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HV II: Die richtige Besetzung des Gerichts, oder: Wenn der Hauptschöffe krankheitsbedingt nicht erscheint

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den schon etwas älteren BGH, Beschl. v. 02.02.2021 – 5 StR 400/20.  Er behandelt mehrere verfahrensrechtliche Fragen, von denen ich zunächst die die ordnungsgemäße Besetzung des Gercihst betreffende herausgreife. Die Angeklagten hatten in dem Eintritt eines „Ergänzungsschöffen“ eine Verletzung des § 338 Nr. 1 stPO gesehen. Der BGH hat das anderes gesehen:

„1. Die von beiden Beschwerdeführern erhobene Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 1 StPO ist – unbeschadet der Frage, ob der Angeklagte C. A. diese zulässig erheben konnte, nachdem er den Eintritt des Ergänzungsschöffen in der Hauptverhandlung nicht beanstandet hatte (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 9. April 2013 – 5 StR 612/12, BGHR GVG § 192 Abs 2 Verhinderung 2; vom 10. Dezember 2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99, 100) – jedenfalls unbegründet.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Strafkammer hatte in der ursprünglichen Besetzungsmitteilung einen Ergänzungsschöffen benannt. Nachdem sie die Hauptverhandlung mit den Hauptschöffen begonnen und an zwölf Hauptverhandlungstagen über den Zeitraum von ca. vier Monaten geführt hatte, erschien am 13. Hauptverhandlungstag eine Hauptschöffin krankheitsbedingt nicht. Der Vorsitzende verlas zwei Vermerke und ein Attest, aus denen sich ergab, dass die Schöffin am Vortag angerufen und mitgeteilt hatte, dass sie wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung und ihr aus ärztlicher Sicht eine weitere Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht möglich sei; sie werde auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Das angeforderte Attest bescheinigte zunächst die Verhandlungsunfähigkeit für vier Wochen. Auf telefonische Nachfrage wurde dem Vorsitzenden ausweislich des zweiten Vermerks von einem ärztlichen Mitarbeiter der Praxis mitgeteilt, dass eine darüber hinausgehende Krankschreibung zu erwarten sei, dies aber besser durch die konkret behandelnde Ärztin eingeschätzt werden solle. Es wurde ein ergänzendes Attest zugesagt, das während einer Sitzungsunterbrechung einging und nach Fortsetzung der Hauptverhandlung verlesen wurde. Dieses stammte von der behandelnden praktischen Ärztin und attestierte der Schöffin, dass sie wegen einer psychischen Erkrankung voraussichtlich auf unabsehbare Zeit verhandlungsunfähig sei. Nachdem der Verteidiger eines freigesprochenen Mitangeklagten die Einholung eines amtsärztlichen, hilfsweise eines psychiatrischen Gutachtens beantragt und ausgeführt hatte, dass gegebenenfalls zugewartet werden müsse, ob die Schöffin innerhalb der Hemmungsfrist des § 229 Abs. 3 StPO wieder gesunden würde, stellte der Vorsitzende durch in der Hauptverhandlung verlesene und umfänglich begründete Verfügung fest, dass die Hauptschöffin verhindert sei, es weiterer Aufklärung nicht bedürfe und der Ersatzschöffe in das Verfahren eintrete. Ein Verteidiger des freigesprochenen Mitangeklagten und der Verteidiger des Angeklagten M. A. widersprachen der Verfügung des Vorsitzenden und der Verfahrensweise. Nach Beschlüssen der Strafkammer wurde die Verhandlung in der Besetzung mit dem eingetretenen Ergänzungsschöffen fortgesetzt.

