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Taxiüberfall: Räuberischer Angriff, auch wenn das Fahrzeug nur noch rollt…..

entnommen wikimedia.org Urheber: Dirk

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Im BGH, Urt. v. 28.04.2016 – 4 StR 563/15 – ging es mal wieder um einen räuberischen Angriff auf einen Kraftfahrer (§ 316a StGB). Zu der Vorschrift haben wir länger vom BGH nichts gehört, nachdem es dazu vor einigen Jahren eine ganze Reihe von Entscheidungen des BGh gegeben hat. Überfallen worden war – ebenfalls mal wieder – ein Taxifahrer, die sind häufig Opfer von Überfällen. Das LG hatte das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs abgelehnt und nicht wegen eines Verstoßes gegen § 316a StGB verurteilt. Der BGH hat es anders gesehen:

1. Die Strafvorschrift des § 316a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass bei dem auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrers eines Kraftfahrzeugs verübten Angriff die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt werden. Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingun-gen des Straßenverkehrs begangen wird. In objektiver Hinsicht ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 172; vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07, BGHSt 52, 44, 46). Befindet sich das Fahrzeug beim Verüben des Angriffs in Bewegung, liegt diese Voraussetzung regelmäßig vor, weil dem Führer eines sich fortbewegenden Kraftfahrzeugs die Gegenwehr gegen den Angriff infolge der Beanspruchung durch das Lenken des Fahrzeugs wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung erschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 244/12, NStZ 2013, 43; Urteil vom 23. April 2015 – 4 StR 607/14, NStZ 2015, 653, 654 m. krit. Anm. Sowada, StV 2016, 292, 294). Subjektiv ist ausreichend, dass sich der Täter – entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB – in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehr-möglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04 aaO; vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07 aaO).

2. An diesen Maßstäben gemessen halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verneint hat, einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen fand der mit dem Kabel geführte Angriff des Angeklagten S. auf die Nebenklägerin zu einem Zeitpunkt statt, als das Taxi noch rollte und die Nebenklägerin infolgedessen mit der Bedienung des Fahrzeugs befasst war. Damit liegen – entgegen der Bedenken des Landgerichts – objektiv die Voraussetzungen für ein Ausnutzen der besonderen Ver-hältnisse des Straßenverkehrs vor, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignete. Soweit die Jugendkammer in subjektiver Hinsicht darauf verweist, dass ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs von den Angeklagten nicht geplant worden sei, stellt sie auf einen unzutreffenden Beurtei-lungszeitpunkt ab. Denn für die subjektive Tatseite maßgeblich ist nicht ein früherer Tatplan, sondern die konkrete subjektive Vorstellung der Täter bei Ausübung des Angriffs. Schließlich hat die Jugendkammer nicht bedacht, dass für die subjektive Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht erforderlich ist, dass der Täter sich durch die verkehrsspezifischen Umstände zielgerichtet einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben verschaffen will. Es reicht vielmehr aus, dass er die sich aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs ergeben-den tatsächlichen Umstände in der Weise erkennt, dass er sich bewusst ist, ein hierdurch in seinen Abwehrmöglichkeiten beeinträchtigtes Tatopfer anzugreifen.“

Verkehrsbedingter Halt – Ja oder nein? – die Antwort entscheidet über § 316a StGB

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Vor einigen Jahren hat der BGH drei Grundsatzentscheidungen zu § 316a StGB erlassen (BGHSt 49, 8; 50, 169, 52, 44), mit denen die früher – nach Auffassung des BGH zu – weite Rechtsprechung zu dieser Vorschrift eingeschränkt worden ist.

Voraussetzung für eine Verurteilung nach § 316a StGB ist nun, dass die Tat unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs begangen wurde. Der BGH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass dieses Tatbestandsmerkmal in der Regel erfüllt, wenn der Angriff i.S. des § 316a StGB zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem sich der Fahrer mit dem Fahrzeug im fließenden Verkehr befindet (BGHSt 49, 8, 14 f.; 50, 169, 172 f.). Entsprechendes gilt auch, wenn das Pkw während der Fahrt verkehrsbedingt mit laufendem Motor hält, die Fahrt aber nach Veränderung der Verkehrssituation sogleich fortgesetzt werden soll. Diese Situation wird so angesehen, als befinde sich das Fahrzeug weiterhin im fließenden Verkehr. In diesen Fällen habe auch der Geschädigte i.d.R. keine Möglichkeit, sich dem Angriff zu entziehen. In allen anderen Fällen, insbesondere bei einem nicht verkehrsbedingten Halt, bedarf es nach der Rechtsprechung des BGH zusätzlicher, in den Urteilsgründen darzulegender Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass die Tat unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen worden ist.

Diese Rechtsprechung fasst noch einmal der BGH, Beschl. v. 22.08.2012 – 4 StR 244/12 – zusammen. Da hatte das LG lediglich festgestellt, dass einer der Angeklagten den Geschädigten im Einvernehmen mit seinen Mittätern „nach dem Halt im Wohngebiet“ zur Leerung seiner Taschen aufforderte. Zu den näheren Umständen dieses „Anhaltens“ in einem Wohngebiet war in den Urteilsgründen nichts ausgeführt. Der BGH hat insbesondere Angaben dazu vermisst, ob das Anhalten verkehrsbedingt, wie z.B. vor einer Lichtzeichenanlage, war. Somit ergab sich aus den Feststellungen nicht, dass die Angeklagten unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ge handelt hatten.

Ergebnis: Aufhebung und Zurückverweisung. Man sieht, es kann auf Kleinigkeiten ankommen, ob eine Verurteilung erfolgt oder nicht.