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Fahrtenbuch: Beweis des Zugangs des Anhörungsbogens durch die Behörde gelungen?

Ein wenig Luft bei der Anordnung eines Fahrtenbuches verschafft der VG Potsdam, Beschl . v. 9 03.2012, VG 10 L 52/12 -, in dem es um die Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht des Fahrzeughalters als Voraussetzung für die Anordnung eines Fahrtenbuches (§ 31a StVZO) ging. Erforderlich ist für die Anordnung, dass die Feststellungen des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung nicht möglich ist, obwohl die  Behörde nach den Umständen des Einzelfal­les alle bei vernünftiger Betrachtung angemessenen und zumutbaren Nachforschun­gen ergriffen hat. In dem Zusammenhang spielt die Mitwirkungspflicht des Fahrzeugshalters eine Rolle. An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeug­führer zu bezeichnen, fehlt es nach der Rechtsprechung regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter einen Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht.

Das VG sagt nun: Sendet der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Verwaltungsbehörde im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht zurück, kann darin im Rahmen der Anordnung eines Fahrtenbuches aber nur dann eine unterbliebene Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers gesehen werden, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen nachweislich erhalten hat. Diesen Beweis konnte hier die Behörde nicht führen:

Allein die Obersendung eines Datensatzauszuges der Behörde reicht hierfür nicht aus, da die Vorschrift des § 41 Abs. 2 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungs­akt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt, gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Bbg VwVfG nicht im Ord­nungswidrigkeitenverfahren Anwendung findet und das OWG keine vergleichbaren speziellen Vorschriften beinhaltet. Vielmehr gilt insoweit die allgemeine Vorschrift des § 130 BGB für den Zugang von Willenserklärungen, deren allgemeine Beweislast hier die Behörde trägt. Den notwendigen Beweis des Zuganges konnte die Behörde hier jedoch nicht führen.

Die vom OVG Lüneburg (B. v. 6. April 2010 – 12 ME 47/10 -) genannten Indizien sind offenkundig nicht geeignet, geeignet, den individuellen Nachweis für einen entsprechenden Zugang hier bei der Antragstellerin zu führen.

Gewogen und zu leicht befunden…….“von Verfassungs wegen nicht haltbar“

so kann man den BVerfG, Beschl. v. 2 BvR 15/11 überschreiben, in dem das BVerfG zum (nicht) ausreichenden Tatverdacht für die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung, die Grund für eine Durchsuchung beim Beschuldigten war, Stellung genommen hat. Das AG, bestätigt vom LG, hatte den Tatverdacht u.a. auf das Lichtbild vom Beschuldigten auf der Homepage der Firma, bei der er nach seinen Angaben unentgeltlich als Praktikant tätig war, gestützt. Das sei sonst so nicht üblich. Dem BVerfG hat das nicht gereicht:

Die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts ist von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 Abs. 1 StGB) beinhaltet als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Leistungsmöglichkeit des Täters, denn dieser muss tatsächlich zu einer mindestens teilweisen Leistung imstande sein (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 170 Rn. 8). In den angegriffenen Entscheidungen finden sich schon keine Angaben darüber, in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht bestand und welche Einkünfte der Beschwerdeführer erzielt haben soll. Der Tatverdacht wird allein auf die pauschale Behauptung weiterer Einkünfte in der Strafanzeige der von dem Beschwerdeführer getrennt lebenden Ehefrau und den Internetauftritt eines Unternehmens gestützt, in welchem der Beschwerdeführer als Praktikant im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme beschäftigt war. Hierbei handelt es sich indes nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über dem notwendigen Selbstbehalt liegende Einkünfte erzielt. Allein aus dem Internetauftritt der >Firma P… kann nicht auf das Zahlen einer Vergütung geschlossen werden, zumal die Verantwortlichen des Unternehmens der Staatsanwaltschaft gegenüber mitgeteilt haben, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Praktikums gerade kein Entgelt gezahlt worden sei. Tatsachenfundierte Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht an den Angaben des Beschwerdeführers und der Firma P… hinsichtlich der fehlenden Entlohnung zweifeln durfte, zeigt das Landgericht nicht auf. Der pauschale Verweis auf die Lebenswirklichkeit reicht dafür nicht aus. Die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen.“

Von Verfassungs wegen nicht haltbar“ ist schon ganz schön dicke.