b) Die Vorgehensweise des Vorsitzenden lässt Rechtsfehler nicht erkennen, insbesondere war das Gericht durch den Eintritt des Ergänzungsschöffen nicht vorschriftswidrig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO); die Angeklagten wurden folglich auch nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Hierzu gilt:

aa) Nach § 192 Abs. 2 und 3 GVG tritt ein zu der Hauptverhandlung zugezogener Ergänzungsschöffe in das Quorum ein, wenn ein zur Entscheidung berufener Schöffe an der weiteren Mitwirkung verhindert ist. Die Feststellung, ob ein Verhinderungsfall vorliegt, obliegt dem Vorsitzenden (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 161 mwN). Der Vorsitzende hat bei der Entscheidung einen Ermessenspielraum. Dieser umfasst auch den Zeitpunkt seiner Entscheidung (BGH, Beschlüsse vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 162; vom 5. September 2018 – 2 StR 421/17, JR 2019, 167, 168). Bei der Wahl des Entscheidungszeitpunktes hat der Vorsitzende die widerstreitenden Interessen zwischen dem Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) einerseits und den auf Beschleunigung und Konzentration gerichteten sonstigen Prozessmaximen andererseits zu berücksichtigen. Insbesondere die Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime können es sachgerecht erscheinen lassen, die Verhinderung möglichst bald festzustellen, um die Hauptverhandlung ohne Zeitverzug fortzusetzen (BGH, Beschluss vom 5. September 2018, 2 StR 421/17, JR 2019, 167, 168 mwN).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen lässt die sorgfältig und unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründete Entscheidung des Vorsitzenden Willkür nicht erkennen und ist damit nicht zu beanstanden (vgl. zum Prüfungsmaßstab, BGH aaO).

(1) Die Voraussetzungen für die Feststellung einer Verhinderung der Schöffin lagen vor. Infolge ihrer Erkrankung waren unabwendbare Umstände im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GVG eingetreten, die ihrer weiteren Dienstleistung auf unabsehbare Zeit entgegenstanden. Dass der Vorsitzende das zweite von der behandelnden Ärztin stammende Attest genügen ließ und keine psychiatrische oder gar amtsärztliche Untersuchung der Schöffin in Auftrag gab, begründet kein die Entscheidung fehlerhaft oder gar willkürlich machendes Aufklärungsdefizit; vielmehr hatte sich der Vorsitzende für seine Entscheidung zuvor durch mehrere Nachfragen in der Praxis der behandelnden Ärztin eine ausreichende Tatsachengrundlage verschafft und diese im Hauptverhandlungsprotokoll dokumentiert. Die dagegen von der Revision des Angeklagten M. A. vorgebrachten Einwände verfangen nicht, insbesondere ist nicht ersichtlich, warum der Vorsitzende ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der attestierten (voraussichtlichen) Verhandlungsfähigkeit hätte haben müssen. Insoweit ist dem zweiten Attest trotz einer sprachlichen Ungenauigkeit mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Schöffin psychisch erkrankt war. Letztlich kann der Grund der Erkrankung aber auch dahinstehen, weil ein ärztliches Attest auch ohne Angabe einer Diagnose als Nachweis einer Erkrankung genügt, solange nicht konkrete Umstände – zu denen vorliegend von der Revision nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich ist – darauf hindeuten, der Schöffe wolle sich aus unerlaubten Gründen der Dienstleistung entziehen (KK-StPO/Barthe, 8. Aufl., § 54 GVG Rn. 3 mwN; Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 54 Rn. 2; MüKoStPO/Schuster, § 54 GVG Rn. 3; BeckOK GVG/Goers, 9. Ed., § 54 GVG Rn. 12; vgl. auch OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 215; aA LR/Gittermann, StPO, 26. Aufl., § 54 GVG Rn. 4).

(2) Angesichts der prognostizierten Dauerhaftigkeit der Verhinderung bestehen auch keine Bedenken gegen den Zeitpunkt der Entscheidung.

Die Entscheidung des 3. Strafsenats, der angenommen hat, die oben unter a) aufgeführten Grundsätze bedürften im Anwendungsbereich des § 229 Abs. 3 StPO einer Einschränkung dahingehend, dass für eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden regelmäßig kein Raum sei, solange die Fristen des § 229 Abs. 1 und 2 StPO gehemmt sind, weshalb der Eintritt des Ergänzungsrichters erst in Betracht komme, wenn der erkrankte Richter oder Schöffe nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen könne (BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160, 163 mit ablehnender Anmerkung Schäfer, JR 2017, 41), steht nicht entgegen. Denn die genannte Einschränkung gilt nicht stets, sondern etwa dann nicht, wenn schon von vornherein feststeht, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit dem erkrankten Richter oder Schöffen auch nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung nicht möglich sein wird, oder wenn andere vorrangige Prozessmaximen beeinträchtigt würden.

