Und heute dann drei StGB-Entscheidung.
Den Opener mache ich hier mit dem BGH, Urt. v. 25.01.2024 – 3 StR 157/23 -, das sich mal wieder zum Vorliegen eine gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bei einem wuchtigen Faustschlag auf den Kopf äußert.
Es geht darum, dass der Angeklagte dem Nebenkläger bei einem Streit einen derart wuchtigen Fausthieb in die rechte obere Gesichtshälfte versetzt hat, dass dieser sofort und auf der Stelle bewusstlos zusammenbrach. Durch den Faustschlag erlitt der Nebenkläger mehrfache Knochenbrüche im Gesicht. Wegen der Befürchtung einer Hirnblutung wurde er intensivmedizinisch versorgt. Zudem musste er wiederholt operiert werden. Er trug Dauerschäden am rechten Auge davon, aufgrund derer er nicht mehr in der Lage ist, Abstände zutreffend einzuschätzen. Deshalb darf er in seinem – bislang ausgeübten – Beruf als Straßenbauer keine Maschinen mehr bedienen. Zudem leidet er unter Taubheitsgefühlen in der rechten Gesichtshälfte.
Das LG hat diese Tat (nur) als (vorsätzliche) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewertet. Dagegen die Revisionen von Staatsanwaltschaft und Nebenkläger, die Erfolg hatte. Der BGh führt in dem umfangreich begründeten Urteil, in dem er auch noch zu anderen Fragen Stellung genommen hat, zu diesem Angriff aus:
„Jedoch hat die Strafkammer hinsichtlich des wuchtigen Fausthiebes in die rechte obere Gesichtshälfte des Nebenklägers rechtsfehlerhaft lediglich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen „einfacher“ (vorsätzlicher) Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB angenommen. Wie die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers zutreffend rügen, hat das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht tragfähig verneint.
aa) Eine gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfordert nicht, dass das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr gerät; jedoch muss die Einwirkung durch den Täter nach den Umständen generell geeignet sein, das Leben des Opfers zu gefährden. Maßgeblich ist danach die Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des Opfers im konkreten Einzelfall (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 9; vom 24. März 2020 – 4 StR 646/19, NStZ 2021, 107 Rn. 6 mwN; Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 38/13, NStZ-RR 2013, 342; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 2 StR 520/12, NStZ 2013, 345; MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 42; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 224 Rn. 12). Um die gegenüber der „einfachen“ Körperverletzung höhere Strafandrohung begründen zu können, kommt es maßgebend auf die Gefährlichkeit der Tathandlung, nicht aber auf die eingetretenen Verletzungen an.
Heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung sein, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 9; vom 7. Oktober 2021 – 6 StR 393/21, juris; Urteile vom 22. Januar 2015 – 3 StR 301/14, juris Rn. 6; vom 31. Juli 2013 – 2 StR 38/13, NStZ-RR 2013, 342; Beschlüsse vom 16. Januar 2013 – 2 StR 520/12, NStZ 2013, 345, 346; vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 Werkzeug 8; Urteil vom 6. Juni 2007 – 2 StR 105/07, juris Rn. 5; Beschluss vom 23. Juli 2004 – 2 StR 101/04, NStZ 2005, 156 Rn. 4; Urteile vom 8. März 1990 – 2 StR 615/89, BGHR StGB § 223a Abs. 1 Lebensgefährdung; vom 23. Juni 1964 – 5 StR 182/64, BGHSt 19, 352; MüKoStGB/Hardtung, 4. Aufl., § 224 Rn. 45). Dies gilt selbst für Schläge mit der bloßen Hand in das Gesicht oder gegen den Kopf, sofern Umstände in der Tatausführung oder individuelle Besonderheiten beim Opfer vorliegen, die das Gefahrenpotential der Handlung im Vergleich zu einer „einfachen” Körperverletzung deutlich erhöhen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 11; vom 16. Januar 2013 – 2 StR 520/12, NStZ 2013, 345, 346). Insbesondere gilt dies für kräftige Fausthiebe gegen den Kopf, namentlich gegen die Schläfenregion (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 38/13, NStZ-RR 2013, 342; Beschlüsse vom 20. Februar 2013 – 1 StR 585/12, BGHSt 58, 140 Rn. 18; vom 20. Juli 2010 – 5 StR 255/10, juris).
