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StPO III: Voller Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten, oder: Kosten der Nebenklage

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Und die dritte und letzte Entscheidung des Tages, der KG, Beschl. v. 19.10.2019 – 1 Ws 36/19, kommt aus Berlin. Das KG hat über die Kosten der Nebenklage entschieden.

Das AG hatte den Angeklagten wegen Vergewaltigung der Nebenklägerin in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Auf seine Berufung, mit der er im Wesentlichen eine Herabsetzung der Strafe erreichen wollte, hat das LG gegen ihn „wegen sexueller Nötigung‘ in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das LG hat davon abgesehen, dem Angeklagten die der Nebenklägerin im Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen und dies damit begründet, dass es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Das Gericht habe dabei berücksichtigt. dass der Angeklagte zu Beginn der Berufungshauptverhandlung ein glaubhaftes Geständnis abgelegt und sich bei der Zeugin entschuldigt habe.

Dagegen die sofortige Beschwerde der Nebenklägerin, die Erfolg hatte:

„1. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass ihre notwendigen Auslagen in der Berufungsinstanz nicht dem Angeklagten auferlegt worden sind.

Auch bei einem — wie hier vom Landgericht angenommen — vollen Erfolg des Rechtsmittels sind nach dem Grundsatz des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO die einem Nebenkläger durch das Rechtsmittel des Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen, wenn er wegen einer Tat verurteilt wird, die den Nebenkläger betrifft. So liegt es hier. Nur ausnahmsweise kann von der Überbürdung der notwendigen Auslagen ganz oder teilweise abgesehen werden. nämlich dann, wenn es unbillig wäre. den Angeklagten damit zu belasten (§ 472 Abs. 1 Satz 3 StPO). Die Auffassung des Landgerichts, dass dieser Ausnahmetatbestand bereits schon dann erfüllt sei. wenn der Angeklagte zu Beginn der Hauptverhandlung ein — zumal wie hier nicht vorher angekündigtes — Geständnis ablegt und bei dem Nebenkläger um Entschuldigung bittet, ist schlechterdings nicht vertretbar. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 8. April 2010 — 1 Ws 36/10 —) greift die Regelung des § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO in aller Regel sogar in den Fällen, in denen der Angeklagte die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Denn die Befugnis des Nebenklägers, sich in der Rechtsmittelinstanz aktiv am Verfahren zu beteiligen, endet nicht damit, dass in solchen Fällen nach dem Willen des Angeklagten nur noch über die Rechtsfolgen der Tat verhandelt werden soll. Unbilligkeit im Sinne des § 472 Abs. 1 Satz 3 StPO ist nach der Senatsrechtsprechung dann zu bejahen, wenn die Mitwirkung des Nebenklägers im Berufungsrechtszug nach dem erstinstanzlichen Urteil und dem Prozessverhalten des Ange-klagten gänzlich überflüssig erscheint und nur vom Gebühreninteresse des anwaltlichen Nebenklägervertreters bestimmt worden ist (vgl. Senat ebenda). Davon kann hier keine Rede sein. Die Beschwerdeführerin hatte nicht nur genügenden Anlass, sich der öffentlichen Klage anzuschließen, sondern sich auch im Berufungsrechtszug bis zum Urteil durch eine Rechtsanwältin vertreten zu lassen. Das gilt umso mehr als der Angeklagte — entgegen der Behauptung seines Verteidigers in der Erwiderung auf die sofortige Beschwerde — die Berufung nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und infolgedessen keine Rechtskraft des erstinstanzlichen Schuldspruchs herbeigeführt worden ist. Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass der Angeklagte (auch) nach den Feststellungen des Berufungsurteils die Nebenklägerin jeweils vergewaltigt hatte im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB (in der zur Tatzeit geltenden Fassung, jetzt § 177 Abs. 6 Nr. 1 StGB) und dementsprechend nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. Fischer. StGB 66. Aufl. § 177 Rdn. 161 m zahlr. Nachw.) der Schuldspruch des Berufungsurteils — wie bereits derjenige des erstinstanzlichen Urteils — auf „Vergewaltigung“ und nicht auf „sexuelle Nötigung“ hätte lauten müssen.“