So verhält es sich hier. Der Vorsitzende, der – wie dargelegt – über eine ausreichende Tatsachengrundlage verfügte, durfte angesichts der durch ein ärztliches Attest belegten Erkrankung von nicht absehbarer Dauer prognostizieren, dass die Schöffin auch nach Ablauf der Fristenhemmung nach § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht wieder an der Hauptverhandlung würde teilnehmen können. Soweit in der Entscheidung des 3. Strafsenats ausgeführt ist, es müsse „feststehen“, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit dem erkrankten Richter oder Schöffen nicht möglich sei, ergibt sich daraus nichts anderes: Denn angesichts der erheblichen Dauer der Fristenhemmung von sechs Wochen und zehn Tagen und den damit verbundenen Unwägbarkeiten kann dadurch der zwangsläufige Prognosecharakter einer die Hemmungsfristen überdauernden und damit in die Zukunft gerichteten Feststellung der Verhinderung nicht in Frage gestellt werden.

(3) Die von dem Vorsitzenden vorgenommene Abwägung der verschiedenen Interessen, namentlich des Rechts der Angeklagten auf den gesetzlichen Richter und des „Gebot(s) der zügigen und für alle Verfahrensbeteiligten ressourcenschonenden Verhandlungsführung“ – womit die Beschleunigungs- und die Konzentrationsmaxime angesprochen waren -, stellt sich insbesondere angesichts des Umstands, dass sich die Angeklagten bereits seit zehn Monaten in Untersuchungshaft befanden und die Hauptverhandlung durch ein Zuwarten auf eine – ermessensfehlerfrei nur als theoretische Möglichkeit angesehene – Gesundung der Schöffin um mehrere Monate verzögert worden wäre, als nachvollziehbar, jedenfalls aber nicht als grob fehlerhaft und damit nicht als willkürlich dar. Dies gilt zumal, da auch der in das Quorum eintretende Schöffe vorab nach hinreichend genauen abstraktgenerellen Regelungen bestimmt worden war und damit in gleicher Weise die Verfahrensgarantie auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gewährleistete.“

StPO II: Wer war denn nun der richtige Schöffe?, oder: Der BGH sagt es der Strafkammer

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Die zweite Entscheidung zur StPO kommt dann heute auch vom BGH.

Es handelt sich um den BGH, Beschl. v. 06.01.2021 – 5 StR 519/20. Das LG hat die Angeklagte wegen „gewerbsmäßigen Betruges“ in 26 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision hatte mit einer Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO Erfolg.

„1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

Bei Eröffnung des damals noch gegen vier Angeklagte geführten Hauptverfahrens beschloss die Strafkammer am 21. Januar 2020 eine Besetzung mit drei Richtern und zwei Schöffen. Als Beginn der Hauptverhandlung wurde anschließend der 13. Februar 2020 bestimmt, zudem wurden 29 weitere Hauptverhandlungstage bis Anfang August 2020 sowie die Hinzuziehung eines Ergänzungsschöffen und eines Ergänzungsrichters angeordnet. Die für den ersten Hauptverhandlungstag zugelosten beiden Hauptschöffinnen und der von der Schöffengeschäftsstelle gemäß der gesetzlichen Reihenfolge zugewiesene Hilfsschöffe S. wurden von ihrem Einsatz benachrichtigt. Am 23. Januar 2020 wurde die Hinzuziehung eines zweiten Ergänzungsschöffen angeordnet. Zugewiesen wurde gemäß der vorgesehenen Reihenfolge die Hilfsschöffin D. . Ende Januar 2020 bat eine der Hauptschöffinnen wegen bereits gebuchten Urlaubs um Entbindung. Dem kam der Vorsitzende nach und bat um Zuweisung des nächstbereiten Hilfsschöffen. Nunmehr wurde die Hilfsschöffin P. als nächstbereite Schöffin bestimmt.

