Die Kollegin von Braunschweig aus Köln hat vor einigen Tagen in der FB-Gruppe „Fachanwälte für Strafrecht“ über ein Schreiben einer Bezirksrevisorin beim AG Köln berichtet, zu dem ich nur sagen kann: Unverschämt und: Es lässt mich fassungslos mit der Frage zurück: „Tickt die Staatskasse noch richtig?“
Ich hatte die Kollegin um ein wenig Sachverhalt und das Schreiben gebeten, um dazu hier posten zu können. Die Bitte hat sie erfüllt. Also:
Zum Sachverhalt teilt die Kollegin mit:
„Mein Mdt hatte einen Strafbefehl wg des Tatvorwurfes der Körperverletzung erhalten, nach Anzeige meiner Verteidigung und Einspruch fand am 29.11.2016 die HV statt. Nach Einlassung meines Mdt und Vernehmung zweier Zeugen wurde mein Mdt freigesprochen. Da auch die StA dies beantragt hatte, hab ich am gleichen Tag die Wahlverteidigergebühren abgerechnet. Die Abtretungserklärung sämtlicher Rechtsanwaltsgebühren an mich seitens meines Mandanten war dem Kostenantrag beigefügt. Da die Sache nicht so lange gedauert hatte, habe ich die Mittelgebühren abgerechnet.
Also alles in allem eine einfache Abrechnung (keine Besonderheiten, da Mittelgebühr) und Abtretungserklärung lag bei.
Ich erhielt keine Resonanz und erinnerte am 09.03.2017 an die Kostenfestsetzung und erhielt sodann die angehängte Erklärung der Bezirksrevisoren per Post direkt an mich.“
Und in dem Schreiben vom 20.03.2017 an die Kollegin heißt es dann:
„Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin!
Der Antrag vom 29.11.2016 liegt mir als Vertreterin der Landeskasse seit dem 19.12.2016 zur Stellungnahme nach Nr. 145 RiStBV vor.
Aufgrund von enormen Rückständen bei den Bezirksrevisoren, die durch lange Zeit andauernde Personalknappheit und durch Einsatz in der Ausbildung von Anwärtern entstanden sind, ist nach heutiger Einschätzung mit einer Stellungnahme an das Amtsgericht wohl nicht vor Ablauf von zwölf bis vierzehn Wochen zu rechnen. Ich bearbeite die mir vorliegenden Verfahren grundsätzlich chronologisch, da mir diese Verfahrensweise als die gerechteste erscheint.
Ich bedauere es sehr Ihnen derzeit keine andere Mitteilung machen zu können und verbleibe mit freundlichen Grüßen…“
Wenn man es liest: Ich bin fassungslos und finde das Verhalten der Justizkasse unverschämt. Abgesehen davon, dass man die Sache erst mal drei Monate liegen lässt, bevor man sich auf die Nachfrage der Kollegin überhaupt meldet, wird sie nun noch weiter vertröstet – um noch einmal „zwölf bis vierzehn Wochen„. Dann hat das Kostenfestsetzungsverfahren sechs Monate gedauert. Eine in meinen Augen unverschämt lange Dauer des Verfahrens. Und der Grund: Die „enormen Rückständen bei den Bezirksrevisoren, die durch lange Zeit andauernde Personalknappheit und durch Einsatz in der Ausbildung von Anwärtern entstanden sind.“ Was bitte schön haben der frei gesprochene Angeklagte, der die bei ihm entstandenen Auslagen nach einem Freispruch ersetzt haben möchte, oder sein Verteidiger, dem er seine Ansprüche abgetreten hat, damit zu tun? Nichts. Die Justiz mag genügend Personal einstellen, dann muss sie sich nicht auf Personalknappheit berufen. Dafür wird man dann aber vielleicht mal den Finanzminister in die Pflicht nehmen müssen, der seine Schatulle öffnen muss. Der hat doch – wie er uns zum Jahresende – wortreich und stolz erzählt hat, so viel Geld. Ja, hat er. Aber offenbar gespart auf Kosten anderer. Unverschämt das Verhalten der Justizkasse m.E. auch deshalb, weil die Justiz/das Land/die Finanzkasse in den Fällen, in den dem Land Ansprüche zustehen, anders reagiert. Denn, wenn der (Steuer)Bürger Fristen nicht einhält, dann ist man schnell mit Verspätungszuschlägen zur Stelle. Und das dann zu einem satten Zinssatz.
Um Kommentaren vorzubeugen: Ja, ich bin mir bewusst, dass sich die Forderung der Kollegin verzinst. Nur von den Zinsen wird man kaum leben und ein Büro betreiben können. Aber vielleicht meint die Bezirksrevisorin das ja.
Was kann die Kollegin tun? Nun, im Grunde nicht viel:
- Sie kann Verzögerungsrüge erheben nach den §§ 198, 198 GVG, die auch im (Vergütungs)Festsetzungsverfahren gelten (vgl. das OLG Zweibrücken, Urt. v. 26.01.2017 – 6 SchH 1/16 EntV und dazu Verzögerte Kostenfestsetzung, oder: Hiermit kann man der Staatskasse ggf. Beine machen). Ergebnis: Zusätzliche Arbeit.
- Sie kann auch Untätigkeitsbeschwerde einlegen, allerdings ist die Frage, ob die neben der Verzögerungsrüge noch statthaft ist, ist umstritten. Und ob die vor Ablauf der angekündigten „“zwölf bis vierzehn Wochen“ beschieden ist, kann man auch nur hoffen (ich glaube, eher nicht).
- Man kann dann aber auch mal an das Finanzministerium schreiben, in der Hoffnung, dass etwas passiert. Die Hoffnung habe ich allerdings nicht.
Und man kann die Unverschämtheit/Frechheit auch einfach erdulden. Wahrscheinlich muss man das, auch wenn es schwer fällt. Alles in allem: Unverschämt.