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Obliegenheitsverletzung bei der Unfallmeldung, oder: Meldung nur beim Versicherungsmakler

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Als zweite Entscheidung habe ich dann das OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.02.2025 – 5 U 42/24 -, in dem es um die Eintrittspflicht der Beklagten aus einer Fahrzeug-Vollkaskoversicherung geht. Darum wird gestritten.

Dem Vertrag über die Fahrzeug-Vollkaskoversicherung, die der Kläger bei der Beklagten für sein Kfz unterhielt, lagen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Kfz-Versicherung AL_KFZ comfort (AKB 2021 = Anlage B1) zugrunde. Das Fahrzeug des Klägers wurde bei einem Unfall nachts gegen 3.00 Uhr schwer beschädigt. Der Kläger verließ die Unfallstelle und informierte erst zwei Tage später um 18.23 Uhr die Polizei; außerdem will er den Schaden schon am Unfalltag um 8 Uhr telefonisch seinem Versicherungsmakler gemeldet haben.

Ein gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Un-fallort wurde gemäß § 153 StPO eingestellt.

Die Beklagte lehnte die Erstattung des Vollkaskoschadens ab, weil der Kläger sich von der Unfallstelle entfernt und dadurch seine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe. Das LG hat dann die Klage im Wesentlichen für begründet erachtet. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Klage insgesamt abgewiesen.

Ich stelle auch hier nur die Leitsätze der umfangreich begründeten Entscheidung ein:

1. Zur Obliegenheit des Versicherungsnehmers, nach einem Verkehrsunfall „alles“ zu tun, was zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistungspflicht erforderlich ist, insbesondere nach Verlassen der Unfallstelle. 

2. Das durch § 142 Abs. 2 StGB geschützte Aufklärungsinteresse des Kfz-Versicherers wird zwar durch eine unmittelbar an ihn oder seinen Agenten erfolgende unverzügliche Mitteilung mindestens ebenso gut gewahrt wie durch eine nachträgliche Benachrichtigung des Geschädigten, nicht jedoch durch die (behauptete) Unterrichtung eines als solchen erkennbar nicht der Sphäre des Versicherers zuzurechnenden Versicherungsmaklers, den der Versicherungsnehmer mit der Meldung des Schadens beauftragt und der diese nicht unverzüglich an den Versicherer weitergeleitet hat. 

3. Für eine arglistige Verletzung der Aufklärungsobliegenheit kann es sprechen, wenn der Versicherungsnehmer nach einem nächtlichen, nur durch einen erheblichen, auf nicht versicherten Ursachen beruhenden Fahrfehler zu erklärenden Verkehrsunfall keine Unbeteiligten hinzuzieht, das schwer beschädigte Fahrzeug mit Hilfe des herbeigerufenen Bruders des Mitfahrers von der Unfallstelle entfernt, den Vorfall erst zwei Tage später der Polizei meldet, ohne die Verzögerung plausibel zu erläutern und bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen Feststellungen hätten nachgeholt werden können, lediglich den Ab-schleppdienst beauftragt und seinen Versicherungsmakler um eine Schadensmeldung bittet, von der ihm bewusst sein musste, dass sie den Versicherer so nur verzögert erreichen würde.

Nachtrunk verschwiegen – Versicherungsschutz futsch

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Mit Nachtrunk, falschen/unrichtigen/unvollständigen Angaben des Fahrers nach einem Verkehrsunfall und den daraus entstehenden Folgen befasst sich das OLG Köln, Urt. v. 15.07.2014 – 9 U 204/13. Da hatte der Kläger Ansprüche aus einer Kaskoversicherung geltend gemacht. Sein Sohn war mit dem versicherten Kfz in einen Unfall verwickelt. Im Schadensanzeigeformular der beklagten Versicherung, die der Sohn im Auftrage seines Vaters, des Versicherungsnehmers, ausfüllte und unterschrieb, verneinte der Sohn Alkoholgenuss. Die Versicherung zahlt nicht. Es kommt zum Prozess. In dem behauptet der Kläger/Vater, sein Sohn habe erst nach dem Unfall getrunken und sei zum Zeitpunkt des Unfalls nicht alkoholisiert gewesen. Der beklagte Versicherer hat sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung berufen und: Sie hatte Erfolg. Die Klage wurde abgewiesen.

Das OLG nimmt zu drei Punkten Stellung:

  1. Verletzung der Aufklärungspflicht : Das OLG lässt offen, ob der Sohn vor dem Unfall Alkohol getrunken hatte. Auch bei einem reinen Nachtrunk habe die Frage nach einem Alkoholgenuss nicht verneint werden dürfen. Auch dessen Verschweigen verletze bei einer Frage nach Alkoholkonsum die Aufklärungsobliegenheit nach E.1.3 AKB.
  2. Zurechnung des Verhaltens des Dritten: Da der Vater seinen Sohn mit der Ausfüllung der Schadensanzeige beauftragt habe, sei dieser auch mit der Erfüllung der versicherungsvertraglichen Aufklärungspflicht und der Abgabe von Erklärungen betraut worden. Sein Verhalten sei daher als das eines Wissenserklärungsvertreters dem Kläger zuzurechnen. Dazu reiche ein einmaliges Tätigwerden aus. Eine auf Dauer ausgerichtete Beauftragung sei nicht erforderlich (BGH VersR 1995, 281; 2014, 59).
  3.  Folgen der Obliegenheitsverletzung: Wegen der dem Vater zuzurechnenden Obliegenheitsverletzung sei die Versicherung vollständig leistungsfrei. Da der Sohn vorsätzlich gehandelt habe, dürfe der Anspruch nicht nur gekürzt werden (§ 28 Abs. 2 Satz 2 VVG). Wegen Arglist entfalle auch die Beschränkung der Leistungsfreiheit auf einen kausalen Anteil (§ 28 Abs. 3 Satz 2 VVG). Der Sohn habe durch seine Angaben bewusst und willentlich auf die Entscheidung der Versicherung einwirken wollen, was auch aus dem Verschweigen einer Blutprobe folge.a, das war es dann.

