Der OLG Hamm, Beschl. v. 10.03.2016 – 3 RVs 22/16 – beantwortet die Frage, wann Aufnahme eines nackten Körpers oder des Geschlechtsteils eines Kindes „Kinderpornografie“ nach altem Recht ist, und zwar nach § 184 b Abs. 1 StGB in der Fassung v. 31.10.2008. Das AG hatte den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften zu einer Geldstrafe verurteilt. Dem OLG Hamm haben die dazu vom AG getroffenen Feststellungen nicht gereicht:
„Gemäß § 184b Abs. 4 S. 2 StGB in der Fassung vom 31.10.2008 wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer kinderpornografische Schriften besitzt, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, wobei gemäß § 11 Abs. 3 StGB den Schriften u.a. Datenspeicher gleichstehen. Kinderpornografische Schriften sind nach der Legaldefinition der §§ 184b Abs. 1 S. 1, 1. HS StGB in der Fassung vom 31.10.2008 pornografische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben. Eine derartige sexuelle Handlung von, an oder vor Kindern hat das Amtsgericht hier nicht hinreichend festgestellt. Das Amtsgericht hat erkennbar nicht bedacht, dass nicht bereits die Aufnahme eines nackten Körpers oder des Geschlechtsteils eines Kindes Kinderpornografie i.S.v. § 184b Abs. 1 StGB in der Fassung vom 31.10.2008 darstellt; vielmehr ist für die Annahme sexueller Handlungen von oder an Kindern im Sinne eines hier möglicherweise vorliegenden Posierens in sexualbetonter Körperhaltung erforderlich, dass die von dem Kind eingenommene Körperposition objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, einen eindeutigen Sexualbezug aufweist (BGH, Beschluss vom 03.12.2014 – 4 StR 342/14; BGH, Beschluss vom 26.08.2008 – 4 StR 373/08 und BGH, Beschluss vom 20.12.2007 – 4 StR 459/07, alle [juris]; vgl. auch BGH StV 2015, 471; StV 2014, 416 und StV 2014, 736 sowie BT-Drucks. 16/9646, S. 2, S. 17).
Körperpositionen, die sich bei einem Handlungsablauf ohne eindeutigen Sexualbezug (z.B. Körperpflege, An- oder Umkleiden, Sport, Spiel etc.) naturgemäß ergeben, sind dagegen auch dann keine sexuellen Handlungen von Kindern i.S.v. § 184 b Abs. 1 StGB in der Fassung vom 31.10.2008, wenn sie für Bildaufnahmen zu pornografischen Zwecken ausgenutzt werden (BGH, Beschluss vom 03.12.2014 – 4 StR 342/14; [juris]). Dasselbe gilt für Aufnahmen eines schlafenden Kindes (Röder, NStZ 2010, 113). Diese Strafbarkeitslücke hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, um mit § 184b StGB i.d.F.v. 21.01.2015 das Tatbestandsmerkmal der kinderpornographischen Schriften um solche pornographischen Schriften zu erweitern, die u.a. die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien eines Kindes zum Gegenstand haben (BT-Drucks. 18/3202, S. 27; BT-Drucks. 18/2601, S. 29f).
Die Feststellungen belegen hier bereits nicht, dass die auf den vier dort näher bezeichneten Bilddateien teilweise dargestellten Kinder zum Zeitpunkt der Fertigung der zugrunde liegenden Aufnahmen ihr Geschlechtsteil „zur Schau gestellt“ und damit eine Handlung vorgenommen haben, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach einen eindeutigen Sexualbezug aufweist (BGH, Beschluss vom 03.12.2014 – 4 StR 342/14; [juris]). Den Feststellungen des Amtsgerichts kann vielmehr lediglich entnommen werden, dass auf den betroffenen Bilddateien jeweils ein weiblicher Unterleib mit der jeweils im Mittelpunkt der Aufnahme stehenden Vagina zu erkennen ist, ohne dass der begleitende Handlungsablauf, der zu der Fertigung der Aufnahme geführt hat, näher dargestellt wird. Es bleibt daher nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils möglich, dass die Aufnahmen im Rahmen eines Handlungsablaufs ohne eindeutigen Sexualbezug gefertigt wurden und damit eine sexuelle Handlung von einem Kind bzw. an einem Kind ihnen nicht zugrunde liegt. Dass es sich bei dem zugrunde liegenden Geschehen tatsächlich um sexuelle Handlungen von oder an einem Kind gehandelt hat, liegt insbesondere bei den Bilddateien „###“ und „###“ durchaus nahe, da dort nach den Feststellungen des Amtsgerichts die äußeren Schamlippen leicht auseinandergezogen sind. Offen bleibt aber auch hier, worauf dies beruht; insbesondere, ob auf den Bildern eine entsprechende Manipulation durch das Kind oder durch einen Dritten dargestellt werden. Da insoweit und auch insgesamt weitere Feststellungen möglich erscheinen, hat der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass allein der Umstand, dass die dargestellte Vagina komplett haarlos ist, ohne nähere Ausführungen nicht ausreicht, um daraus den Schluss zu ziehen, dass es sich um die Vagina eines Kindes handelt. Insbesondere muss insoweit die Möglichkeit einer Intimrasur bei einer dem Kindesalter entwachsenen Frau ausgeschlossen werden. Auch bleibt offen, was unter einem „kindlich geformten“ Oberschenkel zu verstehen sein soll.Hierzu hätte es ebenso näherer Darlegung bedurft wie zu der Annahme, es handele sich „augenscheinlich“ um die Vagina eines Kindes, die in dieser Form über eine bloße Vermutung nicht hinausreicht.“