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Dolmetscherkosten beim „Pflichti“ und: OLG liest dem Rechtspfleger die Leviten

Beim ausländischen Beschuldigten stellt sich für den beigeordneten Rechtsanwalt immer auch die Frage der Verständigung und der Übersetzung von Aktenbestandteilen, die er kennen muss, um sie mit dem Mandanten besprechen zu können.

So auch in OLG Dresden, Beschl. v. 19.04.2011 – 2 Ws 96/11. Das OLG sagt: Der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren beinhaltet nicht den Anspruch auf Übersetzung der gesamten Verfahrensakte, sondern nur der Unterlagen, deren Kenntnis zur ordnungsgemäßen Verteidigung erforderlich ist – insoweit wohl h.M.

Für die Frage der Erforderlichkeit einer Übersetzung ist aber – so das OLG – maßgeblich auf die ex-ante-Sicht im Zeitpunkt der Auftragserteilung  an einen Dolmetscher abzustellen. Der Verteidiger hatte nämlich ein Urteil übersetzen lassen, das auch die StA später hatte übersetzen lassen. Das OLG sagt: Sind zu erstatten.

Und: Das OLG liest dem Rechtspfleger, der die Erstattung abgelehnt hatte, die Leviten: Sehr vornehm ausgedrückt heißt das:

„Die Ablehnungsbegründung hält sowohl in sachlicher als auch in rechtlicher Hinsicht einer beschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand“.

Der Rechtspfleger hatte die Akten wohl nicht richtig gelesen. 🙂

 

Dolmetscher – für mündliche und schriftliche Kommunikation

Dolmetscher für den ausländischen Beschuldigten – ein unerschöpfliches Thema – trotz der Regelung in § 187 Abs. 1 GVG. Der Frage musste sich nun auch das OLG Celle, Beschl. v. 09.03.2011 – 1 Ws 102/11 annehmen. Die Leitsätze:

  1. Nach § 187 Abs. 1 GVG hat ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Beschuldigter Anspruch auf Beiordnung eines Dolmetschers oder Übersetzers durch das Gericht sowohl für die mündliche als auch die schriftliche Kommunikation mit seinem Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung.
  2. Ein Antrag hierauf kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass sich der Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers und Übersetzers für das gesamte Strafverfahren bereits aus Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK und Art. 3 Abs. 3 GG ergebe und für die Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten eine vorherige Grundentscheidung im Sinne eines Feststellungsbeschlusses nicht erforderlich sei.

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen, außer: Richtig.

Hier hatte mal ein LG keinen Igel in der Tasche, oder: Dolmetscherkosten auch für Anbahnungsgespräch mit 2. Verteidiger

Die mit der Zuziehung eines Dolmetschers für den Beschuldigte/Angeklagten zusammenhängenden kostenrechtlichen Fragen sind weitgehend durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt. Insoweit sei verwiesen auf BVerfG NJW 2004, 50; BGHSt 46, 178; vgl auch Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 2099 m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Das gilt sowohl für den Pflichtverteidiger als auch für den Wahlanwalt.
In dem Zusammenhang steht die Entscheidung des LG Dresden v. 16. 8. 2010 – 3 Qs 92/10. Dort war dem Beschuldigten war im Ermittlungsverfahren ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Er nahm Kontakt zu RA R auf, der ein „Anbahnungsgespräch“ mit ihm führte. Zu diesem zog R einen Dolmetscher bei, da der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war. Die dafür von ihm verauslagten Dolmetscherkosten hat er nun ersetzt verlangt. Das AG hat das mit der Begründung abgelehnt, dass der Beschuldigte von RA H. als Pflichtverteidiger vertreten werde. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte Erfolg. Das LG Dresden hat die Kosten erstattet. Nach Auffassung des LG steht einem der deutschen Sprache nicht hinreichend Kundigen auch dann (noch) das Recht zu, Anbahnungs- bzw. Mandatsgespräche mit einem frei gewählten bzw. zu wählenden weiteren Verteidiger zu führen, wenn er bereits einen Pflichtverteidiger hat. Die dabei entstandenen Auslagen trage grundsätzlich die Staatskasse.

Die Entscheidung behandelt also ein Randproblem, nämlich die Frage, wie es mit den Kosten für Anbahnungsgespräche mit einem zweiten oder sogar dritten (Wahl)Verteidiger bestellt ist. Insoweit wird in der Rechtsprechung der OLG, die allerdings vor der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ergangen ist (vgl. OLG Hamm StraFo 1996, 90; OLG Düsseldorf StV 1992, 362), die Kostenübernahme mit dem Argument angelehnt, wenn der Beschuldigte bereits durch einen ersten Wahlverteidiger ordnungsgemäß verteidigt wird. M.E. wird man das nicht aufrecht erhalten können, zumindest dann nicht, wenn es um die Frage der Kontaktaufnahme zu einem Wahlverteidiger geht. Die Entscheidung des LG Dresden gibt eine gute Argumentationshilfe, ist allerdings hinsichtlich der Hintergründe, die zu dem Anbahnungsgespräch geführt haben, leider „dünn“.

