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Fahrtenbuchauflage nach OWi mit Firmenfahrzeug, oder: Mitwirkungspflichten/Ermittlungsaufwand

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Und die zweite Entscheidung, das VG Düsseldorf, Urt. v. 21.12.2023 – 6 K 939/23 VG, äußert sich dann noch einmal zum verkehrsverwaltungsrechtlichen Dauerbrenner, nämlich der Fahrtenbuchauflage nach § 31a StVZO.

Gestritten wird mal wieder darum, ob die Ordnungsbehörde ausreichende Ermittlungen nach dem Fahrer zum Vorfallszeitpunkt angestellt hat. Die Beklagte hatte der Klägerin, die Halterin mehrerer Fahrzeuge ist, die vornehmlich von Mitarbeitern genutzt werden, einen Zeugenfragebogen zur Aufklärung der Verkehrsordnungswidrigkeit unter Beifügung des angefertigten Radarlichtbildes geschickt. Hierauf reagierte die Klägerin nicht. Die Behörde hat dann die Klägerin an die Beantwortung des Zeugenfragebogens erinnert. Ein  von der OWi-Behörde beauftragter Ermittlungsdienst versuchte zudem vergeblich, bei einem Besuch am Firmensitz den Fahrzeugführer festzustellen. Der Außendienstmitarbeiter notierte: „Der Fahrzeughalter konnte angeblich keine Personen auf dem Foto erkennen.“ Die OWi-Behörde stellte das Ermittlungsverfahren in der Folge am 30. November 2022 ein, weil der Fahrer nicht ermittelt werden könnte.

Gegen die dann später erlassene Fahrtenbuchanordnung wird geklagt, aber ohne Erfolg:

„Die Feststellung des Fahrzeugführers im Zeitpunkt der Begehung des Verkehrsverstoßes war der zuständigen Bußgeldbehörde nicht möglich. Unmöglichkeit im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist anzunehmen, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Die Angemessenheit der Aufklärung beurteilt sich danach, ob die Behörde mit sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen ergriffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und in gleichgelagerten Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben.

……

Gemessen an diesen Grundsätzen war hier die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Die Ordnungswidrigkeitenbehörde war nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht in der Lage, den Fahrer des Fahrzeugs, mit dem der Verkehrsverstoß begangen worden war, bis zum maßgeblichen Eintritt der Verfolgungsverjährung (vgl. § 26 Abs. 3 StVG) zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ein für das negative Ermittlungsergebnis ursächliches Ermittlungsdefizit der Ordnungswidrigkeitenbehörde liegt nicht vor.

Ein Ermittlungsdefizit folgt insbesondere nicht auf dem Umstand, dass die Klägerin eine Vielzahl von Fahrzeugen hält und ihr Geschäftsführer angibt, den Fahrer zu erkennen. Bei Firmenfahrzeugen fällt es in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat. Es entspricht ? unabhängig von der Reichweite gesetzlicher Buchführungspflichten ? sachgerechtem kaufmännischen Verhalten, die mit einem Firmenwagen vorgenommenen Fahrten längerfristig zu dokumentieren. Die Geschäftsleitung kann deshalb ihrer Verpflichtung als Fahrzeughalterin, bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Verwaltungsverfahren mitzuwirken, regelmäßig nicht mit der Behauptung genügen, es sei nicht möglich, den Fahrzeugführer – zeitnah ? ausfindig zu machen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 31. März 1995 ? 25 A 2798/93 ?, NJW 1995, 3335 = juris, Rn. 17, und vom 29. April 1999 ? 8 A 699/97 ?, NJW 1999, 3279 = juris, Rn. 16, sowie Beschlüsse vom 29. Juni 2006 ? 8 B 910/06 ?, juris, Rn. 16 ff., vom 15. März 2007 ? 8 B 2746/06 ?, juris, Rn. 16, vom 13. November 2013 ? 8 A 632/13 ?, juris, Rn. 9, m.w.N.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass aufgrund der schlechten Qualität des Fotos auf dem Zeugenfragebogen keine eindeutige Zuordnung habe erfolgen können, rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Bewertung. Die Mitwirkungsobliegenheit besteht vor dem Hintergrund, dass ein Foto für die Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit nicht erforderlich ist und oftmals auch gar nicht gefertigt werden kann, grundsätzlich unabhängig davon, ob dem Halter ein Foto vorgelegt wird. Nichts anderes kann gelten, wenn zwar ein Lichtbild vorgelegt wird, dieses aber ? gleich aus welchen Gründen ? keine Identifikation ermöglicht. Erst recht ist dies vor dem Hintergrund der aufgezeigten erhöhten Mitwirkungspflicht für den Halter eines Firmenfahrzeuges anzunehmen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juni 2020 – 8 A 1423/19 -, juris, Rn. 23 sowie vom 9. Dezember 2013 ? 8 A 2166/13 ?, Seite 3 des Beschlussabdrucks, und vom 12. März 2015 – 8 B 1163/14 -, Seite 9 des Beschlussabdrucks, beide nicht veröffentlicht.

