Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 07.04.2022 – 2-15 0 74/20. Er behandelt die Hebegebühr Nr. 1009 VV RVG, die – jedenfalls im Strafverfahren – ein verstecktes Dasein führt, obwohl man ggf. auch mit der Gebühr ein paar zusätzliche Euro verdienen kann.
In dem vom LG Frankfurt/Main entschiedenen Fall hatte die Klägerin nach einem Zivilrechtsstreit der Beklagten Kosten erstattet. Die Beklagte hatte u.a. auch die die Festsetzung einer Hebegebühr in Höhe von 84,06 EUR netto (70,05 EUR gem. Nr. 1009 VV RVG, 14,01 EUR Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG) für die Weiterleitung eines Betrages beantragt. Das LG hat diese Gebühren festgesetzt. Dagegen hat sich die Klägerin mit der Erinnerung gewendet, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. Das LG – Einzelrichter – hat die Erinnerung dann verworfen:
„2. Die Erinnerung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger hat die Hebegebühr und die Auslagenpauschale zu Recht festgesetzt.
a) Die Hebegebühr in Höhe von € 70,05 ist entstanden. Eine Hebegebühr entsteht nach Nr. 1009 Anm. Abs. 1 VV RVG, wenn der Anwalt vereinnahmte Gelder weiterleitet und hierzu beauftragt war. Der Beklagtenvertreter war hier aufgrund der vorliegenden Prozessvollmacht gemäß § 81 ZPO zur Empfangnahme der von der Klägerin zu erstattenden Kosten bevollmächtigt und beauftragt. Er hat die an ihn gezahlten Kosten in Höhe von € 13.021,06 an die Beklagte weitergeleitet.
Die Klägerin hat die Hebegebühr zu erstatten. Die Hebegebühr ist erstattungsfähig, wenn der Schuldner, ohne vom Gläubiger oder dessen Anwalt dazu aufgefordert zu sein, an den Rechtsanwalt des Gläubigers zahlt (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 20 m.w.N.). Dies war hier der Fall.
Der Erstattungsfähigkeit der Hebegebühr steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der Zahlung nicht um die Hauptsache, sondern um die zu erstattenden Kosten handelte. Zwar entsteht die Hebegebühr gemäß Nr. 1009 Anm. Abs. 5 VV RVG nicht, so weit eingezogene Kosten an den Auftraggeber abgeführt werden. Dies gilt aber nur, wenn der Rechtsanwalt die Kosten eingezogen, also aufgrund einer Kostenentscheidung eingefordert hat (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. 2014, Nr. 1009 VV RVG Rn. 39). Demgemäß fällt die Hebegebühr mangels Einziehung an, wenn der Rechtsanwalt nicht verbrauchte Gerichtskosten in Empfang nimmt und an den Mandanten weiterleitet (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl. 2014, Nr. 1009 VV RVG Rn. 39; Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 12; a.A. HK-RVG/Hans Klees, 8. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 16). Gleiches gilt, wenn der Gegner die zu erstattenden Kosten an den Rechtsanwalt zahlt, ohne dass dieser die Kosten zuvor zur Zahlung an sich eingefordert hätte.
Die Hebegebühr ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO festsetzbar (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG VV 1009 Rn. 20).
b) Die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von € 14,01 ist ebenfalls entstanden und erstattungsfähig. Die Zahlung an den Rechtsanwalt stellt immer eine selbständige Angelegenheit dar und zwar auch dann, wenn der Rechtsanwalt der Mandanten auch darüber hinaus vertritt und bereits Gebühren nach Nr. 2300 VV RVG oder Nr. 3100 VV RVG verdient hat (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG VV 7001 Rn. 26).“