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Pflichti I: Bestellung wegen schwieriger Rechtslage, oder: Eine „Corona-Urkundenfälschung“ ist schwierig

Bild von Alexandra_Koch auf Pixabay

Und zur Wochenmitte dann ein StPO-Tag mit Entscheidungen zur Pflichtverteidigung. Heute gibt es allerdings keine Entscheidung zur rückwirkenden Bestellung, sondern „nur“ drei Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen und eine zur Entpflichtung. Von den vorgestellten Entscheidungen ist m.E. die des LG Braunschweig derzeit besonders interessant.

In dem dem LG Brauanschweig, Beschl. v. 14.02.2022 – 8 Qs 36/22 – zugrundeliegenden Verfahren wird dem Beschuldigten vorgeworfen, sich am 07.10.2021 mittels eines gefälschten Impfausweises bei einer Apotheke einen digitalen Impfnachweis (COVID 19 Schutzimpfung) verschafft zu haben, nachdem die erste Vorlage des Impfausweises bei einer anderen Apotheke gescheitert war. Diese beiden Taten seien als mittelbare Falschbeurkundung strafbar, wobei die Tat zu 1 allein versucht worden sei.

Das AG hat einen Pflichtverteidiger beigeordnet, dagegen die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft – man fragt sich, was das soll -, die dann allerdings beim LG keinen Erfolg:

„Es liegt der Beiordnungsgrund des § 140 Abs. 2 StPO in Form der Schwierigkeit der Rechtslage vor. Der Begriff der schwierigen Rechtslage ist weit auszulegen, da entscheidend ist, ob die Rechtslage für einen Laien schwierig ist. Dies ist sie mindestens, wenn eine Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur streitig ist oder wenn sie Abgrenzungs- oder Subsumtionsprobleme bereitet, so bei ungeklärten Fragen des materiellen oder formellen Rechts; insbesondere wenn sie diskutiert werden oder abweichende Rechtsprechung existiert (MüKoStPO/Thomas/Kämpfer, 1. Aufl. 2014, § 140 Rn. 42). Bereits aufgrund der Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern vorn 23.12.2021 (Az.: 5 Qs 107/21), die sich -wie vorliegend-auf die Rechtslage vor dem 24.11.2021 bezieht, ist dies gegeben. In Abweichung zu dem hier ergangenen Strafbefehl sieht das benannte Landgericht in einem gleich gelagerten Fall eine Strafbarkeitslücke (so auch LG Osnabrück, Beschl. v. 26. 10.2021 — 3 Qs 38/21). Nach dortiger Würdigung scheide die hier angenommene Strafbarkeit gern. § 271 StGB aus, da in Ermangelung einer Prüfungsmöglichkeit des Robert-Koch-Instituts das digitale Impfzertifikat nicht mit einem öffentlichen Glauben versehen werden könne. Unabhängig davon, ob dem gefolgt wird, liegt durch diese Entscheidung eine wesentlich abweichende Rechtsauffassung vor, was durch einen Laien nicht erfasst werden kann.“