Abgesehen davon, dass die Kammer überzeugt ist, dass das der Klägerin übermittelte und dem Geschäftsführer vom Außendienst vorgelegte Foto so deutlich ausgefallen ist, dass der Fahrer von jedermann, der ihn kennt, ohne Weiteres zu identifizieren ist, kommt es auf die Qualität des Lichtbildes nicht an. Hiervon ausgehend kommt es auch nicht darauf an, ob der Klägerin die Digitalfotos bzw. der Fotosatz übersandt wurden. Hätte die Klägerin ihre Dokumentationsobliegenheit erfüllt, hätte es für eine ordnungsgemäße Mitwirkung nicht des Fotosatzes bzw. der Akteneinsicht bedurft.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 8 A 1423/19 -, juris, Rn. 20 und 22 f.

Aufgrund der fehlenden rechtzeitigen Mitwirkung der Klägerin und des daraus resultierenden Fehlens weiterer Ermittlungsansätze konnte die Ordnungswidrigkeitenbehörde von weiteren zeitaufwändigen und wenig erfolgversprechenden Ermittlungsmaßnahmen absehen.

BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982 – 7 C 3.80 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Juli 2020 – 8 B 892/20 ?, juris, Rn. 15 , vom 15. Mai 2018 – 8 A 740/18 -, juris, Rn. 35 sowie vom 23. Mai 2014 – 8 B 396/14 -, n.v.

Das gilt auch für die von der Klägerin angemahnten Befragungen von anderen Mitarbeitern oder Nachbarn.

Soweit die Klägerin vorträgt, es sei überzogen, vom Halter von Firmenfahrzeugen zu verlangen, dass dieser den Fahrer jederzeit nennen kann, überzeugt das nicht. Der Klägerin als Halterin von Fahrzeugen, die sie Dritten (z.B. Mitarbeitern) überlässt, kann sie vertraglich aufgeben, ihr den Fahrer zur Tatzeit mitzuteilen. Unterlässt sie das oder setzt sie entsprechende Vertragspflichten nicht durch, treffen sie die Halterpflichten nicht unangemessen.“

Fahrtenbuch II: Unrichtige Angaben zum Fahrer, oder: Untauglicher Rettungsversuch

entnommen wikidmedia.org
Fotograf Faßbender, Julia

Und dann hier die zweite Entscheidung zum Fahrtenbuch, und zwar das VG Lüneburg, Urt. v. 17.10.2022 – 1 A 139/21 -, das zu einer Fahrtenbuchanordnung Stellung nimmt, wenn unrichtige Angaben zum Fahrer gemacht werden.

Gegen den Kläger ist die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 6 Monaten angeordnet worden, Zugrunde lag eine mit dem Fahrzeug des Klägers innerhalb geschlossener Ortschaft begangene Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h. Daraufhin wurde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet und der Kläger wurde als ermittelter Halter mit Schreiben vom 21.10.2019 als Beschuldigter angehört; der Anhörung beigefügt war ein Frontfoto des Fahrers. Hierauf teilte der Kläger am 28.10.2019 mit, nicht er sei am Tattag gefahren, sondern ein Herr H. I., wohnhaft in der J. in K.. Daraufhin wurde das gegen den Kläger eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt und ein Verfahren gegen den vom Kläger benannten Fahrer eingeleitet. In der Folge ging bei der Bußgeldstelle nach Aktenlage unter dem 30.10.2019 die Antwort eines Herrn H. I. ein, in welcher diesen den Verstoß zugab. Die Bußgeldbehörde der Freien und Hansestadt Bremen erließ in der Folge am 4.11.2019 einen Bußgeldbescheid gegen Herrn H. I.. Nachdem dieser das festgesetzte Bußgeld trotz Mahnung nicht beglichen hatte, leitete die Bußgeldbehörde Ermittlungsmaßnahmen ein. Im Rahmen der Ermittlungen wurde festgestellt, dass Herr H. I. an der vermeintlichen Wohnanschrift nicht wohnhaft war; eine Überprüfung beim Einwohnermeldeamt ergab zudem, dass dieser nicht mehr in L. gemeldet sei. Weitere Ermittlungen, u.a. der Polizei L., ergaben, dass es sich bei dem vom Kläger benannten Fahrer um eine Tarnpersonalie unter einer Tarnanschrift gehandelt hatte. Nach Angaben der Polizei L. war die Person laut Einwohnermeldeamtsauskunft nie in L. verzeichnet, auch in anderen Systemen ist die Person nicht bekannt. Daraufhin wurde das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen Herrn H. I. eingestellt und die Akten wurden an den Beklagten zwecks Prüfung einer Fahrtenbuchanordnung abgegeben.

