Bei der zweiten Entscheidung zu Besetzungsfragen – zum ersten Posting siehe den BGH, Beschl. v. 08.02.2017 – 1 StR 493/16 und dazu Fassungslos, wenn ein Schwurgericht jahrelang keinen kammerinternen Geschäftsverteilungsplan hat, oder: Mia san mia? – handelt es sich um den BVerfG, BVerfG, Beschl. v. 16.01.2017 – 2 BvR 2011/16 und 2 BvR 2034/16. Der Beschluss ist also schon etwas älter, aber der Beschluss hat eine immer aktuelle Thematik, die auch den BGH immer wieder beschäftigt und auch auch beschäftigt hat: Nämlich die nachträgliche Änderung der Geschäftsverteilung während des laufenden Geschäftsjahres. Das ist eine Frage, die die LG immer wieder beschäftigt. So auch hier beim LG Rostock. Dort war im laufendnen Geschäftsjahr eine Hilfsstrafkammer eingerichtet worden. Der gerichtlicher Geschäftsverteilungsplan sah für bereits anhängige Verfahren und die Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer vor, ob von den (Haupt)Strafkammern bis zu einem bestimmten – in der Zukunft liegenden Stichtag – die jeweiligen Hauptverfahren eröffnet waren oder nicht. Das BVerfG hat das als mit der Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar angesehen:
„Jedoch müssen sämtliche Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes, der die gesetzlichen Bestimmungen über die Zuständigkeiten der jeweiligen Spruchkörper ergänzt, die wesentlichen Merkmale gesetzlicher Vorschriften aufweisen (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 18, 344 <349>; 95, 322 <328>). Die Regelungen eines Geschäftsverteilungsplanes müssen also im Voraus generell-abstrakt die Zuständigkeit der Spruchkörper und die Zuweisung der einzelnen Richter regeln, damit die einzelne Sache „blindlings“ aufgrund allgemeiner, vorab festgelegter Merkmale an den entscheidenden Richter gelangt und so der Verdacht einer Manipulation der rechtsprechenden Gewalt ausgeschlossen wird (vgl. BVerfGE 4, 412 <416>; 82, 286 <298>; 95, 322 <329>). ….
Soweit bereits anhängige Verfahren von einer Neuverteilung bestehender Zuständigkeiten erfasst werden, sind Regelungen mithin nur dann im Voraus generell-abstrakt, wenn die Neuverteilung durch den Geschäftsverteilungsplan selbst erfolgt. Sie sind demgegenüber nicht im Voraus generell-abstrakt, wenn sie im Einzelfall sowohl die Neuverteilung als auch die Beibehaltung bestehender Zuständigkeiten ermöglichen und dabei die konkreten Zuständigkeiten von Beschlüssen einzelner Spruchkörper abhängig machen.
2. Den angeführten Maßstäben wird der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Rostock nicht gerecht. Er enthielt – soweit er den hier in Rede stehenden Fall anbelangt – keine generell-abstrakten Regelungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, aus denen sich eine Zuständigkeit der Hilfsstrafkammer als gesetzlicher Richter hätte ergeben können. Das angegriffene Urteil des Landgerichts verletzt somit das grundrechtsgleiche Recht der Beschwerdeführer aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
a) Die Regelung in Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses des Präsidiums des Landgerichts Rostock vom 19. November 2014 genügt nicht den Anforderungen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, indem sie von der Übertragung aller seit dem 1. August 2014 bei der 8. Großen Strafkammer eingegangenen erstinstanzlichen Strafverfahren gemäß § 74c GVG (Wirtschaftsstrafsachen) auf eine andere Strafkammer diejenigen Verfahren ausnimmt, bei denen bis zu dem Stichtag am 24. November 2014 – fünf Tage nach Fassung des Präsidiumsbeschlusses – die 8. Große Strafkammer das Hauptverfahren noch eröffnen werde. Diese Stichtagslösung verhindert die generell-abstrakte Zuständigkeitsbegründung im Voraus, weil sie die Zuständigkeit des jeweiligen Spruchkörpers von einem später eintretenden Umstand abhängig macht. Es handelt sich bei Ziffer 2 Satz 2 des Beschlusses um eine Bestimmung, die eine Begründung konkreter, auf den Einzelfall bezogener Zuständigkeiten erst im Nachhinein – durch Eröffnung oder das Unterlassen der Eröffnung des Hauptverfahrens – ermöglicht. Eine solche Delegation der Entscheidung über die Geschäftsverteilung an die Spruchkörper, die gerade Adressaten der generell-abstrakten Zuständigkeit sein sollten, ist mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar.“
Das war es dann. Das landgerichtliche Urteil und auch die Revisionsentscheidung des BGH sind aufgehoben worden. Also: Zweiter Durchgang.