Unter dem 30. Januar 2020 teilte das Gericht den Verfahrensbeteiligten seine Besetzung mit. Danach sollten neben den Berufsrichtern die verbliebene Hauptschöffin O. und als weiterer Schöffe der zunächst zugezogene Hilfsschöffe S. tätig werden, als Ergänzungsschöffinnen hingegen die Hilfsschöffinnen D. und P. .

Nach Ladung bat die auserkorene Hilfsschöffin P. aufgrund einer kollidierenden wichtigen Prüfungsvorbereitung um Entpflichtung. Der Vor- sitzende entband sie daraufhin von ihrer Dienstpflicht und bat um Zuweisung des nächstbereiten Hilfsschöffen. Drei weitere Hilfsschöffen wurden wegen Urlaubs antragsgemäß entpflichtet, schließlich wurde der Hilfsschöffe F. als Ergänzungsschöffe bestimmt.

Zu Beginn der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende mit, dass anstelle der Schöffin P. nunmehr der Schöffe F. an der Hauptverhandlung teilnehme. Welche konkrete Funktion dieser neu benannte Schöffe einnehme, wurde nach dem durch das Protokoll bestätigten Revisionsvortrag nicht gesondert hervorgehoben. Auf Antrag der Verteidigung wurde die Hauptverhandlung bis zum nächsten vorgesehenen Hauptverhandlungstag (27. Februar 2020) unterbrochen. Am 19. Februar 2020 rügte die Angeklagte die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts „hinsichtlich des Hilfsschöffen … F. als Ergänzungsschöffe“ und begründete dies mit einer fehlerhaften Entbindung der Schöffin P. . Dieser Besetzungseinwand wurde schließlich vom Kammergericht am 9. März 2020 verworfen. Am Urteil haben neben den Berufsrichtern die ursprünglich für diesen Tag zugeloste Schöffin O. und der zuletzt zugewiesene Hilfsschöffe F. mitgewirkt. Während der gesamten Hauptverhandlung war aber auch der zuerst bestimmte Hilfsschöffe S. anwesend. Dass an dessen Stelle der Hilfsschöffe F. am Urteil mitgewirkt hat, beanstandet die Angeklagte.

2. Die Rüge fehlerhafter Gerichtsbesetzung greift durch.

a) Die Rüge ist nicht nach § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 Buchst. b StPO präkludiert.

aa) Eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach § 222b Abs. 3 StPO über die Hinzuziehung des Hilfsschöffen F. als Schöffen liegt nicht vor. Das Kammergericht hat lediglich darüber entschieden, dass dieser Schöffe zu Recht als Ergänzungsschöffe ausgewählt wurde und insoweit den gesetzlich bestimmten Richter darstellt. Nur darauf bezog sich auch die erhobene Besetzungsrüge. Die Frage, ob dieser Hilfsschöffe an die Stelle des in der ursprünglichen Besetzungsmitteilung noch zutreffend als „Schöffe“ bezeichneten S. treten soll, wird weder von der Besetzungsrüge noch von der Kammergerichtsentscheidung berührt.

bb) Insoweit sind auch die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden. Findet die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht statt, ist nach § 222a Abs. 1 Satz 1 StPO spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung die Besetzung des Gerichts unter Hervorhebung des Vorsitzenden und hinzugezogener Ergänzungsrichter und Ergänzungsschöffen mitzuteilen. Erfolgt – wie hier – vor der Hauptverhandlung eine solche Mitteilung und ändert sich anschließend die mitgeteilte Besetzung, so muss dies nach § 222a Abs. 1 Satz 3 StPO spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt werden. Bei dieser Mitteilung handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne von § 273 Abs. 1 StPO (vgl. KK-StPO/Gmel, 8. Aufl., § 222a Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 222a Rn. 4), deren Beobachtung gemäß § 274 Satz 1 StPO nur durch das Protokoll bewiesen werden kann.

