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Ich war in der letzten Zeit wiederholt von Kollegen darauf angesprochen worden, dass man es in Hessen als Verteidiger erst gar nicht mehr zu versuchen brauche, an Messdaten, insbesondere an Rohmessdaten, zu kommen. Ich war dann immer ein wenig irritiert, weil es ja den AG Kassel, Beschl. v. 27.02.2015 – 381 OWi – 9673 Js 32833/14, zfs 2015, 354, gibt, der das m.E. anders sieht/regelt/löst.
Nun bin ich aber erneut irritiert, und zwar in anderer Richtung. Ein Kollege hat mir nämlich ein Schreiben des Regierungspräsidiums Kassel übersandt, dass er auf seine Anforderung von Messdaten von dort erhalten hat. Darin heißt es:
„Sehr geehrter Herr
die mit Schreiben vom 05.10.2015 angeforderten Daten können nicht übersandt werden. Die Weitergabe von ganzen Messdatensätzen (Messreihen) aus Geschwindigkeits- oder Abstandsmesssystemen -ohne konkreten Auftrag eines Gerichtes- ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht statthaft.
Sogenannte Messrohdaten gibt es bei einer Messung mit dem hier verwendeten Messgerät ESO ES 3.0 nicht.
Anlässlich einer Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessischen Amtsgerichte am 23.04.2015 wurde auch die Übersendung von Beweismitteln an Rechtsanwälte erörtert. Als grundsätzliche Verfahrensweise wurde u. a. festgelegt, dass dem Rechtsanwalt das Beweisfoto mit dem Schlüsselsymbol zu übersenden ist. Das Foto mit dem Schlüsselsymbol belegt nämlich zweifelsfrei die Integrität der Originaldaten. Eine Übersendung in digitaler Form ist nicht daher nicht erforderlich.
Das Foto mit dem Schlüsselsymbol habe ich heute bei der die Messung durchführenden Ordnungsbehörde angefordert und wird ihnen übersandt, wenn es mir vorliegt.
Die übersandte DVD gebe ich zu meiner Entlastung wieder zurück.“
Was soll man davon nun halten? Jedenfalls nicht viel. Denn der Inhalt des Schreibens steht m.E. im Widerspruch zu dem o.a. Beschluss des AG Kassel v. 27.02.2015.
Was mich aber viel mehr stört ist: „Anlässlich einer Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessischen Amtsgerichte am 23.04.2015 wurde auch die Übersendung von Beweismitteln an Rechtsanwälte erörtert. Als grundsätzliche Verfahrensweise wurde u. a. festgelegt….“. Das ist in meinen Augen die Aufgabe der Gewaltenteilung, wenn sich nämlich das Regierungspräsidium als Teil der Exekutive mit Vertretern der Judikative zusammensetzt und man (vorab) „festlegt“, was auf bestimmte Anforderungen eines Verteidigers zu geschehen hat. Da brauche ich dann in der Tat als Verteidiger erst gar nicht mehr anzufragen oder einen Antrag zu stellen:
Denn, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht stattgibt, ist das völlig „ungefährlich“ für einen ggf. gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung, weil man ja „mit Vertretern …… der hessischen Amtsgerichte“, schon „festgelegt“ hat, was der Verteidiger bekommt und – es gilt der Vertrauensschutz – die „Vertreter …… der hessischen Amtsgerichte“ sich sicher daran halten werden. Aber auch für die ist es „ungefährlich“, denn man hat sich ja auch schon „mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main …“ „unterhalten“/“festgelegt“. Das bedeutet für mich, dass man von dort aus signaliesiert hat, wie man mit diesen Fragen in der Rechtsbeschwerde umgehen wird. Wie gesagt „Vertrauensschutz“. Der Verteidiger kann also machen, was er will: Es ist bereits entschieden, beim AG und auch beim OLG. Diese „Hinterzimmermauschelei“ ist für mich die Aufhebung der Gewaltenteilung durch die (Verwaltungs)“Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessischen Amtsgerichte.“
Der Kollege hat gefragt, was man denn tun könne/solle: Na ja, ich denke mal, man fragt ggf. bei den (Richter)Kollegen mal nach, ob sie daran teilgenommen haben und wie sie es mit der Besprechung und ihrem Ergebnis denn so halten. Für mich lässt § 24 StPO grüßen.
Ach so: Mal sehen, ob sich die Rechtsprechung beim AG Kassel ändert.
Nein, das glaube ich so nicht, und das stand dort auch so nicht im Beitrag. Ich hatte vielmeher über eine „Dienstbesprechung meiner Behörde mit Vertretern des OLG Frankfurt am Main und der hessischen Amtsgerichte am 23.04.2015“ berichtet, in der „auch die Übersendung von Beweismitteln an Rechtsanwälte erörtert“ und eine „grundsätzliche Verfahrensweise…… festgelegt“ wurde. Das es die „Dienstbesprechung“ gegeben hat, darüber braucht man m.E. nicht zu diskutieren. Das Regierungspräsidium Kassel teilt es ja – offenbar ohne jedes „Schuldbewusstsein“ – mit. M.E. ein Vorgang, der, um nicht das bei meinem Kommentator „unbeliebte“ Wort „fassungslos“ zu gebrauchen, den leser zumindest „beeindruckt“ und mit der Frage zurücklässt, welches richterliche Selbstverständnis da zu Tage tritt.
Und das das nichts mit „anwaltlicher Paranoia“ zu tun hat, zeigt m.E. ein weiterer Kommentar, in dem es dann heißt:
Das lasse ich dann mal unkommentiert stehen. Der Leser kann/soll es für sich selbst bewerten. Jedenfalls muss man sich aber als Verteidiger in OWi-Verfahren in Hessen, in denen es (auch) um die Messdaten geht, fühlen wie beim Kampf gegen Windmühlenflügel. Und das ist schon „unfassbar.