Und für das zweite Posting hatte ich dann noch eine „richtige“ RVG-Entscheidung, und zwar den OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.01.2023 – 2 Ws 156/22 (S).
Das OLG nimmt in der Entscheidung noch einmal zur Frage der Zulässigkeit einer analogen Anwendung der Nr. 4102 VV RVG Stellung. Die hatte die Nebenklägervertreterin geltend gemacht. Sie hatte den Anfall der Gebühr damit begründet, dass sie an der sachverständigem Begutachtung der Nebenkläger teilgenommen habe. Dafür sei die Gebühr angefallen.
Die Rechtsanwältin hatte mit dem Ansatz beim OLG – kein Glück. Das hat eine für sie positive Entscheidung des LG aufgehoben:
„Zu Unrecht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss der Rechtsanwältin für die Teilnahme an der sachverständigen Begutachtung die Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG zugesprochen.
Die Frage, ob es sich bei der Regelung in Nr. 4102 VV RVG um eine abschließende Regelung handelt, die eine entsprechende Anwendung ausschließt, wird unterschiedlich beantwortet. In der Rechtsprechung wird, zumindest teilweise, eine entsprechende Anwendung für zulässig gehalten (vgl. etwa LG Hamburg, Beschluss vom 24. November 2016, Az.: 617 Ks 22/16, m.w.N., zitiert nach juris).
Verneint wird die Möglichkeit einer analogen Anwendung vor allem in der Literatur (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG VV 4102 Rn.5; BeckOK RVG/Knaudt RVG VV 4102 Rn. 11, Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4102 VV Rn. 45) und der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. August 2011, Az.: 1 Ws 89/11; KG, Beschluss vom 18. November 2011, Az.: 1 Ws 86/11; OLG Köln, Beschluss vom 23. Juli 2014, Az.: III-2 Ws 416/14; alle zitiert nach juris).
Der Senat folgt letzterer Auffassung.
Danach scheidet eine entsprechende Anwendung der Nr. 4102 VV RVG auf weitere, dort nicht bezeichnete Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der Hauptverhandlung aus. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die abschließend auflistet, für welche Termine außerhalb der Hauptverhandlung der Rechtsanwalt eine Gebühr beanspruchen kann. Dafür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, welche in den Ziffern 1 bis 5 einzelne konkret bestimmte Tatbestände regelt und dabei keinen Auffangtatbestand vorsieht (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.; Burhoff a.a.O.). Dem entspricht auch die Vorbemerkung 4.1 Abs. 2 zum 4. Teil VV RVG, wonach durch die (in dem VV bezeichneten) Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts entgolten wird. Aus dem Regelungszusammenhang der Gebührenvorschriften in Teil 4 VV RVG folgt demnach, dass Termine außerhalb der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht zusätzlich vergütet werden (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.; KG a.a.O.), sondern regelmäßig durch die jeweilige Verfahrensgebühr mit abgegolten sind (Burhoff in Burhoff/Volpert, a.a.O.).
Die Teilnahme des Verteidigers etwa an der Exploration seines Mandanten durch einen psychiatrischen Sachverständigen kann im Rahmen der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG angemessen berücksichtigt werden, dem beigeordneten Rechtsanwalt bleibt gegebenenfalls der Weg über § 51 RVG, sofern die Gebühren für den gerichtlich bestellten Rechtsanwalt in einer Gesamtschau nicht zumutbar erscheinen (KG a.a.O.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.). Dieses Ergebnis dürfte auch der gesetzgeberischen Intention bei der Einführung der gebührenrechtlichen Regelungen in Teil 4 VV RVG entsprechen. Dabei sollten weitere Tätigkeiten des Verteidigers, die damals nicht oder nur unzureichend honoriert worden waren, in Zukunft gebührenrechtlich angemessene Berücksichtigung finden (BT-Drs. 15/1971, S. 220). Nach der Gesetzesbegründung spricht nichts dafür, dass es sich bei der Regelung in Nr. 4102 VV RVG lediglich um eine beispielhafte Aufzählung von Tätigkeiten außerhalb der Hauptverhandlung handeln sollte (vgl. dazu auch OLG Saarbrücken a.a.O.; KG a.a.O.).
Stimmt. Habe ich doch schon immer gesagt 🙂 .