Eine Mitteilung, aus der sich eindeutig (vgl. nur LR-StPO/Jäger, 27. Aufl., § 222a Rn. 12) ergibt, dass entgegen der ursprünglichen Besetzungsmitteilung F. anstelle von S. von Beginn an als Schöffe mitwirken soll, ist nach dem durch das Protokoll bewiesenen Vortrag der Revisionsführerin nicht erfolgt. Eine Präklusion scheidet bei einer derart defizitären Mitteilung aus. Soweit die richterlichen Mitglieder der erkennenden Kammer demgegenüber in einer „Revisionserklärung“ dargelegt haben, man habe durch Aufruf der Schöffen und deren Handzeichen dem Verteidiger zu Beginn der Hauptverhandlung offengelegt, welche Schöffen Ergänzungsschöffen sind und welche als Schöffen mitentscheiden, zudem habe sich die Funktion der Schöffen aus der Reihenfolge ihrer Nennung und den Sitzplätzen sowie dem Gang ins Beratungszimmer zur Zwischenberatung am ersten Hauptverhandlungstag ergeben, kann dies den Revisionsvortrag nicht entkräften. Denn aus dem Protokoll ergibt sich mit negativer Beweiskraft (vgl. § 274 Satz 1 StPO), dass es hinsichtlich der Beteiligung des Hilfsschöffen F. als Schöffe anstelle des bis dahin benannten S. (ohne Hervorhebung der Ergänzungsschöffeneigenschaft) keinen ausreichenden Hinweis nach § 222a Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO gab. Eine Protokollberichtigung ist nicht erfolgt.

Mit dem Vortrag der Revisionsführerin korrespondiert zudem ihr in der Hauptverhandlung erfolgter Besetzungseinwand, der sich ausschließlich mit der Heranziehung des Hilfsschöffen F. „als Ergänzungsschöffe“ befasste (vgl. zu dessen Statthaftigkeit BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 – 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062). Spätestens dies hätte dem Vorsitzenden Anlass geben müssen, die bislang defizitäre Mitteilung nach § 222a Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO zu prüfen und durch Bestimmung von Schöffen und Ergänzungsschöffen zu präzisieren. Die von der Strafkammer in ihrer „Revisionserklärung“ angesprochenen Verschuldensfragen sind demgegenüber ohne Belang.

b) Die Verfahrensrüge ist auch zulässig erhoben. Dem Revisionsvortrag kann der Senat sämtliche Tatsachen entnehmen, die für die Frage der Begründetheit der Rüge relevant sind (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Soweit die Revisionsführerin bezüglich nicht entscheidungserheblicher Nebenfragen unzutreffend vorgetragen haben sollte (vgl. Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft), wäre dies unbeachtlich. Nach § 352 Abs. 2 StPO ist eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 StPO vorgeschriebene nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.

c) Die Verfahrensrüge hat in der Sache Erfolg, denn das Gericht war bei seiner Entscheidung nicht richtig besetzt.

Wie bereits das Landgericht in seiner „Revisionserklärung“ zugestanden hat, ist die Hinzuziehung des zuletzt bestimmten Hilfsschöffen F. zur Beratung und Entscheidung rechtsfehlerhaft erfolgt. Denn nach § 48 Abs. 2 GVG tritt im Fall der Verhinderung eines Hauptschöffen der zunächst zugewiesene Ergänzungsschöffe auch dann an seine Stelle, wenn die Verhinderung vor Beginn der Sitzung bekannt wird. Zur Mitwirkung an der Entscheidung war – wie die Revision zutreffend rügt – der zuerst als Ergänzungsschöffe bestimmte Hilfsschöffe S. berufen. Umstände, die dem Einsatz dieses Schöffen entgegenstanden, sind nicht ersichtlich; der Ergänzungsfall ist nicht eingetreten. Durch das Vorgehen der Strafkammer wurde der Angeklagten mithin ihr gesetzlicher Richter entzogen (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG). Das Urteil muss deshalb – dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend – mit den Feststellungen aufgehoben werden.“