Im Kessel Buntes heute dann seit längerem mal wieder zwei Entscheidungen zu Verkehrsunfällen.
Zunächst hier das OLG Celle, Urt. v. 8. Juni 2022 – 14 U 118/21 – zum Überholen bei einer unklaren Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei einer größeren Kolonne von Fahrzeugen.
Grundlage der Entscheidung ist ein Verkehrsunfall, der sich am 25.05.2014 auf einer Bundesstraße ereignete. Der Kläger überholte mit seinem Kraftrad eine Fahrzeugkolonne von 9-10 Fahrzeugen, an deren Spitze ein Lkw fuhr. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit dem links abbiegenden Pkw des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.
Das LG ist von einer Haftungsquote von 50 % ausgegangen und hat im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte beim OLG teilweise Erfolg. Das OLG ist von einer Haftung von 75 5 zugunsten der Klägers ausgegangen.
Ich stelle hier mal nur die Leitsätze zu dem umfangreich begründeten Urteil ein, und zwar.
- Wer ordnungsgemäß zum Überholen einer Kolonne angesetzt hat, hat gegenüber ausscherenden Fahrzeugen aus der Kolonne Vorrang, auch wenn im weiteren Verlauf die Absicht, links abzubiegen, erkennbar wird.
- Das Überholen einer großen Kolonne von 9 bis 10 Fahrzeugen, ohne dass eine unklare Verkehrslage vorliegt, ist grundsätzlich erlaubt und führt nicht zu einem Mitverschulden. Gegebenenfalls kommt jedoch eine erhöhte Betriebsgefahr zum Ansatz.
- Verletzt der aus einer Kolonne Abbiegende seine Pflichten aus § 9 Abs. 1 StVO und kommt es deshalb zu einem Zusammenstoß mit einem die Kolonne ordnungsgemäß Überholenden, trifft den Abbiegenden die überwiegende Haftung (vorliegend 75 Prozent).