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Der Zeitablauf beim StGB-Fahrverbot – wie berechne ich ihn?

© Stefan Rajewski Fotolia .com

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Im OLG Stuttgart, Beschl. v. 10.03.2016 – 4 Ss 700/15 – ging es u.a. um ein nach § 44 StGB verhängtes Fahrverbot in einem Urteil, das den Angeklagten wegen versuchter Nötigung (§ 240 StGB) und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) verurteilt hat. Das OLG hat die Revision des Angeklagten verworfen und damit auch das Fahrverbot bestandskräftig werden lassen:

„Der Verhängung eines Fahrverbots steht im vorliegenden Fall auch nicht der Zeitablauf seit der Tatbegehung entgegen. Zwar kann es grundsätzlich gerechtfertigt sein, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, wenn die Tat lange zurückliegt und der Täter sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat. Denn das Fahrverbot hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt und kann als solche seinen Sinn verloren haben, wenn die zu ahnende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Angeklagten liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Angeklagten im Straßenverkehr festgestellt worden ist. Dabei wird der Sinn des Fahrverbotes nach einer in Rechtsprechung und Literatur erkennbaren Tendenz in Frage gestellt, wenn der zu ahnende Verkehrsverstoß jedenfalls ein Jahr und neun Monate zurückliegt (so insbesondere BGH, wistra 2002, 57; vgl. auch Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 44 Rn. 15 mwN).

Diese Voraussetzung war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor dem Landgericht am 16. Juli 2015 noch nicht gegeben (Tatzeit: 8. Dezember 2013), weshalb für das Landgericht keine Veranlassung bestanden hat, in den Urteilsgründen die Frage des Absehens von der Verhängung des Fahrverbotes wegen des Zeitablaufs seit der Tat zu erörtern.

Die Zeit zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Revisionsgerichts ist bei der Prüfung der Frage, ob wegen Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen ist, jedenfalls für das strafrechtliche Fahrverbot gemäß § 44 StGB nicht zu berücksichtigen (anders OLG Hamm, StV 2004, 489, wobei dort das tatrichterliche Urteil mangels Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe einen Rechtsfehler enthielt; anders wohl auch Thüringer OLG, VRS 112, 351). Der in der Rechtsprechung zum Fahrverbot gemäß § 25 StVG teilweise vertretenen Auffassung, dass in jedem Fall auch der Zeitraum bis zur Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in die Beurteilung einzustellen sei (so OLG Zweibrücken, DAR 2011, 649; KG Berlin, VRS 113, 69; implizit auch OLG Köln, StraFo 2004, 287  und BayObLG, ZfSch 2004, 91; a.A. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 25 StVG Rn. 24; OLG Oldenburg, NStZ-RR 2011, 385; OLG Hamm, DAR 2011, 409; OLG Celle, VD 2013, 200), kann jedenfalls für die Nebenstrafe gemäß § 44 StGB nicht gefolgt werden. Denn das Revisionsgericht hat auf die Sachrüge hin lediglich zu prüfen, ob das Urteil des Tatrichters – auch was den Rechtsfolgenausspruch und insbesondere die Verhängung und Begründung eines Fahrverbotes betrifft – Rechtsfehler aufweist. Aufgrund der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten kann das Revisionsgericht auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen und daher für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil auch nur für den Zeitraum bis zur letzten tatrichterlichen Verhandlung prüfen, ob der Betroffene nach der abgeurteilten Tat noch in anderer Weise strafrechtlich bzw. straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist; ihm ist es jedoch verwehrt, hierüber eigene Feststellungen zu treffen (so zum Fahrverbot gemäß § 25 StVG auch Saarländisches Oberlandesgericht, VRS 126, 203).“

Na ja, darum kann man wegen der Besonderheiten des Revisionsverfahrens, das dem Revisionsgericht ja eine eigene Entscheidung versagt, streiten – ggf. wird die Frage dann mal der BGH entscheiden. Für das Fahrverbot nach § 25 StVG gilt aber m.E. wegen § 79 Abs. 6 OWiG etwas anderes – und es wird ja auch in der OLG-Rechtsprechung zum Teil anders gesehen.