Heute hier im „Kessel Buntes“ dann seit längerem mal wieder zwei verwaltungsrechtliche Entscheidungen.
Die erste, der VG Saarlouis, Beschl. v. 09.01.2020 – 5 L 1710/19 – steht in Zusammenhang mit einer owi-rechtlichen Problematik, nämlich der Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs (§ 31a StVZO). Die dem Verfahren zugrunde liegende Geschwindigkeitsüberschreitung ist mit PoliScan FM1 gemessen worden. Nachdem man den Fahrer nicht hatte ermitteln können, ist gegen den Halter die Fahrtenbuchauflage ergangen. Dagegen hat der sich gewehrt und u.a. geltend gemacht, dass man „seinem Kfz“ eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht nachweisen könne. Das ermittelte Messergebnis sei nicht verwertbar, da von dem Messgerät keine Rohmessdaten gespeichert werden. Also: Bezug auf die Rechtsprechung des VerfGH Saarland, Urt. v. 05.07.2019 – Lv 7/17.
Das VG Saarlouis, also aus dem Saarland, sieht das anders und hat in seinem umfangreichen Beschluss begründet warum. Hier die Leitsätze der Entscheidung:
1. Geeichte Geschwindigkeitsmessgeräte mit Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt erbringen bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Fehlfunktion oder unsachgemäße Bedienung zumindest für die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs hinreichend verlässlich Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung (Fortführung VG des Saarlandes, Beschluss vom 23.12.2019 – 5 L 1926/19).
2. Es kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes zur Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessungen im Bußgeldverfahren (Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17) angesichts der beachtlichen Kritik der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur an dieser Entscheidung zu folgen ist.
3. Es ist davon auszugehen, dass bei dem Messgerät Vitronic PoliScan Speed FM1 das Messergebnis aufgrund gesicherter Rohmessdaten im Sinne der Rechtsprechung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs grundsätzlich überprüfbar ist (Anschluss OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.07.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 68/19).
4. Die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches stellt keine Strafe dar, sondern eine Maßnahme zur vorbeugenden Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs (Anschluss OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.12.2018 – 8 B 1018/18).
5. In Verfahren betreffend den Erlass einer Fahrtenbuchauflage verpflichtet der Amtsermittlungsgrundsatz die Behörde nicht, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung zu hinterfragen; anders als im Strafprozess genügt es im Verwaltungsverfahren, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein Verkehrsverstoß begangen worden ist.
6. Geschwindigkeitsmessergebnisse, die mit amtlich zugelassenen Geräten in standardisierten Verfahren gewonnen werden, dürfen nach Abzug der Messtoleranz von Behörden und Gerichten im Regelfall ohne Weiteres zu Grunde gelegt werden; auch wenn kein standardisiertes Messverfahren angewandt wurde, ist eine Prüfung möglicher Fehlerquellen erst dann geboten, wenn von dem Fahrzeughalter Unstimmigkeiten der Messung aufgezeigt werden oder sie sich der Behörde aufdrängen müssen.
Schon beachtlich, was man für eine Mühe verwendet, um zu begründen, warum man dem „eigenen“ VerfGH nicht folgt. Wobei ich – ohne das jetzt näher geprüft zu haben – so meine Bedenken habe, ob das richtig ist oder ob nicht für das Saarland die Bindungswirkung betreffend das Urteil vom 05.07.2019 eingreift.
Wahrscheinlich werden wir dazu dann aber etwas vom OVG Saarland hören. Die Richtung kann ich mir denken….