 

Wird in Sachsen (zu) schnell durchsucht?

Der „zurückgekehrte“ Kollege Siebers (herzlich willkommen) berichtete gestern über eine im StV veröffentlichte Entscheidung des LG Hamburg zum Beweisverwertungsverbot bei der Durchsuchung, die nach einer unwirksamen Einwilligung mit der Maßnahme durchgeführt worden war. Der Kollege zollte dem LG Hamburg seinen Respekt (vgl. hier). Ans ich sollten solche Entscheidungen ja eine Selbstverständlichkeit sein. Sind es aber (leider) nicht: Häufiger liest man die Versuche, die an sich rechtswidrigen Maßnahmen der Ermittlungsbehörden gesund zu beten, bzw., warum denn gerade in diesem Fall noch nicht von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen ist.

In der Reihe der berichtenswerten positiven Entscheidungen gehört dann m.E. auch der hier jetzt vorgestellte LG Dresden, Beschl. v. 05.09.2011 – 5 Qs 59/11, der sich mit der Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung bei einem Dritten befasst hat. Es heißt dort zu der durchgeführten Durchsuchung:

Es lagen schon keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die im Durchsuchungsbeschluss erwähnten, beschlagnahmefreien Unterlagen tatsächlich in den Kanzleiräumen der weiteren Beteiligten befinden würden. Dies ergibt sich aus dem Ergebnis der bisherigen Er­mittlungen. Anhaltspunkte, dass die weitere Beteiligte auch nur in der Vergangenheit mit Buchführungsarbeiten für die Beschuldigten befasst war, lagen nicht vor. Dies hat das Finanzamt auch in seiner Stellungnahme zur Beschwerde bestätigt. Danach sollte die Klärung der Fra­ge, ob und wenn ja in welchem zeitlichen Umfang die weitere Beteiligte Buchführungsarbeiten für die Beschuldigten erledigt habe, gerade der Durchsuchungsmaßnahme vorbehalten blei­ben. Dass ein Sozius der Drittbetroffenen zu einem früheren Zeitpunkt Unterlagen aus der Buchführung vorgelegt hat, gibt keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass er weitergehende Un­terlagen , zumal nach Beendigung dieses Mandats, in seinem Gewahrsam hat. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden bestand daher lediglich eine vage und damit nicht hinreichende Möglich­keit, dass die aufzufindenden Unterlagen sich tatsächlich bei der weiteren Beteiligten befinden. Ein solchermaßen ungewisser Verdacht genügt den Anforderungen des § 103 Abs. 1 StPO aber nicht.“

und:

Im Übrigen wäre als weniger einschneiden­de, den Ermittlungszweck nicht gefährdende Maßnahme anstelle einer Durchsuchung beim Unverdächtigen (zunächst) die Beiziehung der Gerichtsakte sowie die Vernehmung von Ver­tragspartnern der Beschuldigten möglich und Erfolg versprechend gewesen. Zwar kommt der Ermittlungsbehörde grundsätzlich ein Auswahlermessen bei der Wahl ihrer Maßnahmen zu, insbesondere ist sie nicht gehalten, sich auf weniger Erfolg versprechende Maßnahmen ver­weisen zu lassen. Hier wäre aber eine (vorherige) Vernehmung möglicher Vertragspartner der Beschuldigen durchaus entweder verdachtserhärternd oder -entlastend gewesen.“

Fazit: Der zweite Beschluss innerhalb kurzer Zeit, in dem sich das LG Dresden mit Durchsuchungen befasst und sie als rechtswidrig ansieht. Da stellt sich dann schon die Frage, ob in Sachsen wohl manchmal (zu) schnell geschossen wird (vgl. auch hier zum Richtervorbehalt verkehrt)?