Die zweite Entscheidung am heutigen Montag ist der BGH, Beschl. v. 15.05.2018 – 1 StR 651/17. Der enthält Ausführungen des BGH zu mehreren Bereichen, die Ausführungen zur Vermögensabschöpfung sind inzwischen auch bereits in der NStZ-RR veröffentlicht. Ich greife hier heute die Aussagen des BGH zu § 257 StPO heraus.
Der Angeklagte hatte mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass er vom Vorsitzenden nicht zu vorangegangenen Beweiserhebung befragt worden ist. Die Rüge war – mal wieder – nicht zulässig erhoben:
„I. Die erhobenen Verfahrensrügen dringen, soweit sie überhaupt in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügender Weise ausgeführt worden sind, nicht durch. Näherer Ausführungen bedarf lediglich das Folgende:
1. Die durch Rechtsanwalt G. erhobene Rüge der Verletzung von § 257 Abs. 1 StPO lässt zwar ihre Angriffsrichtung hinreichend erkennen, ist aber im Übrigen nicht zulässig ausgeführt. Die Pflicht des Vorsitzenden zur Befragung des Angeklagten darüber, ob er sich zu der vorangegangenen Beweiserhebung erklären möchte, ist Ausfluss des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie der gerichtlichen Fürsorgepflicht (Cierniak/Niehaus in Münchener Kommentar zur StPO, Band 2, § 257 Rn. 2). Ihm soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich zeitnah zur Beweiserhebung zu äußern, um denkbaren Verfestigungen eines Meinungsbildes des Gerichts entgegenwirken zu können (Cierniak/Niehaus aaO; siehe auch BeckOK-StPO/Eschelbach, 29. Edit., § 257 Rn. 1). Vor dem Hintergrund dieses Normzwecks bedarf es, um § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu genügen, nicht nur tatsächlichen Vortrags zu dem Unterbleiben der Befragung durch den Vorsitzenden, sondern auch dazu, welche Äußerungsmöglichkeiten mit welchen Inhalten dem Angeklagten verloren gegangen sind und aus welchen Gründen er durch den Verstoß gegen § 257 Abs. 1 StPO in seinen Verteidigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichenden rechtlichen Gehörs unzulässig beschränkt worden ist (vgl. Cierniak/Niehaus aaO § 257 Rn. 24; LR/Stuckenberg, 26. Aufl., § 257 Rn. 38; siehe auch Eschelbach aaO § 257 Rn. 23 sowie BGH, Beschluss vom 23. August 2016 – 3 StR 166/16, Rn. 4 bzgl. des Beruhenszusammenhangs). An derartigem Vortrag mangelt es. Auf der Grundlage des Revisionsvortrags wäre im Übrigen angesichts des vollumfänglichen Geständnisses sowie der Möglichkeit der Äußerung bei den Schlussvorträgen und im letzten Wort das Beruhen des Urteils auf der unterbliebenen Befragung aus § 257 Abs. 1 StPO sicher ausgeschlossen (vgl. BGH aaO).
Angesichts dessen bedarf keiner Entscheidung, ob die Verletzung von § 257 Abs. 1 StPO jedenfalls bei einem wie hier verteidigten Angeklagten lediglich dann in der Revision geltend gemacht werden kann, wenn in der tatrichterlichen Hauptverhandlung Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 238 Abs. 2 StPO gestellt worden war; für die Verletzung des Äußerungsrechts aus § 257 Abs. 2 StPO ist diese Obliegenheit anerkannt (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 1 StR 503/06, NStZ 2007, 234, 235).“
Für die Verteidigunf von Bedeutung ist m.E. auch der Hinweis des BGH auf § 238 Abs. 2 StPO. Hier hat/konnte der BGH die Frage offen lassen. Für andere Fälle, in denen es ggf. darauf ankommt, sollte der Verteidiger „lieber vorbauen“ und beanstanden. Dann kann die Revision nicht mit der Begründung: § 238 Abs. 2 StPO übersehen, scheitern.
Und wenn die Tatrichter meckern, dass so viel „Unruhe“ in der Hauptverhandlung ist: Der BGH ist schuld 🙂 .