Die zweite Entscheidung kommt auch vom BGH. Ergangen ist der BGH, Beschl. v. 05.12.2023 – XIII ZB 45/22 – in einer Abschiebehaftsache.
In dem Verfahren geht es um eine nigerianische Staatsangehörige, deren Abschiebung anstand. Nachdem eine Abschiebung im Juli 2021 gescheitert war, weil die Betroffene in der ihr zugewiesenen Unterkunft nicht angetroffen werden konnte, wurde sie am 03.032022 von der Polizei vorläufig festgenommen.
Auf den per Telefax übermittelten Antrag der beteiligten Behörde hat das AG dann am 03.03.2022 gegen die Betroffene Haft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit Beschluss vom 06.04.2022 hat das LG die dagegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde beim BGH verfolgt die Betroffene ihr Begehren weiter.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Das LG war von einem zulässigen Haftantrag ausgegangen. Das sieht der BGH auch so, er hat aber eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht angenommen.
Zur Zulässigkeit des Haftantrages führt der BGH aus:
„1. a) Der Haftantrag musste von der beteiligten Behörde entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht gemäß § 14b 1 FamFG als elektronisches Dokument an das Amtsgericht übermittelt werden. Seine Einreichung nach den allgemeinen Vorschriften gemäß § 14b Abs. 2 FamFG reichte aus.
aa) Gemäß § 14b 1 Satz 1 FamFG sind bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen durch einen Rechtsanwalt, einen Notar, eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse als elektronisches Dokument zu übermitteln. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Erklärung unwirksam (BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22, MDR 2023, 1133 Rn. 5). Für sämtliche anderen Anträge und Erklärungen, die keinem Schriftformerfordernis unterliegen, ist die elektronische Einreichung nach § 14b Abs. 2 FamFG nur eine Sollvorschrift. Diese Beschränkung der elektronischen Übermittlungspflicht auf schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen beruht auf dem Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607). Damit sollte den Besonderheiten des Familienverfahrensrechts Rechnung getragen werden, in dem der Schriftformzwang die Ausnahme bildet (BGH, MDR 2023, 1133 Rn. 6; Gesetzentwurf vom 13. April 2021, BT-Drucks. 19/28399 S. 39 f.).
bb) Nach diesen Maßgaben ist auch auf den Haftantrag § 14b 2 Satz 1 FamFG anzuwenden, da dafür kein gesetzliches Schriftformerfordernis besteht. Ein solches folgt weder aus § 417 FamFG, der die Anforderungen an einen zulässigen Haftantrag regelt, noch aus den allgemeinen Verfahrensvorschriften der §§ 23, 25 FamFG.
(1) Nach § 417 Abs. 1 FamFG darf das Gericht eine Freiheitsentziehung nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen. Der Haftantrag ist gemäß § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG zu begründen. Nicht vorgeschrieben ist jedoch, dass der Antrag stets schriftlich zu stellen ist. Dies ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht aus den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG aufgeführten Anforderungen an den Inhalt der Begründung des Haftantrags. Ein generelles Schriftformerfordernis kann hieraus schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil sich der Begründungsumfang jeweils nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann daher ein Haftantrag nicht nur schriftlich, sondern auch im Anhörungstermin zu Protokoll erklärt oder ergänzt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2010 – V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359 Rn. 17; vom 21. Oktober 2010 – V ZB 96/10, juris Rn. 13). Dem steht nicht entgegen, dass der Haftantrag dem Betroffenen zur Wahrung rechtlichen Gehörs vor seiner Anhörung in vollständiger Abschrift ausgehändigt werden muss und dies auch für etwaige protokollierte Nachträge gilt (BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2012 – V ZB 274/11, InfAuslR 2013, 77 Rn. 6 f.; vom 10. November 2020 – XIII ZB 69/19, juris Rn. 14 ff.; vom 11. Juli 2023 – XIII ZA 3/23, juris Rn. 13). Soweit sich daraus das Erfordernis einer Schriftlichkeit ergibt, entstammt dies nicht einem gesetzlichen Wirksamkeitserfordernis gemäß § 14b Abs. 1 FamFG, sondern leitet sich aus den nach Art. 103 Abs. 1 GG an das Verfahren zu stellenden Anforderungen ab.
(2) Auch die allgemeinen Verfahrensvorschriften der §§ 23, 25 FamFG enthalten kein gesetzliches Schriftformerfordernis im Sinn des § 14b Abs. 1 FamFG. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 FamFG soll ein verfahrenseinleitender Antrag begründet und von dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten unterschrieben werden. Nach § 25 Abs. 1 FamFG können die Beteiligten Anträge und Erklärungen gegenüber dem zuständigen Gericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgeben, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. Werden verfahrenseinleitende Anträge nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle, sondern schriftlich abgegeben, hängt deren Wirksamkeit – anders als nach § 64 Abs. 2 Satz 3 und 4 FamFG bei bestimmenden Schriftsätzen im Beschwerdeverfahren – daher nicht von der Beachtung zwingender Formvorschriften ab, zu denen § 14b Abs. 1 FamFG für eine Behörde hinzutreten könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2023 – XII ZB 428/22, MDR 2023, 1133 Rn. 18). Auch die Gesetzesmaterialien gehen davon aus, dass für den Großteil von Anträgen und Erklärungen in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit kein Schriftformerfordernis besteht und diese deshalb § 14b Abs. 2 FamFG unterfallen (BT-Drucks. 19/28399 S. 40).“