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Eindringen in den Garten, das ist noch kein versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl

© rcx - Fotolia.com

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In der vergangenen Woche hatte ich über das BGH, Urt. v. 10.08.2016 – 2 StR 493/15 – berichtet. Gegenstand des Urteils war u.a. die Versuchsstrafbarkeit beim Wohnungseinbruchsdiebstahl („Jetzt geht es los“, oder das Betreten des Hausflurs als Wohnungseinbruchsdiebstahl). Dazu passend weise ich dann heute hin auf den BGH, Beschl. v. 20.09.2016 – 2 StR 43/16, der ebenfalls den Versuch eines Wohnungseinbruchsdiebstahls zum Gegenstand hat.

Dem BGH passt die Veurteilung durch das LG nicht und er hebt auf:

„1. Die Verurteilung wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls im Fall II.3 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den getroffenen Feststellungen ist nicht dargetan, dass die Angeklagten im Sinne von § 22 StGB bereits unmittelbar zur Verwirklichung des Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB angesetzt haben.

a) Bei Qualifikationstatbeständen wie auch bei Tatbeständen mit Regelbeispielen ist grundsätzlich auf das Ansetzen zur Verwirklichung des Grundtat-bestandes abzustellen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 22, Rn. 36 mN). Daraus folgt, dass sich bei § 244 StGB wie bei § 243 StGB gleichermaßen die einheitlich zu beantwortende Frage stellt, ob mit den festgestellten Tathandlungen zur Wegnahme im Sinne von § 22 StGB angesetzt ist (vgl. im Zusammenhang mit § 244a StGB BGH NStZ 2015, 207).

Das unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne Zwischenakte zur – vollständigen – Tatbestandserfüllung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in sie einmündet. Diese Voraussetzung kann schon gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vornimmt; regelmäßig genügt es allerdings, wenn der Täter ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes verwirklicht. Es muss aber immer das, was er zur Verwirklichung seines Vorhabens unternimmt, zu dem in Betracht kommenden Straftatbestand in Beziehung gesetzt werden (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2015, 207).

b) Nach diesen Maßstäben haben die Angeklagten noch nicht – wie es für einen Versuch des § 242 StGB notwendig ist – zum Gewahrsamsbruch angesetzt. Das Eindringen in den Garten über das Gartentor reicht nicht aus. Zum einen sollte nach der Vorstellung der Angeklagten nicht im Garten, sondern in dem durch weitere Sicherungen geschützten Haus auf dem Grundstück nach Stehlenswertem gesucht werden (vgl. OLG Hamm MDR 1976, 155). Zum anderen ergibt sich aus den Feststellungen nicht, ob das Gartentor nach seiner Funktion als wesentlicher Schutz des Hauses anzusehen ist oder etwa durch einfaches Öffnen oder Übersteigen überwunden werden konnte. So ist nicht dargelegt, dass schon in dem Eindringen auf das Grundstück ein Ansetzen zum Gewahrsamsbruch liegt.
Aber auch das weitere Vorgehen der Angeklagten belegt noch keinen Versuchsbeginn. Ein „Zuschaffenmachen“ vor der Terrassentür gibt – da es in-soweit auch an der Mitteilung des Tatplans der Angeklagten fehlt – keinen konkreten Hinweis dafür, ob schon zur Wegnahme, einem unmittelbar bevorstehenden Einwirken auf fremden Gewahrsam, angesetzt ist. Dies gilt auch für das „Anleuchten des Rollos“; auch hier ermöglichen es die Feststellungen des Landgerichts nicht nachzuvollziehen, ob schon zum Gewahrsamsbruch unmittelbar angesetzt ist oder ob nach dem Tatplan der Angeklagten weitere Zwischenschritte erforderlich sind, bis es schließlich zu einem Einwirken auf den Gewahrsam des Gebäudeinhabers, der durch Geräusche im Zusammenhang mit dem Gartentor auf das Eindringen in seinen Garten aufmerksam geworden ist, kommen kann.“

Also: Jetzt geht es los. Darauf kommt es an…..

Sexueller Missbrauch – auf offener Straße? Eher unwahrscheinlich

Das  ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:

Der Angeklagte begleitete „die ihm unbekannte neun Jahre alte Grundschülerin C. auf ihrem Schulweg. Dabei erzählte er ihr, dass zwei etwa 12 Jahre alte Freundinnen seiner Tochter bei ihm zuhause gebadet hätten. Eine von ihnen habe auf seine Aufforderung hin seinen Penis angefasst und sei anschließend von ihm von hinten „gefickt“ worden. Im Anschluss daran forderte er C. auf, ebenfalls seinen Penis anzufassen. Diese weigerte sich, ging aber weiter neben dem Angeklagten her. Kurz darauf kam ihr Vater hinzugeeilt und stellte den Angeklagten zur Rede. Ob C. die Bedeutung des Wortes „Ficken“ geläufig war, vermochte das Landgericht nicht sicher festzustellen. Sie war jedoch in der Lage, sowohl den sexu-ellen Bezug der Erzählungen, als auch den Inhalt der an sie gerichteten Aufforderung zu erfassen. Noch am Folgetag wirkte sie deshalb peinlich berührt.“

Das LG hat in den Erzählungen des Angeklagten einen sexuellen Missbrauch von Kindern im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB und in der sich anschließenden Aufforderung seinen Penis anzufassen einen hierzu in Tateinheit stehenden versuchten sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 Fall 2, Abs. 6 Halbsatz 1; § 23 Abs. 1, § 22 StGB gesehen.

Der BGH sieht das im BGH, Beschl. v. 27.09.2011 – 4 StR 454/11 – anders:

„Ein versuchter sexueller Missbrauch eines Kindes wird durch die Feststellungen nicht belegt.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen erfüllen diese Voraussetzungen nur dann, wenn sie nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht  vorrgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weiteren Zwischenakt in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (BGH, Urteil vom 16. Januar 1991 – 2 StR 527/90, BGHSt 37, 294, 297 f.; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Danach kann in der Aufforderung des Angeklagten, seinen Penis anzufassen, nur dann ein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 176 Abs. 1 Fall 2 StGB gesehen werden, wenn der Angeklagte dabei angenommen hat, dass es im unmittelbaren Anschluss – also auf offener Straße – zur Vornahme der angestrebten sexuellen Handlung kommt. Ausdrückliche Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen. Obgleich der Angeklagte in der Vergangenheit mehrfach wegen exhibitionistischer Handlungen und Vornahme sexueller Handlungen in der Öffentlichkeit verurteilt werden musste, versteht sich ein solcher Tatplan hier nicht von selbst.“

M.E. zutreffend. Das Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes auf offener Straße dürfte eher unwahrscheinlich sein.