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Kommt bei überlangen/zu langen (Straf)Verfahren die Entschädigungslösung?

Wir hatten vor einiger Zeit hier über den Referentenentwurf aus dem BMJ berichtet. Nun berichtet gerade das BMJ in einer PM, dass heute im Bundeskabinett der Gesetzesentwurf beschlossen worden ist. Auf geht’s. Man darf auf den Entwurf und das Gesetzgebungsverfahren gespannt sein.

Jedes Ding hat zwei Seiten – offenbar auch die Sicht einer Sitzung…

Am Freitag (06.08.2010) hat ein Bund-Länder-Fachgespräch zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung stattgefunden. Naturgemäß wird darüber dann anschließend in PM berichtet. Es ist schon lesenswert, wie m.E. unterschiedlich das Ergebnis dieses Fachgesprächs gesehen wird.

In der PM des BMJ heißt es unter der Überschrift: „Sicherungsverwahrung: Mehrheit der Länder unterstützt die Bundesjustizministerin“ u.a.:

„…Die Länder bekräftigten die Ansicht des Bundesjustizministeriums, dass die elektronische Aufenthaltsüberwachung eine sinnvolle zusätzliche Maßnahme im Rahmen der Führungsaufsicht darstellt. Ich habe die Länder gebeten, dem Bundesjustizministerium weitere Vorschläge zu unterbreiten, wie die Möglichkeiten der Führungsaufsicht optimiert werden können.“

In der PM des JM Busemann aus Niedersachsen heißt es unter der Überschrift: „Gefährliche Straftäter dürfen nicht auf freien Fuß kommen“ Justizminister fordert abgestimmtes Konzept des Bundes zur Sicherungsverwahrung “ – ich zitiere vollständig:

„HANNOVER. Der Niedersächsische Justizminister Bernd Busemann hat sich enttäuscht über die weitgehende Ergebnislosigkeit der heutigen Besprechung der Staatssekretäre über die Sicherungsverwahrung im Bundesjustizministerium (BMJ) geäußert. „In dieser schwierigen Situation hätte ich erwartet, dass das Bundesjustizministerium einen innerhalb der Bundesregierung abgestimmten Vorschlag mit einer unstreitigen Position zur Behandlung der so genannten Altfälle und der zukünftigen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung vorlegt“, sagte Busemann. Von einer Unterstützung durch die Länder könne mangels einer entsprechenden Vorlage keine Rede sein.

Hinsichtlich der Altfälle unterstützte Busemann die Position des Bundesministeriums des Inneren, wonach die Gesetzgebungskompetenz hierfür beim Bund liege. „Das folgt zweifelsfrei aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Sicherungsverwahrung aus dem Jahr 2004. Die Bundesjustizministerin ist also eindeutig in der politischen Verantwortung“, so der Niedersächsische Justizminister.

„Ich fordere, dass für als gefährlich eingestufte Straftäter die Sicherungsverwahrung in allen Varianten, ob im Urteil, ob vorbehaltlich oder nachträglich, möglich sein muss. Wer ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung darstellt, darf nicht auf freien Fuß kommen. Vor diesem Hintergrund sind Diskussionen über die Führungsaufsicht und die so genannten elektronischen Fußfesseln nichts als Schattenboxen“, bekräftigte Busemann.“

Ich meine: Was denn nun? Oder: Wird über dieselbe Veranstaltung berichtet und/oder setzt man die Schwerpunkte nur anders? Man darf gespannt sein, was dabei als endgültige gesetzliche Regelung herauskommt.

Sicherungsverwahrung: Justizministerin sorgt für einheitliche Rechtsprechung

Gerade erst zur Sicherungsverwahrung gepostet – OLG Hamm und OLG Köln, da erreicht mich die PM des BMJ unter dem „niedlichen“ Titel: „Sicherungsverwahrung: Justizministerin sorgt für einheitliche Rechtsprechung„.

Und weiter:

An dem Urteil des EGMR kann nichts mehr geändert werden – die deutschen Gerichte müssen es beachten und umsetzen. Ich habe sehr zügig eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, die durch eine Vorlagepflicht an den Bundesgerichtshof für eine einheitliche Rechtsprechung und damit auch Rechtspraxis sorgt. Nach dem Urteil des EGMR müssen die zuständigen Gerichte in jedem Einzelfall prüfen, ob ein Straftäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden muss oder nicht. Bislang gibt es dazu einige sehr unterschiedliche Entscheidungen, die auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Gerichte beruhen – es kommt zu Entlassungen von Straftätern, es werden aber auch Anträge auf Entlassung abgelehnt. Gerade bei solchen Fragen ist eine einheitliche Linie in der Rechtsprechung besonders wichtig. Deshalb habe ich durchgesetzt, dass Fälle, in denen ein Gericht von der Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweichen will, dem Bundesgerichtshof vorgelegt werden müssen, der dann über die Frage der Sicherungsverwahrung verbindlich entscheidet. Ich freue mich, dass sich auch alle verantwortlichen Landesjustizminister für diese Neuregelung ausgesprochen haben.“

Einfacher wäre es m.E. gewesen, die Rechtsprechung des EGMR in materielles Recht umzusetzen. Dann müssten sich die OLG nicht zanken und auf den BGH und das BVerfG warten.

