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Tiefgaragenparkplatz, oder: Wie muss er für zumutbares Einparken beschaffen sein?

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Das OLG Braunschweig, Urt. v. 20.06.2019 – 8 U 62/18 – habe ich beim Kollegen Gratz gefunden. Der hat auch darüber berichtet. Dafür herzlichen Dank, denn ich hatte die Entscheidung bislang übersehen, kann die Entscheidung aber ggf. ganz gut in eigener Sache 🙂 gebrauchen. Internet bildet also doch.

In dem vom OLG entschiedenen Verfahren ging es um die Mangelhaftigkeit eines Tiefgaragenplatzes. Der Kläger hatte von einem Bauträger eine Eigentumswohnung mit einem Stellplatz erworben. Die ETW war mit besonderem Komfort beworben worden ist. Der Stellplatz kostete rund 20.000,00 EUR. Der Stellplatz hatte an der engsten Stelle nur eine Breite von 2,50 m. Das war nach der Auffassung des Klägers viel zu schmal, um mühelos einparken zu können. Deshalb hat er einen Teil Kaufpreises zurückverlangt.

Und das OLG hat ihm Recht gegeben und dazu u.a. ausgeführt:

dd)  Zur vereinbarten Beschaffenheit des Werkes gehört hier aber ferner, dass ein Durchschnittsfahrer zumindest mit einem gehobenen Mittelklassefahrzeug in zumutbarer Weise den Abstellplatz nutzen kann. Das ist nicht der Fall.

(1) Aufgrund der Gesamtumstände der verkauften Wohnung (Preis, Lage, Wohngegend, Bewerbung mit besonderem Komfort) war zu erwarten, dass die Bewohner des Gebäudes mindestens Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse fahren. Das ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Der Kläger hatte hierauf bereits mit Schriftsatz vom 19.01.2017 (Bl. 79 d.A.) hingewiesen, indem er vorgetragen hat, dass der streitbefangene Stellplatz mit einem Fahrzeug der Mittel- bzw. der Oberklasse befahrbar sein müsse. Dem ist nicht entgegengetreten worden. Auch ist der Auffassung der Streithelferin zu 1. nicht zu folgen, dass eine solche Beschaffenheitsvereinbarung zu unbestimmt sei. Vielmehr bedarf es gerade der Auslegung aller vertraglichen Umstände, was der Erwerber eines Stellplatzes in dem konkreten Fall erwarten kann, ohne dass dies ausdrücklich so vereinbart worden sein muss. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob – wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertreten worden ist – in anderen Orten – wie z.B. in Hamburg – bei einer vergleichbaren Innenstadtlage die Bewohner angeblich sowieso nur Kleinfahrzeuge nutzen.

Für diese Auslegung spricht im Übrigen, dass alle anderen Einstellplätze mit Ausnahme des Platzes für die Wohnung Nr. 23 Doppelstellplätze sind, die jeweils 2,80 m breit sind (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 27.03.2017 – Bl. 122) und nur einseitig durch einen Pfeiler begrenzt werden. Nach § 4 GaStplVO bedarf es in diesen Fällen sogar nur einer Breite von 2,40 m, während der streitgegenständliche Stellplatz durch die Wand und den Pfeiler begrenzt wird.  Mit Ausnahme des anderen Einstellplatzes sind alle anderen Abstellflächen 0,40 m breiter als nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GaStplVO erforderlich. Der Kläger hat daher erwarten können, dass auch hinsichtlich seiner erworbenen Abstellfläche die gesetzlichen Mindestanforderungen in ähnlichem Umfang übertroffen werden.

Ferner war auch zu berücksichtigen, dass der Kläger in seiner Anhörung vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen hat, dass andere Wohnungseigentümer den gleichen Kaufpreis aber bei ausreichender Stellfläche gezahlt haben. Eine eingeschränkte Nutzbarkeit des Stellplatzes hat gegenüber anderen Erwerbern nicht zu einem reduzierten Kaufpreis für diese Fläche geführt.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass aufgrund des Umstandes, dass die typischen Personenkraftwagen in ihren Ausmaßen in den letzten Jahren zunehmend breiter geworden sind (vgl. Leitfaden des ADAC für benutzerfreundliche Parkhäuser aus dem Jahr 2013 –  adac.de/mmm/pdf/fi_benutzerfreundliche_parkhäuser_0114_ 238764.pdf), auch teilweise die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften geändert worden sind.

