Und dann ein Tag mit Entscheidungen zur Akteneinsicht und was damit zu tun hat.
Ich beginne mit dem LG Regensburg, Beschl. v. 09.09.2024 – 8 Qs 34/24. Hier hatte der Angeschuldigte beantragt ihm in den beiden Verfahren gegen ihn anhängigen Verfahren Akteneinsicht in Form der Einsichtnahme bei dem an seinem Wohnort nächstgelegenen Amtsgericht pp. zu gewähren. Mit Verfügung vom 10.04.2024 teilte das AG Regensburg in einem weiteren Verfahren mit, dass die Akten nicht übersandt werden könnten, ihm jedoch gegen Zahlung jeweils eine Kopie der Akten in den drei Verfahren überlassen werden könne
Mit Beschluss des Amtsgerichts wurden dann die drei Verfahren verbunden. Am 17.04.2024 beantragte der Angeschuldigte nochmals telefonisch die Zusendung der Akten an das Amtsgericht pp. zum Zwecke der Akteneinsicht. Er verwies dabei auf § 147 Abs. 4 StPO. Die Staatsanwaltschaft hatte keine Einwände. Am 18.04.2024 wiederholte der Angeschuldigte seinen bereits telefonisch gestellten Antrag schriftlich und beantragte zudem, das Abfotografieren der Akte zu gestatten.
Mit undatierter Verfügung wurde dem Amtsgericht pp. durch das Amtsgericht Regensburg ohne nähere Begründung mitgeteilt, dass das Abfotografieren der Akte nicht gestattet werde, im Übrigen wurde die Akteneinsicht durch Übersendung der Akte an das Amtsgericht pp. ohne weitere Beschränkungen des Umfangs der Akteneinsicht (zum Beispiel auf bestimmte Aktenbestandteile o.ä.) gewährt. Der Beschuldigte hat dann einen rechtsmittelfähigen Beschluss über die vom Amtsgericht Regensburg getroffene Entscheidung beantragt. Das Amtsgericht Regensburg hat sodann die Fertigung von Ablichtungen aus den Akten abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Abfotografieren der Akte aus Schutzgründen der beteiligten Zeugen und sonstigen Verfahrensbeteiligten zu versagen sei, da abfotografierte Aktenbestandteile leichter den Weg ins Internet und soziale Medien fänden. Das Informationsrecht des Beschwerdeführers könne auch durch Einsicht und Kopien entsprechend befriedigt werden. Die Fertigung von Kopien aus den Akten sei dem Beschwerdeführer gewährt worden.
Dagegen dann das Rechtsmittel des Angeschuldigten, das Erfolg hatte:
„2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Wenn und soweit im Rahmen einer Akteneinsicht gemäß § 147 Abs.4 StPO – wie hier – keine Einwände gegen die Fertigung von Fotokopien der Akten bestehen und die Fertigung von Kopien ausdrücklich gewährt wird, so kann es dem Beschuldigten nicht verwehrt werden, anstelle von Fotokopien (auch digitale) Lichtbilder der betreffenden Aktenbestandteile zu fertigen.
Das unmittelbare Akteneinsichtsrecht des Beschwerdeführers als Beschuldigter, der keinen Verteidiger hat, ist in § 147 Abs. 4 StPO geregelt. Für den sich selbst verteidigenden Beschuldigten ist ein eigenes, unmittelbares Akteneinsichtsrecht wichtig für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens. Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist nach der Neuregelung des § 147 Abs. 4 StPO demnach befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.
Die Möglichkeit einer Einschränkung der Akteneinsicht für den Beschuldigten nach § 147 Abs. 4 ist seit der Neuregelung allein aus den dort in S. 1 genannten Gründen möglich. Dieser ist im Vergleich zu Abs. 2 ausgeweitet worden, indem auch eine Gefährdung der Ermittlungen in anderen Verfahren für Restriktionen genügt und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritte zu beachten sind. Da kein sachlicher Grund für diese Schlechterstellung des unverteidigten Beschuldigten ersichtlich ist, ist diese Einschränkung eng auszulegen, so dass im Falle einer Gefährdung eine weitestmögliche Teileinsicht zu ermöglichen ist, (Kämpfer/Travers in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, Rn. 51 zu § 147).
Hieraus ergibt sich, dass die Beschränkung der Akteneinsicht in Form der Untersagung der Anfertigung von Fotografien im konkreten Einzelfall nicht begründet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer gerade erlaubt wurde, sich Kopien von den Akten anzufertigen (vgl. Bl. 111). Dabei wurde er auch darauf hingewiesen, dass er Aktenbestandteile, die ihm überlassen worden sind, weder ganz oder teilweise öffentlich verbreiten oder sie Dritte zu verfahrensfremden Zwecken übermitteln darf (vgl. Bl. 108).
Nach der Einschätzung des Amtsgerichts Regensburg stehen demnach überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht der Fertigung und Überlassung von Kopien entgegen. Diese Einschätzung hat die Kammer bei ihrer Entscheidung im Grundsatz zu respektieren, denn die Beschwerde richtet sich nicht gegen eine Beschränkung des Umfangs der Akteneinsicht in Bezug auf die dauerhafte Überlassung von Aktenkopien, sondern nur gegen die Entscheidung über deren technische Umsetzung.
Es besteht – auch aus Gründen des Umweltschutzes und in Zeiten der Digitalisierung – kein sachlicher Grund, ihm die Anfertigung von digitalen Fotografien zu untersagen, wenn und soweit – wie hier – gegen das Fertigen von Fotokopien nichts spricht und der Antragsteller nachvollziehbar angibt, sich die anfallenden Kopierkosten hierdurch ersparen zu wollen.
Die Gefahr, dass schutzwürdige Interessen der beteiligten Zeugen durch das Einstellen von Aktenhalten ins Internet und / oder in soziale Medien verletzt werden o.ä., besteht bei der Überlassung von Kopien gleichermaßen, könnten doch von Aktenkopien unproblematisch ebenfalls digitale Fotografien angefertigt oder die Aktenkopien schlicht gescannt werden.
Dem Schutz der Interessen Dritter wurde und wird durch den Hinweis, dass eine Veröffentlichung von Akteninhalten untersagt ist, ausreichend Genüge getan.“