Die zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ kommt heute auch vom BGH. Im BGH, Urt. v. 07.11.2019 – III ZR 17/19 – hat der BGH über eine Vollstreckungsabwehrklage im Nachgang zu einem Verfahren wegen einer Entschädigung gem. § 198 GVG entschieden.
Dem Beklagten war durch ein Urteil des OLG Karlsruhe vom 12.01.2018 (16 EK 1/18) eine Entschädigung gegen den Kläger in Höhe von 4.800 zugesprochen worden. Der Kläger (Landeskasse?) hatte gegen den Beklagten aus dem vorangegangenen Strafprozess, aufgrund dessen der Kläger eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt (hat), eine festgesetzte Kostenerstattungsforderung in Höhe von 27.739,52 EUR. Auf eine außergerichtliche Aufforderung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zur Zahlung der Forderung aus dem Entschädigungsprozess auf sein Anderkonto hat der Kläger mit Schreiben der Landesoberkasse vom 09.04.2018 die Aufrechnung mit seinem Kostenerstattungsanspruch aus dem Strafverfahren erklärt. Die Aufrechnungserklärung wurden durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 30.04.2018 und 15.05.2018 wiederholt. Mit dem Schreiben vom 14.03.2018 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zugleich eine Abtretungserklärung des Beklagten vorgelegt. Danach hat dieser die Klagforderung zur Sicherung offener Ansprüche aus drei in Karlsruhe und Frankfurt von seinem Prozessbevollmächtigten für ihn geführten Verfahren abgetreten.
Der Kläger hat im Wege der Vollstreckungsabwehrklage ua. beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG v. 12.01.2018 für unzulässig zu erklären, da die titulierte Forderung durch Aufrechnung erloschen sei. Der Beklagte hält die Aufrechnung für unzulässig und hat seinerseits hilfsweise gegen die Kostenerstattungsforderung des Klägers mit behaupteten Amtshaftungsansprüchen aus dem strafprozessualen Kostenfestsetzungsverfahren aufgerechnet. Zudem hat er die Einrede der Verjährung gegen die Forderung des Klägers erhoben.
Das OLG hatte die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat die Aufrechnung als treuwidirg angesehen. Anders der BGH. Er hat aufgehoben und zurückverwiesen. Hier die Leitsätze:
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§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG normiert einen staatshaftungsrechtlichen, verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch sui generis, der Verfahrensbeteiligten das Recht auf eine angemessene Entschädigung für Nachteile gewährt, die infolge einer unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens eingetreten sind. Anders als bei einem Amtshaftungsanspruch wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen soll durch die Gewährung einer Entschädigung kein schuldhaftes Fehlverhalten staatlicher Stellen mit spürbaren Auswirkungen für den ersatzpflichtigen Staat sanktioniert („bestraft“) werden (Abgrenzung zu dem Senatsurteil vom 1. Oktober 2009 – III ZR 18/09, BGHZ 182, 301).
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Die Aufrechnung gegenüber einem Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens mit einer Kostenforderung des Staates aus einem früheren Strafverfahren ist – nach rechtskräftiger Entscheidung über die Entschädigungsklage – grundsätzlich zulässig. Weder stellt sie eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar noch folgt ein Aufrechnungsverbot aus § 394 Satz 1 BGB, § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 Alt. 1 BGB beziehungsweise § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG (Fortführung des Senatsurteils vom 12. November 2015 – III ZR 204/15, BGHZ 207, 365).
Den Rest der sehr umfangreichen Begründung der Entscheidung bitte selbst lesen. Augehoben hat der BGH wegen der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede. Dazu hat das Oberlandesgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – bisher keine Feststellungen getroffen. Dazu der BGH:
„Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG verjähren Ansprüche auf Zahlung von Kosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten – hier durch Rechtskraft des Strafurteils am 10. Januar 2013 – beendet ist. Danach wäre im vorliegenden Fall Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2017 und damit zu einem Zeitpunkt eingetreten, zu dem noch keine Aufrechnungslage bestanden hat, da das aus § 394 Satz 1 BGB, § 851 Abs. 1 ZPO, § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG folgende Aufrechnungsverbot erst mit Rechtskraft des Urteils vom 12. Januar 2018 über die Entschädigungsklage weggefallen ist. Nach § 215 BGB kann jedoch mit einer verjährten Gegenforderung nur aufgerechnet werden, soweit diese bei Eintritt der Aufrechnungslage noch unverjährt war. Allerdings könnte die Verjährung durch die Zahlungsaufforderung der Landesoberkasse mit Kostenrechnung vom 24. August 2016 neu begonnen haben (§ 5 Abs. 3 Satz 2 GKG). Hierzu muss die Kostenrechnung dem Beklagten zugegangen sein (vgl. OLG Koblenz, NStZ-RR 2005, 254, 255 und BeckRS 2011, 6657; BeckOK KostR/Dörndorfer, § 5 GKG Rn. 8 [Stand: 1. September 2019]; Toussaint in Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 49. Aufl., GKG, § 5 Rn. 8), was dieser bestritten hat und deshalb noch aufgeklärt werden muss…..“