Irgendwie untergegangen…

ist wohl hier und auch bei mir – habe die PM des BMJ gerade in meinem Postfach entdeckt – die Nachricht zur Annahme eines Richtlinienentwurfs zum Recht auf Information in Strafverfahren durch das Kollegium der EU-Kommission. Dazu erklärt die „Bundesschnarri“ am 20.07.2010

„EU-weite Mindeststandards im Strafverfahren: Weiterer Schritt zur Stärkung der Bürgerrechte

Der heute beschlossene Richtlinienentwurf ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Stärkung der Bürgerrechte in Europa. Ich habe bereits im November letzten Jahres mit meinen europäischen Amtskollegen einen konkreten Fahrplan festgelegt, wie die Rechte von Beschuldigten im Strafverfahren verbessert werden können. Erstes Projekt war die Verständigung darauf, dass jeder Beschuldigte das Recht auf einen Dolmetscher und Übersetzer hat. Künftig soll auch sichergestellt werden, dass Beschuldigte in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen über ihre elementaren Rechte belehrt und umfassend informiert werden. In bestimmten Fällen, etwa bei Verhaftungen, wird es dafür ein EU-weites einheitliches Informationsblatt, einen „letter of rights“, geben.

Zwischen den Mitgliedstaaten der EU finden sich erhebliche Unterschiede bei den Verfahrensrechten. Das Vertrauen in andere Rechtsordnungen und in die Rechtsakte der EU kann nur gestärkt werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger Gewissheit haben, dass die Verfahrensrechte auf gemeinsamen rechtlichen Standards beruhen. Ein wirksamer Grundrechtsschutz durch Mindestgarantien ist die Voraussetzung für die weitere Integration Europas im Bereich der Bürgerrechte.

Unter dem Eindruck des 11. September 2001 sind die Instrumente der strafrechtlichen Zusammenarbeit in Europa zunehmend erweitert worden. Die grenzüberschreitende Stärkung des Rechtsstaats und der Schutz der Grundrechte haben mit der Ausweitung staatlicher Eingriffbefugnissen wenig Schritt gehalten. Bei der voranschreitenden Integration des europäischen Strafrechts dürfen die Bürgerrechte und der Schutz der Grundrechte nicht auf der Strecke bleiben. Europäische Politik muss sensibler werden für die Rechte des Einzelnen. Die Garantie rechtstaatlicher und grundrechtsorientierter Verfahrensrechte ist dabei ein wichtiger Baustein. Beschuldigte müssen im Strafverfahren möglichst frühzeitig über ihre Rechte belehrt werden. Nur dann ist eine effektive Verteidigung möglich. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der heutige Richtlinienentwurf zur Stärkung der Bürgerrechte zügig angenommen wird.“

Hilfestellung: Besuchserlaubnis für Dolmetscher. Wer kennt Rechtsprechung?

Im Forum bei LexisNexis Strafrecht hat sich vor einigen Tagen folgende Problematik gestellt (Fragesteller kommt aus Bayern):

Hallo werte Kollegen,
unserer Staatsanwaltschaft ist – wohl auf Geheiss des Ministeriums – mal wieder etwas Neues eingefallen:
Ich wollte zum Mandangespräch in die JVA eine Dolmetscherin mitnehmen, keine öffentlich bestellte, sondern jemand, der dies „nebenbei“ macht und in der Vergangenheit schon oft, auch für die Justiz beanstandungsfrei gemacht hat. Ich habe dann einen Sprechschein für diese Dame beantragt, nunmehr bei der StA, die nach der Änderung des U-Haftrechts per Übertragung des Gerichts dafür zuständig ist.
Sollte alles kein Problem sein – dachte ich. Nun wurde mir aber dieser Antrag abgelehnt, da die StA die Anweisung hat, Sprechscheine (also Besuchserlaubnisse) nur noch an öffentlich bestellte Dolmetscher zu erteilen.
Das kommt mir doch alles sehr komisch vor, soll ich künftig auf eine Besprechung mit meinem Mandanten drei Wochen oder noch mehr warten bis ein öff.best. Dolmetscher mal Zeit hat und sich eine teilweise auch recht weite Anreise einrichten kann? Von den Kosten ( allein schon den Fahrtkosten, da bei uns in der Region nicht für alle gängigen Sprachen öff.best. Dolmetscher vorhanden sind) mal gar nicht zu reden, die werden ja ohnehin dem armen Mandanten bzw der Staatskasse aufgebrummt…Jedenfalls sehe ich darin doch eine erhebliche Einschränkung der Rechte der Verteidigung ?

Der Kollege sucht Rechtsprechung. Zu der Problematik scheint es aber nichts zu geben, jedenfalls haben wir nichts gefunden. Kann hier jemand helfen?