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Haft II: Wiederinsvollzugsetzung nach Verurteilung, oder: Gibt es „neue“ Haftumstände/-gründe?

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Die zweite Entscheidung des Tages stammt vom OLG Dresden. Das hat im OLG Dresden, Beschl. v. 09.12.2024 – 1 Ws 248/24 -zur in Vollzugsetzung eines Haftbefehls Stellung genommen. Grund: Die erfolgte Verurteilung des Angeklagten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe.

Erlassen worden war der Haftbefehl vom AG am 03.05.2024, das ihn dann am 31.05.2024 nach Festnahme des Angeklagten am Vortag außer Vollzug gesetzt hat. Den ihm erteilten Auflagen ist der Angeklagte in der Folge weitgehend pünktlich nachgekommen. Nach Anklageerhebung am 05.06.2024 hat das LG verbunden mit der Eröffnung des Hauptverfahrens den Haftbefehl aufrechterhalten und außer Vollzug belassen. Im Anschluss an die zwischen dem 02.09.2024 und dem 06.11.2024 an sechs Tagen durchgeführte Hauptverhandlung und Verkündung des Urteils am 06.11.2024 hat das LG den bestehenden Haftbefehl zunächst in Vollzug gesetzt. Seitdem befindet sich der Angeklagte ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 19.11.2024 hat das LG einen an die Verurteilung angepassten Haftbefehl erlassen und diesen dem Angeklagten verkündet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten. Er rügt die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr und die fehlenden Voraussetzungen für eine Invollzugsetzung des Haftbefehls.

Die Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG hat den Haftbefehl wieder außer Vollzug gesetzt:

„2. Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine Invollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs, 4 Nr. 3 StPO) nicht vor.

a) Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, aufgrund des Gewichts der grundrechtlich geschützten Verfahrensgarantie des § 116 Abs. 4 StPO nur unter den einschränkenden Voraussetzungen dieser Norm möglich. § 116 Abs. 4 StPO kommt auch dann zur Anwendung, wenn ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl aufgehoben wird und in der Folge ein neuer Haftbefehl erlassen und in Vollzug gesetzt wird. Insbesondere bei der Auslegung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO (Erforderlichkeit der Verhaftung wegen neu hinzugetretener Tatsachen) sind strenge Maßstäbe anzusetzen. Die neu hervorgetretenen Umstände müssen sich auf die Haftgründe beziehen. Beziehen sich solche Umstände auf die Straferwartung, rechtfertigen sie die Wiederinvollzugsetzung dann, wenn sie zu einer Straferwartung führen, die von der Prognose des Haftrichters zum Zeitpunkt der Außervollzugsetzung erheblich zum Nachteil des Beschuldigten abweicht und sie nach einer Abwägung und Beurteilung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, dass sich die Fluchtgefahr durch die Abweichung ganz wesentlich erhöht hat. Stand dem Beschuldigten aber die Möglichkeit einer für ihn nachteiligen Änderung der Prognose während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen und kam er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nach, setzt sich insoweit der vom Beschuldigten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2020, Az.: 2 BvR 1787/20).

b) Gemessen an diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Invollzugsetzung des angefochtenen Haftbefehls nicht vor. Gegenstand des Haftbefehls vorn 03. Mai 202r war der Vorwurf der Vergewaltigung in fünf Fällen, der gefährlichen Körperverletzung in vier Einzelfällen und der der Körperverletzung in 20 Fällen. Ausgehend von dem Strafrahmen des § 177 Abs. 6 StGB musste sich der Angeklagte demzufolge auf Grundlage der Beratung seines Verteidigers einer Verurteilung und der Verhängung einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe ausgesetzt sehen. Die Erwartung hat sich in dem Urteil der Strafkammer vom 6. November 2024 auch nach Verringerung der Tatvorwürfe verwirklicht. Allein der Umstand, dass der Angeklagte gleichwohl, wie von seinem Verteidiger beantragt, einen Freispruch erstrebt hat, kann vor diesem Hintergrund einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Januar 2024, Az.: 2 Ws 12/24).

c) Der Haftbefehl war daher unter Erteilung geeigneter Auflagen (§ 116 Abs. 2 StPO) außer Vollzug zu setzen.“

Nichts Neues, sondern ein bekanntes Problem, zu dem festzuhalten ist, dass die OLG an der Stelle mit der Bejahung „neuer“ Haftgründe auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG recht streng sind.