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Rahmengebühren für den Nebenklägervertreter, oder: Bedeutung des Verfahrens für den Nebenkläger

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Die zweite Entscheidung des Tages befasst sich dann aber mit anwaltlichen Gebühren, und zwar mit den Rahmengebühren für den Nebenklägervertreter im amtsgerichtlichen Verfahren.

Dem LG Ravensburg, Beschl. v. 16.05.2022 – 1 Qs 19/22, den mir der Kollege Kabus aus Bad Saulgau geschickt hat, liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kollegin des Kollegin war als Vertreterin des Nebenklägers in einem Strafverfahren tätig, das bei einem AG anhängig war. Dem Angeklagten war zur Last gelegt worden, eine vorsätzliche Körperverletzung und eine Sachbeschädigung zum Nachteil des Nebenklägers begangen zu haben.

Die Rechtsanwältin legitimierte sich im Ermittlungsverfahren als Vertreterin des Nebenklägers und beantragte Akteneinsicht, die ihr seitens gewährt wurde. Mit Aktenrückgabe beantragte sie die Übersendung einer Abschlussverfügung. Darüber hinaus reichte sie mit einem weiteren Schriftsatz die Rechnung für die Reparatur der vom Angeklagten beschädigten Brille des Nebenklägers ein.

Der Angeklagte erstattete hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Sachverhalts seinerseits Strafanzeige gegen den Nebenkläger wegen Vortäuschens einer Straftat. Während die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einstellte, beantragte sie beim gegen den Nebenkläger beim AG den Erlass eines Strafbefehls. Diesem Antrag wurde entsprochen. Der Nebenkläger hat Zulassung der Nebenklage beantragt. Diese ist, nachdem der Angeklagte über seinen Verteidiger Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, zugelassen worden. Von der Rechtsanwältin ist dann gegenüber dem Angeklagten Schadensersatz, Schmerzensgeld und außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 2.833 EUR geltend gemacht worden. Dem ist der Angeklagte mit Nachdruck entgegen getreten.

Im Hauptverhandlungstermin vom 9.11.2021, der von 10:00 Uhr bis 12:15 Uhr dauerte und an dem die Rechtsanwältin teilnahm, wurde das Verfahren gern. § 153a Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Nach Auflagenerfüllung ist das Verfahren dann endgültig eingestellt worden, wobei angeordnet wurde, dass der Angeklagte die notwendigen Auslagen des Nebenklägers zu tragen hat.

Im Kostenfestsetzungsverfahren sind die Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG) sowie die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren (Nr. 4104 VV RVG) und für das gerichtliche Verfahren (Nr. 4106 VV RVG) jeweils als Mittelgebühr – nach altem Recht – geltend gemacht worden. Hinsichtlich der Terminsgebühr (Nr. 4108 VV RVG) hat sie die Festsetzung des oberhalb der Mittelgebühr liegenden Betrags von 320 EUR beantragt. Das AG hat die Grundgebühr auf nur 130 EUR, die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren auf nur 100 EUR und die Terminsgebühr auf die Mittelgebühr von 275 EUR festgesetzt. Das dagegen von der Nebenklägervertreterin eingelegte Rechtsmittel hatte Erfolg:

„Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, soweit es sich gegen die Bewertung des Verfahrens als kostenrechtlich unterdurchschnittliche Angelegenheit wendet. Dagegen ist die Festsetzung einer gegenüber der Mittelgebühr erhöhten Terminsgebühr zu Recht unterblieben.

1. Sind keine Umstände erkennbar, die eine Erhöhung oder Ermäßigung rechtfertigen, so steht dem Verteidiger grundsätzlich die Mittelgebühr des einschlägigen Gebührenrahmens zu (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 14 Rn. 41). Vorliegend genügen die in der angefochtenen Entscheidung zur Absetzung der Gebühren angeführten Gesichtspunkte im Ergebnis der gebotenen Gesamtschau aller Umstände des konkreten Einzellfalls nicht, von der Mittelgebühr abzuweichen.

Soweit auf den geringen Aktenumfang zum Zeitpunkt der Einsichtnahmegewährung Bezug genommen wird, ist die genannte Blattzahl irreführend, da der überwiegende Teil der Ermittlungsakte – insbesondere der Ermittlungsbericht und die Vernehmungsprotokolle – beidseitig bedruckt waren. Hinzu kommt, dass diese Aktenteile in großem Umfang absatzlos als Fließtext abgefasst sind, was die Übersichtlichkeit und gedankliche Erfassung erschwert. Vor dem Hintergrund, dass die Verfahrensbearbeitung einen Abgleich der in entsprechender Weise niedergelegten Aussagen von drei Zeugen erforderlich macht, wiegt dies besonders schwer. Ein einfach gelagerter Sachverhalt, der jeder tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit entbehrt, lag schon nach der im Ermittlungsverfahren übersandten Verfahrensakte nicht vor.