So würde für den hier streitgegenständlichen Fall nach § 125 Abs. 1 Satz 2 Nr.3 SBauVO (SonderbauVO des Landes Nordrhein-Westfalen vom 02.12.2016) von einer notwendigen Breite des Stellplatzes von 2,65 m auszugehen sein. Ferner ist sehr wohl auch auf die Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (EAR 05) abzustellen (vgl. Hensel, in BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 30.11.2018, Art. 47 BayBO, Rn. 76). Auch der Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. Landesverband Baden-Württemberg (Bl. 66 ff d.A.) nimmt auf die vorgenannten Empfehlungen Bezug und geht davon aus, dass die Einhaltung der bisherigen Normen des öffentlichen Baurechts nicht ausreichend ist, um die notwendige Mindeststellfläche für Fahrzeuge zu erhalten. Danach läge die Mindeststellplatzbreite bei 2,75 m.

(2)  Auch steht aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme fest, dass der Kläger seinen Einstellplatz nicht in zumutbarer Weise nutzen kann. Dies ergibt sich aus den vorgenommen Fahrversuchen und den Berechnungen des Sachverständigen.

(aa)  Die entsprechenden Fahrversuche und Berechnungen sind hinsichtlich der Größe des Fahrzeuges zutreffend mit einem Mittelklassefahrzeug ausgeführt worden.

Das Landgericht ist ausweislich seines Hinweises vom 07.04.2017 (Bl. 135 d.A.) davon ausgegangen, dass es sich bei dem vom Kläger derzeit genutzten Audi A 4 Avant mit den Maßen 4,699 m Länge und 1,82 m (ohne Spiegel) bzw. 2,04 m (mit Spiegel) Breite um ein Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse handelt. Hiervon ist auch der Sachverständige in seinem Gutachten ausgegangen. Nach seinem Gutachtenauftrag (Hinweis- und Beweisbeschluss vom 07.04.2017 – Bl. 135 d.A.) sollte er Parkversuche mit einem Mittelklasse-Fahrzeug durchführen. Er hat sich hierzu des Fahrzeuges des Klägers, eines Audi A 4 Avant, 2,0 TDI Baujahr 2013, bedient (Bl. 178 d.A.), das die oben genannten Abmessungen ausweist (vgl. Bedienungsanleitung – Bl. 262 d.A.). Ferner wird in der Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes der A 4 der Mittelklasse und nicht einmal der gehobenen Mitteklasse zugeordnet (vgl. S. 8 des Monatsberichts der Neuzulassungen von Personenkraftwagen im August 2013).

(bb) Aus den Fahrversuchen ergibt sich, dass der Stellplatz nicht wie allgemein üblich vorwärts angesteuert und vorwärts zum Einparken genutzt werden kann (Variante A des Sachverständigengutachtens).

Auch ein rückwärts Einparken bei einem vorwärts Zufahren in die Tiefgarage (Variante D des Gutachtens) ist nicht möglich.

Mithin kann der Kläger die Abstellfläche nur nutzen, wenn er rückwärts die Fahrgasse zu seinem Stellplatz fährt, oder aber zwischen dem Eingangsbereich und der Stellfläche unter Ausnutzung anderer Stellplätze oder aber in der Fahrgasse, die 6 m breit ist, wendet. Ein solches rückwärts Einparken ist nicht zumutbar. So kann der Erwerber erwarten, dass er nicht erst 58 m vom Eingang der Tiefgarage bis zu seinem Stellplatz rückwärtsfahren muss, was aus Sicht eines durchschnittlichen Fahrers nur mit äußerster Konzentration bewerkstelligt werden kann, zumal auch Gegenverkehr in der Fahrgasse herrschen kann. Auch kann der Kläger nicht stets damit rechnen, auf der Strecke von 58 m einen freien Parkplatz als Ausweichbucht nutzen zu können, um möglichst nah am Stellplatz zu wenden. Vielmehr können alle anderen Stellplätze belegt sein. Auch ein Wenden in der Fahrgasse kurz vor Erreichen des Stellplatzes ist als unzumutbar anzusehen. Der Sachverständige hat hierzu bei der Variante B ausgeführt, dass er beim praktischen Fahrversuch mehrere Versuche benötigt habe, um das Fahrzeug dann vorwärts einzuparken.

