlung auf den Nutzungsausfallanspruch für 159 Tage. Auch Anwaltskosten wurden nicht erstattet. Mit der Klage macht die Klägerin die Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 12.561,00 Euro sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.

Zur langen Reparaturdauer trägt die Klägerin vor, dass ein Airbag-Modul für die Beifahrerseite längere Zeit nicht geliefert worden sei, ohne dass das Fahrzeug nicht betrieben werden dürfe. Bei Lieferung des Moduls habe sich dann herausgestellt, dass auch der Kabelbaum der Beifahrertür defekt gewesen sei, weswegen dieser habe nachbestellt und eingebaut werden müssen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte beim OLG teilweise Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Verzögerungen bei der Reparatur des unfallbeschädigten Kfz, die nicht vom Geschädigten zu vertreten sind, gehen zu Lasten des Schädigers. Insofern kann von dem Geschädigten eine Nutzungsausfallentschädigung auch für einen längeren Zeitraum (hier: 104 Tage) beansprucht werden.

  2. Hat die Werkstatt die Verzögerung mit Lieferschwierigkeiten bei Ersatzteilen (hier: Airbag-Modul für die Beifahrerseite) begründet, trifft den Geschädigten keine dahingehende Schadenminderungspflicht, selbst bei anderen Werkstätten oder bei dem Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu forschen. Er darf sich vielmehr grundsätzlich darauf verlassen, dass die von ihm beauftragte Werkstatt sich unter Ausschöpfung aller verfügbaren Möglichkeiten um die zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemühen wird.

  3. Der Geschädigte muss sich zur Verkürzung der Ausfallzeit grundsätzlich nicht mit einer Teilreparatur seines Kfz zufrieden geben.

  4. Dem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung steht nicht entgegen, dass dem Geschädigten während der Ausfallzeit seines Kfz von einem Familienmitglied ein anderes Kfz zur Verfügung gestellt worden ist. Insofern handelt es ich um die freiwillige Leistung eines Dritten, die den Schädiger nicht entlastet.