Unabhängig davon wurde bei der Gebührenfestsetzung die konkrete Bedeutung der Sache für den Mandanten der Beschwerdeführerin nicht in ausreichendem Maße in den Blick genommen:

a) So hing von der Bewertung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht in entscheidendem Maße ab, ob sich der Nebenkläger wegen des vom früheren Angeklagten erhobenen Vorwurfs des Vortäuschens einer Straftat zu verantworten haben würde. Der frühere Angeklagte hatte insoweit nicht nur zeitnah Strafanzeige erstattet. Vielmehr ist aus dem in der Akte (Blatt 47) enthaltenen E-Mail-Ausdruck zu entnehmen, dass er – nach der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Ravensburg – sein Anliegen gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft im Beschwerdewege weiterverfolgte.

b) Darüber hinaus kam dem Ausgang des Strafverfahrens – von vornherein absehbar – erhebliche Bedeutung für die Erfolgsaussichten einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme des früheren Angeklagten durch den Mandanten der Beschwerdeführerin zu. Mithin verlangte das von ihr übernommene Mandat auch eine Auseinandersetzung, ob der Weg des Adhäsionsverfahrens beschritten werden soll. Letztlich erfolgte tatsächlich eine (Teil-)Regulierung zivilrechtlicher Ansprüche im Wege des Strafverfahrens, was als weitere Option seitens der Beschwerdeführerin in die Abwägung sachgerechter Vorgehensweisen einzubeziehen war.

c) Eine besondere Erschwernis ergab sich für das Mandat der Beschwerdeführerin aus der Art und Weise, mit der sich der frühere Angeklagte gegen den Tatvorwurf verteidigte. Diese beinhaltete namentlich schwerwiegende Vorwürfe und ehrverletzende Angriffe gegen den Nebenkläger. So wurde dieser vom früheren Angeklagten in der mit der General-staatsanwaltschaft geführten Korrespondenz der „Aufwendung krimineller Energie“, der „Zuhilfenahme von Gefälligkeitsaussagen“, eines „persönlichen Rachefeldzugs“, der Manipulation von Zeugen, der Selbstbeibringung der Verletzung und des Betreibens eines „rentablen Geschäftsmodells“ zur Befriedigung finanzieller Interessen bezichtigt. All dies – so weiter der frühere Angeklagte – entspreche der „Charakterstruktur der Person pp. In vergleichbarer Weise äußerte sich pp. auch direkt gegenüber der Beschwerdeführerin als Reaktion auf deren anwaltliches Forderungsschreiben. Mit diesen Äußerungen wurde vom Auslagenschuldner selbst unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Gegenstand und die Bedeutung des Verfahrens keineswegs als Bagatelle oder unterdurchschnittlich betrachtet. Dementsprechend stellte sich der Verfahrensgegenstand auch aus Sicht des mit massiven Schuldvorwürfen überzogenen Nebenklägers – dessen Ruf auf dem Spiel stand – und seines Rechtsbeistands nicht als Angelegenheit von unter-durchschnittlicher Bedeutung dar.

d) Schließlich war die tatsächliche Schwierigkeit, wonach es für das Kerngeschehen keinen Augenzeugen gab und insoweit von einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation aus zugehen, zu berücksichtigen.

e) Unter den dargelegten Umständen genügten die vergleichsweise geringfügige Verletzung, die überschaubare Höhe des Sachschadens, der zeitlich und sachlich eng umrissene Verfahrensgegenstand sowie die niedrige Straferwartung nicht, insgesamt von einer gebührenrechtlich unterdurchschnittlichen Angelegenheit auszugehen. Letztlich ist auch die Dauer der Hauptverhandlung, die keinesfalls als unterdurchschnittlich zu bewerten ist, ein Indiz für die Bedeutung und Schwierigkeit der Sache. Es verschließt sich der Kammer, weshalb dies für die zuvor angefallenen Gebühren anders zu bewerten sein sollte, zumal die Sach- und Rechtslage in der Hauptverhandlung keine Änderung durch neue Erkennt-nisse oder Beweismittel erfuhr.

Nach alledem war für die Gebühren Nr. 4100 und 4106 VV RVG der Ansatz der jeweils beantragten Mittelgebühr gerechtfertigt.

2. Dem gegenüber wurde die Erhöhung der Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr zu Recht versagt. Es bedarf insoweit keiner Erörterung, ob ein Rechtsgrundsatz dahingehend besteht, dass bei einer amtsgerichtlichen Verhandlungsdauer von mehr als zwei Stunden eine über der Mittelgebühr liegende Terminsgebühr ausgelöst werde. Unter den konkreten Umständen des hier zu bewertenden Einzelfalls war jedenfalls keine Erhöhung veranlasst.

Dem Hauptverhandlungsprotokoll lässt sich entnehmen, dass die Beweisaufnahme weniger als zwei Stunden dauerte: Der letzte Zeuge wurde um 11:47 Uhr entlassen. Im Anschluss wurden nur noch drei wenig umfangreiche Urkunden „auszugsweise“ verlesen und ein Lichtbild in Augenschein genommen. Sodann wurde ein Rechtsgespräch geführt, an dem – laut Protokoll – die Beschwerdeführerin nicht beteiligt war. Schließlich kam es zur vorläufigen Verfahrenseinstellung, bei welcher der Beschwerdeführerin schon kraft Gesetzes eine aktive Mitwirkung verwehrt war. Dass sie insoweit zumindest eine Stellungnahme abgegeben hätte, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Jedenfalls war infolge der Verfahrenseinstellung ein Schlussvortrag der Beschwerdeführerin entbehrlich.

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist nicht ersichtlich, wodurch eine Erhöhung der Mittelgebühr ausgelöst sein sollte.

Die Entscheidung erscheint mir zutreffend. Übersehen hat die Rechtsanwältin aber offenbar, dass auch die Nr. 4143 VV RVG entstanden sein dürfte. Das LG sprich von einer „(Teil-)Regulierung zivilrechtlicher Ansprüche im Wege des Strafverfahrens“. Da dürfte die Nr. 4143 VV RVG entstanden sein. Ich habe den Kollegen darauf hingewiesen und er wird es „prüfen“ 🙂 .