Die ist dann getroffen worden. Hiergegen richtet sich die Klage, die keinen Erfolg hatte. Ich weise hier nur auf die Ausführungen des VG zu den unrichtigen Fahrerangaben hin:

„Die Feststellung des Fahrzeugführers nach der Geschwindigkeitsüberschreitung vom E. war unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO.

Die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ist nicht möglich, wenn die zuständige Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen traf. Es kommt mithin darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen veranlasst, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Fahrerfeststellung unmöglich war, ist der Eintritt der Verfolgungsverjährung der Ordnungswidrigkeit. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich an dem Verhalten und den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. dazu u.a. BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 – 7 C 3.80 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 21.10.1987 – 7 B 162.87 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 – 12 ME 170/18 -, juris Rn. 17, Beschl. v. 1.2.2013 – 12 LA 122/12 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 7.6.2010 – 12 ME 44/10 -, juris Rn. 5). An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Bußgeldstelle nicht zurücksendet oder keine weiteren Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer macht. Die Bußgeldbehörde kann daher in aller Regel davon ausgehen, dass weitere Ermittlungen zeitaufwendig wären und kaum Aussicht auf Erfolg bieten würden, und mit dieser Begründung auf weitere Ermittlungsversuche verzichten. Ihr werden weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht zugemutet (Kammerurt. v. 21.8.2019 – 1 A 181/18 -, juris Rn. 17 f.; Nds. OVG, Beschl. v. 1.2.2013 – 12 LA 122/12 -, juris Rn. 7, Beschl. v. 7.6.2010 – 12 ME 44/10 -, juris Rn. 8, Beschl. v. 6.4.2010 – 12 ME 47/10 -, juris Rn. 5, jeweils m.w.N.). Weitere Ermittlungen zum Fahrzeugführer sind in diesen Fällen nur ausnahmsweise erforderlich, nämlich dann, wenn sich im Einzelfall besondere Anzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrers hindeuten. Zur Anwendung bestimmter Ermittlungsmethoden ist die Behörde allerdings keinesfalls verpflichtet (vgl. VGH BW, Beschl. v. 29.1.2008 – 10 S 129/08 -, juris Rn. 4; Nds. OVG, Beschl. v. 31.10.2006 – 12 LA 463/05 -, juris Rn. 4).

Nach Maßgabe dessen war es der Verfolgungsbehörde i.S.d. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, den Fahrzeugführer festzustellen. Sie traf alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen. Sie übersandte dem Kläger unter dem 21. Oktober 2019 einen Anhörungsbogen. Soweit der Kläger den Zugang des Anhörungsbogens bestreitet, ist dies als Schutzbehauptung zu werten, denn er selbst hat auf den Anhörungsbogen reagiert und als Fahrer einen Herrn H. I. benannt (vgl. Beiakte Bl. 17). Der Kläger hat hierdurch indes nicht hinreichend an der Feststellung des verantwortlichen Fahrers mitgewirkt, denn er hat augenscheinlich unrichtige Angaben zum Fahrer gemacht. Die Ermittlungen der Bußgeldstelle der Freien und Hansestadt B-Stadt sowie der Polizei L. haben nach Aktenlage ergeben, dass der vom Kläger benannte Fahrer nicht existiert. Bei dem vom Kläger benannten Fahrer handelt es sich nach den Ermittlungen der Behörden um eine Tarnpersonalie; auch bei der vom Kläger angegebenen Anschrift handelt es sich um eine Tarnanschrift. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner eingehenden Erörterung, dass ein Fahrzeughalter seinen Mitwirkungspflichten bei der Fahrerermittlung nach einem begangenen Verkehrsverstoß nicht genügt, wenn er falsche Angaben tätig oder gar eine Person als Fahrer angibt, die nicht existent ist (vgl. hierzu u.a. auch OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 28.7.2011 – OVG 1 N 58.11 – juris; OVG NRW, Beschl. v. 11.10.2007 – 8 B 1042/07 -, juris). Aus diesem Grund bestand kein Anlass der Behörde, weitere Ermittlungsmaßnahmen zur Fahrerfeststellung zu veranlassen.

……“

Den Rest aus der „schulmäßig“ begründeten Entscheidung bitte selbst lesen.