Der Kollege Dr. Keil aus Menden hatte mich neulich in einer gebühren-/kostenrechtlichen Problematik um Rat gefragt. Die Sache hat nun durch den LG Osnabrück, Beschl. v. 20.01.2017 – 6 Ks – 720 Js 38063/16 – 10/16 – ihr positives Ende gefunden. Ich stelle ihn daher heute hier vor, da er m.E. von allgemeinem Interesse ist.
Es geht mal wieder um „Umbeiordnung“. Der Kollege hat seinen Kanzleisitz in Menden. Er ist Pflichtverteidiger des Angeklagten in einem beim LG Osnabrück anhängigen Verfahren. Der Angeklagte ist zunächst von einer – ortsansässigen – Kollegin verteidigt worden, bevor eine Umbeiordnung auf den Kollegen Dr. Keil erfolgt ist. Vor der Umbeiordnung hat der Kollege „auf die Mehrkosten verzichtet und klargestellt, dass die bei der ursprünglich beigeordneten Kollegin angefallenen Gebühren nicht nochmals von ihm geltend gemacht werden sollen und er auf diese verzichtet. Der Kollege Dr. Keil hatte dann gem. § 47 RVG einen Vorschuss geltend gemacht. In seinem Vorschussverlangen enthalten waren auch Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder für Fahrten vom Ort des Kanzleisitzes in Menden nach Osnabrück. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat unter Hinweis darauf, dass eine kostenneutrale Umbeiordnung vorgenommen worden sei und dies bedeute, dass der Landeskasse keine Mehrkosten entstehen dürften, diese abgesetzt. Um die Berechtigung dieser Absetzungen hatten wir „gemailt“ und ich hatte dem Kollege geraten, Erinnerung einzulegen. Das hat der Kollege getan. Und das Rechtsmittel hatte Erfolg:
„Mit dem Verzicht von Rechtsanwalt Dr. K. auf die Mehrkosten ist klargestellt, dass die bei der ursprünglich beigeordneten Rechtsanwältin S. angefallenen Gebühren nicht nochmals von ihm geltend gemacht werden sollen und er auf diese verzichtet. Die Tatsache, dass im Falle seiner Beiordnung Mehrkosten entstehen, weil er seinen Kanzleisitz in Menden unterhält und daher – im Vergleich zu der in Osnabrück ansässigen Rechtsanwältin S. – insbesondere höhere Reisekosten anfallen, steht der Auswechslung des Verteidigers, durch die dem Wunsch des Angeklagten Rechnung getragen werden soll, einen Verteidiger seines Vertrauens an seiner Seite zu haben, nicht entgegen. Denn der zu bestellende Verteidiger ist nach der Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO nicht mehr möglichst aus der Zahl der im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwälte auszuwählen. Die zu schützenden Fiskalinteressen können dementsprechend nicht weiter reichen als in dem Fall, dass der Angeklagte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser beigeordnet worden wäre.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in seiner Entscheidung vom 23.04.2015 zu der Möglichkeit, die Bestellung eines Rechtsanwalts/ einer Rechtsanwältin zurückzunehmen und einen anderen Rechtsanwalt/ eine andere Rechtsanwältin als Verteidiger/in zu bestellen (Geschäftsnummer 1 Ws 170/15) folgendes ausgeführt: „Nach der Gesetzesbegründung stellt die Überschreitung der Grenzen eines Gerichtsbezirks wegen der allgemein erhöhten Mobilität keinen tauglichen Anhaltspunkt mehr für zu erwartende Verfahrensverzögerungen da und es sind bei der Auswahl des Verteidigers andere Faktoren mit zu berücksichtigen, die dem Kriterium der Gerichtsnähe mindestens gleichwertig erscheinen wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger, die Möglichkeit der Verständigung in der Muttersprache oder eine besondere Qualifikation; nur daneben sind auch die durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Mehrkosten bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen (BT-Drucksache 16/12098, S. 20).“
Aus den genannten Erwägungen ergibt sich, dass der nunmehr beigeordnete Pflichtverteidiger die bei ihm tatsächlich angefallenen Kosten abrechnen kann und nicht auf die Kosten zu verweisen ist, die bei einem ortsansässigen Verteidiger/ einer ortsansässigen Verteidigerin entstanden wären.“
Sehr schöner Beschluss, der die Änderungen des Jahres 2009 im Recht der Pflichtverteidigung konsequent umsetzt (vgl. dazu auch schon OLG Brandenburg StRR 2015, 181; OLG Oldenburg StV 2010, 351; AG Lemgo RVGreport 2014, 238 = StRR 2014, 260 und – natürlich – 🙂 Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl., 2015, Rdn 2775).
M.E. kann der Verteidiger Streit in der Frage vermeiden, wenn er bei Erklärung des Verzichts von vornherein nur auf die „zusätzlich anfallenden Gebühren“ verzichtet und Formulierungen wie „Vergütung“ und/oder „Kosten“ und/oder „Auslagen“ vermeidet. Denn wird nur ein Verzicht auf die „zusätzlich anfallenden Gebühren“ erklärt, werden davon aufgrund der Legaldefinition des Begriffs der „Vergütung“, die sich aus „Gebühren und Auslagen“ zusammensetzt (s. § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG), „Auslagen“, wozu eben Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder gehören, nicht erfasst.
Den vom LG erwähnten Beschluss des OLG Oldenburg habe ich beim OLG übrigens mal „angefordert“. Mal sehen, was drin steht. Ich komme dann ggf. darauf zurück.