Besoffen fahren – das kann in der Kasko-Versicherung teuer werden

BierglasDer Kläger wollte die Zahlung einer weiteren Versicherungsleistung aus einer Kfz-Vollkaskoversicherung von der Beklagten. Die war Fahrzeugvollversicherer eines Pkw VW, dessen Versicherungsnehmer der Kläger war, der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls Fahrer des versicherten Fahrzeuges war. Mit dem war Kläger am 01.10.2012 gegen Abend auf öffentlichen Straßen gefahren. Kurz nach dem Durchfahren einer Linkskurve kam der Kläger nach rechts von der Fahrbahn ab, wobei an dem Pkw ein Totalschaden entstand. Eine dem Kläger um 20:47 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille. Die Parteien haben um die Höhe der Leistungskürzung gestritten. Der Kläger meinte nur 50 %, die Beklagte wollte 80 %. Das AG  Dippoldiswalde hat im AG Dippoldiswalde, Urt. v. 18.09.2013 – 1 C 270/13 – dann um 70 % gekürzt.

Die Beklagte ist zur Leistungskürzung gegenüber dem Kläger um 70 % gemäß § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, da der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Nach Ansicht des Gerichts beträgt die angemessene Kürzung, die sich an der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers orientiert, vorliegend 70 %. …..

Der Kläger hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls fahruntüchtig. Dies steht aufgrund der weiteren Unfallumstände zur Überzeugung des Gerichts fest. Er hatte zum Unfallzeitpunkt um 19:15 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille. Bei dieser Blutalkoholkonzentration ist der Fahrzeugführer relativ fahruntüchtig. Hinzu kam vorliegend eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung. Das Abkommen von der Fahrbahn ohne ersichtlichen Grund stellt sich als typisch alkoholbedingter Fahrfehler dar (vgl. Landgericht Flensburg, Urteil v. 24.08.2011, AZ.: 4O 9/11). Der Kläger ist vorliegend am Ausgang einer Kurve von der Fahrbahn nach rechts abgekommen und im Straßengraben zum Stehen gekommen. Eine Beschädigung eines weiteren Fahrzeuges ist nicht eingetreten, ebenso wenig gibt es überhaupt objektive Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer sich zum Unfallzeitpunkt oder kurz davor in der Nähe des Unfallortes aufgehalten haben soll oder in etwa andere verkehrsfremde Umstände außerhalb der Person des Klägers sich auf den Verkehrsunfall ausgewirkt haben könnten. Es spricht daher schon der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Kläger infolge seiner Blutalkoholkonzentration von 1,07 Promille einen Fahrfehler begangen hat und nach rechts von der Fahrbahn im Anschluss an eine Kurve abgekommen ist. Dass ein alkoholisierter Verkehrsteilnehmer infolge des Alkoholgenusses einen Fahrfehler begeht, wodurch er entweder infolge zu hoher Geschwindigkeit oder infolge mangelnder Reaktionsfähigkeit oder alkoholbedingt fehlerhafter Reaktionen von der Fahrbahn nach rechts abkommt, ist eine typische Folge der Alkoholisierung……

Der Kläger hat den Verkehrsunfall auch grob fahrlässig herbeigeführt. Ein Fahrzeugführer, der in der Zeit von 15:30 Uhr bis spätestens 19:15 Uhr drei bis vier Bier trinkt, und direkt im Anschluss an das letzte Bier eine Fahrt antritt, handelt grob fahrlässig. Der Kläger gab auch selbst an, dass er zuvor nichts zu Mittag gegessen habe. Es leuchtet im Übrigen jedem Fahrzeugführer ein, dass er nach einer Trinkmenge von 3 bis 4 Bier, so wie es der Kläger selbst angab, alkoholisiert ist und sich eine Fahrt mit einem Pkw verbietet. Dass er trotzdem direkt im Anschluss an den Verzehr des dritten oder vierten Bieres innerhalb von nicht einmal 4 Stunden mit dem Pkw eine Fahrt angetreten hat, verstößt im besonderes hohem Maße gegen die Sorgfaltsanforderungen an einen Fahrzeugführer. In der Folge hat er ebenso im besonderen groben Maße sorgfaltswidrig den Versicherungsfall herbeigeführt, als er ohne Fremdeinwirkung von der Fahrbahn abgekommen ist. Gegenteiliges konnte der Kläger, wie oben bereits ausgeführt nicht beweisen.“