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Reise I: Erhebliche Beeinträchtigung einer Kreuzfahrt, oder: Reiserücktritt wegen Covid-19-Pandemie

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Heute im Kessel-Buntes dann zwei reiserechtliche Entscheidungen.

Die erste ist schon etwas älter. Es handelt sich um das BGH, Urt. v. 30.08.2022 – X ZR 66/21, das eine reiserechtliche Frage in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie entschieden hat. Das hatte ich bislang übersehen:

Die Klägerin hatte beim AG die Rückzahlung einer Anzahlung für eine Flusskreuzfahrt. Die Beklagte macht mit ihrer Widerklage darüber hinausgehende Stornogebühren geltend.

Die damals 84 Jahre alte Klägerin buchte am 17.01.2020 bei der Beklagten eine Flusskreuzfahrt (Stationen: Passau – Wien – Esztergom – Budapest – Mohacs – Budapest – Bratislava – Melk – Passau), die vom 22. bis 29.06.2020 stattfinden und 1.599,84 EUR kosten sollte. Der Buchung lagen die Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten zugrunde. Die Klägerin leistete eine Anzahlung in Höhe von 319,97 EUR.

Am 18.03.2020 sprach das Auswärtige Amt wegen der Covid-19-Pandemie eine weltweite Reisewarnung aus, die zunächst bis zum 29.04.2020 galt, später aber bis 14.06. 2020 verlängert wurde. Mit Schreiben vom 07.06.2020 stornierte die Klägerin die Reise unter Bezugnahme auf die Covid-19-Pandemie, nachdem ihr dies von ihrer Hausärztin mit Blick auf frühere Lungenentzündungen geraten worden war. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 25.06.2020 eine Stornorechnung, die nach Abzug der Anzahlung und einer Gutschrift einen offenen Betrag von 999,89 EUR auswies. Die Flusskreuzfahrt wurde mit einem angepassten Hygienekonzept und einer von 176 auf 100 verringerten Passagierzahl durchgeführt.

Das AG hat die Beklagte zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung und zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt und die auf Begleichung der restlichen Stornogebühr gerichtete Widerklage abgewiesen. Das LG hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren aus den Vorinstanzen weiter. Sie hatte keinen Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Die Bewertung der von der Covid-19-Pandemie ausgehenden Gefahr als unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung einer Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich die Gefahr einer Erkrankung an Covid-19 im vorgesehenen Reisezeitraum (hier: Juni 2020) als ein nicht beherrschbares erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit darstellte und aufgrund der pandemischen Lage die Gefahr einer Infektion bei Durchführung der Reise bestand, die dem gewöhnlichen Reisebetrieb im Buchungszeitpunkt noch nicht innewohnte.

2. § 651h Abs. 3 BGB setzt nicht voraus, dass die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände sich nur am Bestimmungsort der Reise oder in dessen unmittelbarer Nähe und nicht auch am Wohnort des Reisenden auswirken.

3. Der Tatbestand des § 651h Abs. 3 BGB ist erfüllt, wenn schon vor Beginn der Reise unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung zum Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt ist.

4. Die Beurteilung der Frage, ob die Durchführung der Reise aufgrund von außergewöhnlichen Umständen mit erheblichen und nicht zumutbaren Risiken verbunden ist, bedarf einer Würdigung aller für den Einzelfall relevanten Umstände und ist aus Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden im Rücktrittszeitpunkt vorzunehmen.

5. Individuelle Verhältnisse oder Eigenschaften des Reisenden wie das Alter sind jedenfalls dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn sie für die Durchführbarkeit der Reise erst aufgrund der außergewöhnlichen Umstände im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB Bedeutung gewonnen haben und die daraus resultierenden Gefahren für den Reisenden (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer besonders betroffenen Risikogruppe) dem gewöhnlichen Reisebetrieb im Buchungszeitpunkt noch nicht innegewohnt haben.

In dem Zusammenhang ebenfalls von Bedeutung: BGH, Urt. v. 30.08.2022 – X ZR 84/21- und BGH, Beschl. v. 30.08.2022 – X ZR 3/22