bb) Zwar hat die Strafkammer im Ausgangspunkt erkannt, dass Schläge mit der Faust gegen den Kopf im Einzelfall eine das Leben gefährdende Behandlung sein können. Zu Unrecht hat sie indes angenommen, die Beweisaufnahme habe hierfür keine Anhaltspunkte ergeben. Mit dieser Wertung hat das Landgericht das Ergebnis der Beweiserhebung nicht ausgeschöpft; in dieser Hinsicht ist die Würdigung der im Urteil dargelegten Beweisergebnisse lückenhaft. Die Urteilsgründe führen insofern lediglich an, zu einer zunächst befürchteten Hirnblutung beim Nebenkläger sei es nicht gekommen. Aus den Verletzungen lasse sich mithin ein erhöhtes Gefahrenpotential des Faustschlages nicht ableiten. Damit hat die Strafkammer den Blick zu Unrecht lediglich auf das Ausbleiben einer tatsächlich lebensbedrohlichen Hirnblutung gerichtet. Sie hat jedenfalls nicht hinreichend berücksichtigt, dass es für die rechtliche Einordnung einer Körperverletzungshandlung als eine das Leben gefährdende Behandlung nicht auf den eingetretenen Verletzungserfolg, sondern auf die grundsätzliche Geeignetheit der Tathandlung ankommt, im konkreten Fall lebensbedrohliche Verletzungen des Opfers zu bewirken. Deshalb hätte die Strafkammer in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Nebenkläger aufgrund eines einzigen Fausthiebes in das Gesicht – und zwar zumindest in Nähe der rechten Schläfe – sogleich bewusstlos wurde und auf der Stelle zu Boden fiel. Dies deutet auf einen mit außergewöhnlich großer Kraft geführten Schlag hin. Ausweislich der Feststellungen der durch einen rechtsmedizinischen Sachverständigen beratenen Strafkammer kann ein derart wuchtiger Fausthieb ohne Weiteres Hirnblutungen und damit eine akut lebensbedrohliche Verletzung bewirken, weshalb das Tatopfer wegen der konkreten Befürchtung einer solchen Tatfolge, also wegen der Besorgnis akuter Lebensgefahr, zunächst intensivmedizinisch behandelt wurde. Die Strafkammer hat zudem die außerordentlich massiven weiteren Verletzungen des Nebenklägers nicht in den Blick genommen. Dieser erlitt durch den Faustschlag Brüche des Kiefers, des Jochbeins und des Nasenbeins. Er musste operiert werden, wobei ihm mehrere Metallplatten in den Kopf eingesetzt wurden. Über Monate konnte er keine feste Nahrung zu sich nehmen. Auch wenn diese schweren Verletzungen für sich genommen nicht lebensbedrohlich waren, so hätte doch ihre Indizwirkung für die Massivität der Einwirkung und damit deren generelle Eignung zur Lebensgefährdung berücksichtigt werden müssen. Hinzu kommt, dass der Nebenkläger aufgrund des Fausthiebes und der dadurch verursachten sofortigen Bewusstlosigkeit ungeschützt – nach einer Zeugenaussage „wie ein Baumstamm“ – zu Boden fiel und auf das Straßenpflaster aufschlug. Insofern wäre zu erwägen gewesen, ob das Tatgeschehen das Risiko in sich barg, dass der Nebenkläger sturzbedingt konkret lebensbedrohliche Verletzungen hätte erleiden können.
cc) Eine Schuldspruchänderung durch den Senat dahin, dass der Angeklagte aufgrund der Tat zum Nachteil des Nebenklägers der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB schuldig ist, kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Strafkammer keine Feststellungen zum diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten und damit zum Vorsatz hinsichtlich des Qualifikationsmerkmals einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 2023 – 4 StR 300/22, NStZ-RR 2023, 177; vom 20. Dezember 2022 – 2 StR 267/22, juris Rn. 15) getroffen hat.“