Irgendwie untergegangen…

ist wohl hier und auch bei mir – habe die PM des BMJ gerade in meinem Postfach entdeckt – die Nachricht zur Annahme eines Richtlinienentwurfs zum Recht auf Information in Strafverfahren durch das Kollegium der EU-Kommission. Dazu erklärt die „Bundesschnarri“ am 20.07.2010

„EU-weite Mindeststandards im Strafverfahren: Weiterer Schritt zur Stärkung der Bürgerrechte

Der heute beschlossene Richtlinienentwurf ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Stärkung der Bürgerrechte in Europa. Ich habe bereits im November letzten Jahres mit meinen europäischen Amtskollegen einen konkreten Fahrplan festgelegt, wie die Rechte von Beschuldigten im Strafverfahren verbessert werden können. Erstes Projekt war die Verständigung darauf, dass jeder Beschuldigte das Recht auf einen Dolmetscher und Übersetzer hat. Künftig soll auch sichergestellt werden, dass Beschuldigte in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen über ihre elementaren Rechte belehrt und umfassend informiert werden. In bestimmten Fällen, etwa bei Verhaftungen, wird es dafür ein EU-weites einheitliches Informationsblatt, einen „letter of rights“, geben.

Zwischen den Mitgliedstaaten der EU finden sich erhebliche Unterschiede bei den Verfahrensrechten. Das Vertrauen in andere Rechtsordnungen und in die Rechtsakte der EU kann nur gestärkt werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger Gewissheit haben, dass die Verfahrensrechte auf gemeinsamen rechtlichen Standards beruhen. Ein wirksamer Grundrechtsschutz durch Mindestgarantien ist die Voraussetzung für die weitere Integration Europas im Bereich der Bürgerrechte.

Unter dem Eindruck des 11. September 2001 sind die Instrumente der strafrechtlichen Zusammenarbeit in Europa zunehmend erweitert worden. Die grenzüberschreitende Stärkung des Rechtsstaats und der Schutz der Grundrechte haben mit der Ausweitung staatlicher Eingriffbefugnissen wenig Schritt gehalten. Bei der voranschreitenden Integration des europäischen Strafrechts dürfen die Bürgerrechte und der Schutz der Grundrechte nicht auf der Strecke bleiben. Europäische Politik muss sensibler werden für die Rechte des Einzelnen. Die Garantie rechtstaatlicher und grundrechtsorientierter Verfahrensrechte ist dabei ein wichtiger Baustein. Beschuldigte müssen im Strafverfahren möglichst frühzeitig über ihre Rechte belehrt werden. Nur dann ist eine effektive Verteidigung möglich. Ich werde mich dafür einsetzen, dass der heutige Richtlinienentwurf zur Stärkung der Bürgerrechte zügig angenommen wird.“

„Schnarri“: Neues zur Sicherungsverwahrung

Unsere „Bundes-Schnarri“ hat sich heute zur Sicherungsverwahrung erklärt und die Eckpunkte der geplanten Neuordnung vorgestellt (vgl. dazu die PM hier). Da heißt es:

Ich habe heute Eckpunkte einer Neuordnung der Sicherungsverwahrung den Rechtspolitikern der Koalition vorgestellt. Die Neuordnung der Sicherungsverwahrung ist unabhängig von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte notwendig und in der Koalition verabredet.

Kern der Neuordnung ist die Beschränkung der Sicherungsverwahrung auf schwere Fälle wie Sexual- und Gewalttäter. Sicherheit entsteht dann, wenn man sich auf die wirklich gefährlichen Täter konzentriert. Die unter Rot-Grün eingeführte nachträgliche Sicherungsverwahrung soll künftig nur in absoluten Ausnahmefällen angeordnet werden. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung hat sich als wenig praxistauglich erwiesen, unabhängig von immer wieder zutage getretenen Schutzlücken.

Die Neuordnung der Sicherungsverwahrung beruht auf einem Wechsel hin zu einer möglichst frühzeitigen und verlässlichen Entscheidung über die Gefährlichkeit des Täters. Künftig sollen die Gerichte bei der Verurteilung Sicherungsverwahrung anordnen oder sich in unklaren Fällen die endgültige Gefährlichkeitsprognose vorbehalten.

Seit 1998 ist die Sicherungsverwahrung durch zahlreiche Änderungen erweitert und verschärft worden – häufig in Form von Einzelreparaturen als hektische Reaktion auf spektakuläre Fälle. Ein Ergebnis der Gesetzgebung sind unsystematische Regelungen, die zu einer kaum zu übersehenden Rechtsprechung geführt haben. Gleichzeitig ist die Zahl der Sicherungsverwahrten erheblich gestiegen – allein zwischen 2001 und 2009 von 257 auf 500.

Sicherungsverwahrung ist die schärfste Sanktion, die das deutsche Strafrecht kennt. Sie bedeutet Freiheitsentzug zum Schutz der Allgemeinheit trotz vollständiger Verbüßung der Haftstrafe.

Die Debatte, wie das berechtigte Interesse des Schutzes vor notorisch gefährlichen Straftätern mit dem unbedingten Ausnahmecharakter der Sicherungsverwahrung in Einklang gebracht werden kann, sollte unaufgeregt und sachlich geführt werden. Wer einfache Antworten verspricht, kann diesem Anliegen nicht gerecht werden.“

Hoffentlich liest das auch Herr Busemann. Zu den Eckpunkten (ein Eckpunkte-Papier hatten wir schon mal) hier.