Abweichend von den theoretischen Berechnungen ist dabei zu beachten, dass eine weitere Einschränkung bereits dann bestehen kann, wenn sich in der dem klägerischen Stellplatz gegenüberliegenden Parkfläche ein Fahrzeug befindet, das nur geringfügig in die Fahrgasse hinausragt.

Auch ein Einparken nach der Variante C (rückwärts parken und rückwärts zufahren) ist aus den gleichen Gründen unzumutbar. Auch hier muss der Nutzer rückwärts die Fahrgasse befahren. Der Sachverständige hat bei dieser Variante auch nicht in einem Zug einparken können. Es war ein Korrekturzug erforderlich. Ferner musste er noch einen weiteren Korrekturzug (Vor- und Zurückfahren) vornehmen, um die Tür so zu öffnen, dass sie zuvor sicher einrastet, damit diese nicht an der Wand beschädigt wird. Insgesamt errechnen sich so 8 Lenkbewegungen, um einparken zu können. Auch das ist unzumutbar.

Erschwerend ist zu berücksichtigen, dass die am Ende der Fahrgasse befindliche Tür zu den dahinter befindlichen Kellerräumen während des Einparkens geöffnet werden kann und dadurch die Gefahr besteht, dass das Fahrzeug beschädigt wird. Diese Gefahr wird auch nicht durch ein Hinweisschild gebannt. Zum einen kann derjenige, der die undurchsichtige Stahltür (vgl. Lichtbild – Bl 206 d.A.) nach außen öffnet, nicht erkennen, ob sich dahinter ein Fahrzeug befindet. Zum anderen können solche Hinweise – wie allgemein bekannt ist – auch ignoriert oder übersehen werden.

Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass das gefahrlose Einparken auch ohne einen Einparkassistenten möglich sein muss (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 03.05.2011 – 7 U 182/11 – zit. aus juris, Tz. 19). Ohne eine solche Warnmeldung würde man von dem Einparkenden stets eine höchste Konzentration verlangen, um das Fahrzeug unfallfrei zu bewegen. Auch dieses kann von einem Durchschnittsfahrer nicht bei jedem Parkvorgang erwartet werden.

Angesichts dieser Umstände kann der Käufer erwarten, auf dem Stellplatz auch vorwärts einparken zu können. Dies ist aber nicht möglich.

e)  ine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ist nach §§ 638 Abs. 1 Satz 1, 636, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, weil die Beklagte mit Schreiben vom 08.07.2016 (Bl. 23) das Vorliegen eines Mangels geleugnet und anderweitige Ausgleichsmöglichkeiten abgelehnt hat. Im Übrigen dürfte eine Nacherfüllung auch unmöglich sein. Eine Nachbesserung ist dann unmöglich, wenn der Mangel nicht durch technisch und rechtlich mögliche Maßnahmen behoben werden kann oder wenn die zur Beseitigung der Mangelfolgen geeignete Maßnahme die Grundsubstanz oder die Konzeption des Werkes wesentlich verändert (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1988 – VII ZR 222/87NJW-RR 1989, 775, 776; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 6. Teil, Rn. 228). Das Versetzen der Säule neben dem Stellplatz dürfte eine wesentliche Veränderung der Statik nach sich ziehen. Auch aus diesem Grund ist eine Fristsetzung entbehrlich.

Ein Verschulden ist für die Minderung nicht erforderlich.

f) Die Minderungserklärung, § 636 Abs. 1 Satz 1 BGB, liegt vor.

g) Gegen die Berechnung der Minderung in Höhe von 2/3 des Kaufpreises für den Tiefgaragenplatz bestehen keine Bedenken…….“

Na, mal schauen, was man damit anfangen kann….. 🙂