Mit der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, dem LG Stralsund, Beschl. v. 18.10.2022 – 22 KLs 6/22 – hat das LG die Eröffnung eines selbstständigen Einziehungsverfahrens abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft hatte die Einziehung eines Grundstücks beantragt, auf dem eine sog. Indoorplantage betrieben worden war. Der Antrag hatte keinen Erfolg:
„Gemäß §§ 435, 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des selbständigen Einziehungsverfahrens, wenn dies gesetzlich zulässig ist.
Die selbständige Einziehung ist gem. §§ 74, 74a Nr. 2, 76a Abs. 1 StGB, §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 33 BtMG zulässig, wenn eine Anknüpfungstat vorliegt, der Einziehungsgegenstand ein Tatmittel ist, die Einziehungsbeteiligte Eigentümerin zum Zeitpunkt der Entscheidung ist und den Einziehungsgegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erlangt hat. Zudem muss gem. § 76a StGB die Unmöglichkeit der Durchführung eines subjektiven Straf- oder Bußgeldverfahrens bestehen.
1. Hier hatte die Einziehungsbeteiligte zum Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung noch kein Eigentum an dem beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Stralsund auf Blatt 44 des Grundbuchs von verzeichneten Grundstück (Flurstücks-Nr. 14 der Flur 1 der Gemarkung pp) erlangt.
Die Einziehung beim Täter oder Teilnehmer gem. § 74 StGB und die Einziehung bei anderen Personen gem. § 74a StGB schließen sich denknotwendig aus, da für die jeweilige Einziehung auf die Eigentumsverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist, §§ 74 Abs. 3, § 74a S. 1 StGB.
Insoweit ist auch nicht auf schuldrechtliche Übertragungsansprüche oder allein auf den Besitz oder auf die Erlangung eines Anspruchs auf Übertragung des Eigentums abzustellen, sondern auf die formale Eigentumsposition oder eine quasidingliche Rechtsposition (MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl. 2020, StGB § 74a Rn. 12; Schönke/Schröder, StGB § 74a Rn. 6–8, beckonline; Lohse in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 74a Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen).
Es kommt zudem auf den Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung unabhängig vom Eintreten der Rechtskraft an. Sowohl § 74 Abs. 3, als auch § 74a StGB stellen darauf ab, wem „zur Zeit der Entscheidung“ das Tatmittel gehört. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich zwischen der Einziehungsentscheidung und deren Rechtskraft unterschieden. Dies wird in § 75 StGB deutlich. Insoweit ist in § 75 Abs. 1 StGB auf die Rechtskraft der Einziehungsentscheidung und in Abs. 3 hingegen auf die Einziehungsentscheidung abzustellen.
Hier wurde die Einziehungsentscheidung am 09.07.2019 verkündet. Zu diesem Zeitpunkt war der jetzige Ehemann der Einziehungsbeteiligten, Eigentümer des vorbezeichneten Grundstückes, da dieser im Grundbuch eingetragen war. Das Eigentum an Grundstücken geht erst mit Einigung (Auflassung) und der Eintragung im Grundbuch über, §§ 925, 873 BGB. Zwar hatte die Einziehungsbeteiligte bereits durch den notariellen Grundstücksüberlassungsvertrag einen schuldrechtlichen Übertragungsanspruch. Hierauf kommt es im Rahmen der Einziehung jedoch gerade nicht an (s.o.). Auch eine quasidingliche Rechtsposition hatte die Einziehungsbeteiligte zu diesem Zeitpunkt nicht inne. Von dem Vorliegen einer solchen kann frühstens ab Eingang des entsprechenden Antrags bei Grundbuchamt ausgegangen werden. Es kann insoweit offenbleiben, ob der Eingang des Antrages auf Eintragung der Auflassungsvormerkung für die Begründung einer solchen quasidinglichen Rechtsposition ausreichend ist, da bereits dieser nach der am 09.07.2019 verkündeten Einziehungsentscheidung erst am 11.07.2019 beim Grundbuchamt einging.
2. In vorliegendem Fall ist auch nicht aufgrund der vom Gesetzgeber gewollten, möglichst lückenlosen Möglichkeit der Einziehung (vgl. Drs. 18, 9525, S. 57 ff.) auf einen anderen Zeitpunkt des Eigentumserwerbs abzustellen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob dies im Einzelfall zu erfolgen hat, wenn die gegen den Täter oder Teilnehmer gem. § 74 StGB angeordnete Einziehung ins Leere läuft, weil die im BGB enthaltenen Gutglaubenvorschriften auf den Zeitpunkt des Antragseinganges auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt und die strafrechtlichen Vorschriften auf das Eigentum zzt. der Einziehungsentscheidung abstellen.
Die gegen den jetzigen Ehemann der Einziehungsbeteiligten mit Urteil vom 09.07.2019, rechtskräftig seit 06.02.2020, angeordnete Einziehung läuft nicht ins Leere.
Mit der Einziehungsentscheidung am 09.07.2019 entstand gem. § 75 Abs. 3 StGB ein Veräußerungsverbot iSd § 136 BGB. Dies führt zu einer relativen Unwirksamkeit der Eigentumsübertragung an die Einziehungsbeteiligte. Daher kann die Einziehungsbeteiligte das Eigentum allenfalls gutgläubig erwerben, iÜ greift die relative Unwirksamkeit des Veräußerungsverbotes. Die Vorschriften des gutgläubigen Erwerbs, §§ 136, 135 Abs. 2, 892 f. BGB sind entsprechend anzuwenden, d.h. der gute Glaube muss sich auf das Nichtbestehen des Verbots beziehen (Ellenberger in: Grüneberg, 81. Auflage, § 136 Rn. 9). Nach § 892 Abs. 2 BGB ist maßgebender Zeitpunkt für diese Beurteilung der Eingang des Antrages auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt. Ein Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung ist erst am 11.07.2019 und somit nach der Verkündung der Einziehungsentscheidung beim Grundbuchamt eingegangen. Es kann dahinstehen, ob auf diesen Antrag oder erst auf den Antrag zur Eintragung der Eigentumsumschreibung vom 12.12.2019, eingegangen beim Grundbuchamt am 18.12.2019, abzustellen ist, da beide Anträge nach der verkündeten Einziehungsentscheidung beim Grundbuchamt eingegangen sind. Zu diesem Zeitpunkt entfaltete das Veräußerungsverbot bereits seine Wirkung.
Im Übrigen überschneiden sich die jeweiligen Voraussetzungen, da einerseits die fehlende Gutgläubigkeit der Einziehungsbeteiligten gem. §§ 136, 135 Abs. 2, 892 BGB erforderlich ist und anderseits gem. § 74a Nr. 2 StGB der Erwerb in verwerflicher Weise in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, erfolgt sein muss. Mit Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zulassen, liegt immer auch eine fehlende Gutgläubigkeit iSd §§ 136, 135 Abs. 2, 892 BGB vor.
Somit kann gegen die Einziehungsbeteiligte der Zivilrechtsweg beschritten werden, um die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs zu fordern (vgl. § 61 Abs. 4 StVollstrO). Soweit kein gutgläubiger Erwerb seitens der Einziehungsbeteiligten vorliegt, ist ihre Eigentumserlangung relativ unwirksam und der Eigentumserwerb gem. § 75 Abs. 1 StGB entfaltet seine Wirkung.“