Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Magdeburg, Beschl. v. 09.09.2021 – 25 Qs 74/21 -, den mir der Kollege Siebers geschickt hat, hat folgenden Sachverhalt:
Das AG hat in einem Verfahren mit dem Vorwurf der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung Termin zur Hauptverhandlung auf den 29.09.2021 bestimmt, ohne dies mit den Verteidigern abgesprochen zu haben. Am 03.06.2021 beantragte der Verteidiger Terminsaufhebung wegen einer Verhinderung. Er führte aus, er habe am 29.09.2021 in einer Staatsschutzsache einen Termin vor dem OLG Stuttgart. Zudem wies er darauf hin. dass er bis weit in das Jahr 2022 hinein fast jede Woche von Dienstag bis Donnerstag vor dem OLG Stuttgart Mandantschaft vertrete, sodass er darum bitte. den neu anzuberaumenden Hauptverhandlungstermin mit seinem Sekretariat abzustimmen. Am 08.06.2021 teilte der Verteidiger des Angeklagten „noch“ in Betracht kommende Termine am 10.09.2021 und 22.10.2021 mit.
Mit Verfügung vom 16.06.2021 hat das AG dann den Hauptverhandlungstermin vom 29.09.2021 auf den 22.10.2021 verlegt. Zuvor hatte das AG nicht telefonisch Rücksprache mit dem Sekretariat des Verteidigers genommen oder mitgeteilt, dass dieser Tag für die Hauptverhandlung geplant worden sei. Vielmehr erfolgte der Versand der Umladung per Post. wobei die Verfügung erst am 209.6.2021 ausgeführt wurde. Dementsprechend ging die Umladung erst am 01.07.2021 bei dem Verteidiger ein. Noch am 01.07.2021 beantragte der Verteidiger die Aufhebung des Termins vom 22.10.2021, da er sich an diesem Tage in einer langfristig abgesprochenen Sache vor dem LG Braunschweig befinde. Zudem regte der Verteidiger an, einen neuen Termin zur Hauptverhandlung telefonisch mit seinem Sekretariat abzustimmen.
Das AG hat den Antrag auf Terminsaufhebung abgelehnt. Zur Begründung hat das AG darauf verwiesen, dass u.a. der 22.10.2021 ausdrücklich als freier Termine benannt worden sei. Zwischen der Mitteilung des Verteidigers und der Zustellung der Ladung hätten lediglich drei Wochen und zwei Tage gelegen. Zur Vermeidung einer Terminskollision sei es dem Verteidiger zudem zumutbar gewesen. sich beim AG ggfs. vor einer Terminszusage beim LG zu erkundigen, ob einer der mitgeteilten Termine bereits berücksichtigt worden sei. Der Verteidiger hat gegen die Nichtverlegung des Termins Beschwerde eingelegt. Die hatte beim LG Erfolg.
„Die zulässige Beschwerde des Verteidigers ist in der Sache auch begründet. Zu Recht hat der Verteidiger die Ablehnung der Terminsverlegung hinsichtlich des Hauptverhandlungstermins vom 22. Oktober 2021 durch das Amtsgericht Oschersleben gerügt. Zwar besagt § 305 StPO, dass Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfindung vorausgehen, nicht der Beschwerde unterliegen. Ausnahmefälle im Sinne von § 305 Satz 2 StPO liegen ersichtlich nicht vor. Mithin ist grundsätzlich die Ablehnung eines Terminsaufhebungsantrages nicht anfechtbar. Anderes gilt jedoch. wenn die Ablehnung der Aufhebung von Hauptverhandlungsterminen ermessensfehlerhaft erfolgte (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt. StPO, 64. Auflage. § 305. Rdn. 4). So liegen die Dinge hier. Das Amtsgericht Oschersleben hätte im Rahmen seiner Entscheidung über den Terminsaufhebungsantrag des Verteidigers vom 1. Juli 2021 berücksichtigen müssen. dass das Amtsgericht zwar „nur“ acht Tage gebraucht hat, um einen der beiden von dem Verteidiger vorgeschlagenen Termine auszuwählen und einen entsprechenden Hauptverhandlungstermin anzuberaumen. jedoch hätte es auch erkennen müssen. dass seit der Terminsladung und der Ausführung dieser Verfügung wiederum 13 Tage vergangen sind und demzufolge die Ladung erst am 1. Juli 2021 bei dem Verteidiger eingegangen ist. Wenn ein Verteidiger am 8. Juni 2021 freie Termine anbietet und es mehr als drei Wochen dauert, bis eine Ladung bei dem Verteidiger eingeht, muss dieser nicht mehr damit rechnen. dass einer der angebotenen Termine auch tatsächlich seitens des Gerichts berücksichtigt wird. Es hätte vielmehr dem Amtsgericht Oschersleben oblegen. bevor eine Zustellung der Ladung verfügt wurde, telefonisch dem Büro des Verteidigers mitzuteilen, dass der 22. Oktober 2021 als künftiger Hauptverhandlungstermin berücksichtigt wurde oder aber eine entsprechende Ladung per Fax zu übersenden. Es kann dem Verteidiger angesichts dieser Ungewissheit nicht zugemutet werden, über einen Zeitraum von über drei Wochen hinweg Termine — ohne Rückmeldung des Gerichts — vorzuhalten. Vor der Annahme des Termins beim Amtsgericht Oschersleben rückzufragen. ob einer der angebotenen Termine ausgewählt worden sei, übersteigt das einem Verteidiger Zumutbare, zumal es dem Gericht ein Leichtes gewesen wäre. zeitnah für eine „Blockierung“ des Termins zu sorgen. Insofern ist von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. den Termin vom 22. Oktober 2021 zu verlegen. Deshalb war die Entscheidung des Amtsgerichts Oschersleben, den Antrag auf Terminsaufhebung am 15. Juli 2021 abzulehnen, ermessensfehlerhaft. Demnach war der Beschluss des Amtsgerichts Oschersleben vom 15. Juli 2021 aufzuheben.“
M.E. eine zutreffende Entscheidung, die die „Risiken“ richtig verteilt. Denn es liegt in der Tat nicht mehr in der Sphäre des Verteidigers, wenn dieser nach Mitteilung von freien Terminen – ohne gebeten worden zu sein, sie frei zu halten – diese Termine anderweitig „vergibt“. Wollte man das verlangen, würde über kurz oder lang jedes Verteidigerbüro blockiert sein. Vielmehr wird man von einem Gericht – wie hier das LG vom AG – wenn es schon acht Tage benötigt, um einen freien Termin auszuwählen, verlangen können, dass es dann den Verteidiger informiert oder für eine schnelle Zustellung der Ladung sorgt.